Kapitel 10

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Ich folgte ihm ins Haus. Hielt er gerade wirklich meine Hand? Warum folgte ich ihm einfach so? Was würde als nächstes passieren? Fragen über Fragen... Das waren definitiv zu viele Fragen für diesen Moment.
Thomas zog mich weiter in den Flur des Hauses und ließ dann plötzlich meine Hand los.
„ Ähm, ja... Wohin jetzt genau mit dem guten Stück?" Dabei klopfte er leicht mit seiner nun wieder freien Hand gegen das Brett auf seiner Schulter. Immer noch leicht verwirrt von der Situation davor deutete ich an ihm vorbei. „Die Treppe hinauf und dann links."
„Am besten du gehst voraus, damit ich weiß, wo ich hin muss." Hatte er etwa Angst, sich zu verlaufen? So groß war das Haus ja nun wirklich nicht.
Ich nicke ihm leicht zu und lief zur Treppe. Wir gingen hinauf und betraten nacheinander mein neues Zimmer. Das Chaos, was ich heute früh hinterlassen hatte, war nichts im Vergleich zum jetzigen Zustand. Meine Umzugskisten waren jetzt zwar in einer Ecke gestapelt und mein Bett war an die Wand geschoben worden, aber dafür war der nun eigentlich freie Raum mit gefühlt hundert einzelnen Möbelbrettern zugestellt.
Thomas setzte das Brett vorsichtig ab und lehnte es gegen eine der vier Wände. Dann blickte er sich einmal um. „Ein sehr schönes Zimmer. Schön groß und hell. Allerdings noch ein bisschen unbewohnbar." Er hatte seine Hände in die Hüfte gestemmt und sah sich aufmerksam um. Da entdeckte er meine Oma in einer Zimmerecke, wie sie und Ivan locker plauderten. Ohne mit der Wimper zu zucken, schritt er auf sie zu und stellte sich ihr vor. Was er allerdings genau sagte, verstand ich nicht, da ich an was anderes dachte. Ich konnte es immer noch nicht glauben. Thomas Brodie-Sangster war bei mir zu Hause und stand mit meiner Oma quatschend in meinem Zimmer. Und als wäre das nicht schon genug, wollte er mir noch beim Aufbauen meiner Möbel helfen. Das konnte doch alles nicht wahr sein. Das konnte nur ein Traum sein. Ich war so in meiner Gedankenwelt gefangen, sodass ich nicht mitbekam, wie meine Oma mich die ganze Zeit ansprach. „Erde an Mila, hallo, jemand da?" Verwirrt blinzelte ich ein paar Mal und kam wieder in der realen Welt an. Jetzt wurde mir erst klar, dass ich ziemlich bescheuert ausgesehen haben muss. Ich stand einfach im Raum herum und starrte die drei Leute mir gegenüber an. Vor allem ruhte mein Blick aber auf Thomas. Wie peinlich...
„ Ähm ja, was ist denn?" Mein Blick richtete sich wieder auf meine Oma. „Die Frage war, ob wir nun langsam die Möbel aufbauen wollen. So wie es aussieht, haben die Möbelpacker alle Teile hochgebracht."
„Ähm, okay. Ja... ja, können wir machen." Mein Gott, Mila, hör auf so zu stottern.
„Sehr schön. Komm Ivan, wir fangen am besten mit den Brettern hier an. Die sehen aus, als würden sie zusammengehören..." Damit drehte sich Thomas zu Ivan um und zeigte auf die Bretter, die neben ihm an der Wand lehnten. „Alles klar Mr. Sangster. Dann fehlen nur noch die dazugehörigen Schrauben. Und Werkzeug wäre auch nicht schlecht." Ivan sah von mir zu meiner Oma. Sie lächelte ihm freundlich zu und ging zu einem der Fensterbretter, wo ein großer Beutel voller Schrauben und Muttern lag. Währenddessen kniete sich Thomas auf den Boden und legte sich die Bretter zurecht, die zusammengesetzt eine meiner Kommoden ergeben würden. Unschlüssig stand ich in meinem Zimmer herum und überlegte, was ich nun machen sollte. Schließlich ging ich zu den Einzelteilen auf der anderen Seite des Zimmers und fing an, sie nach dem jeweiligen Möbelstück zu sortieren.
Ich hatte nicht gemerkt, wie meine Oma aus dem Zimmer gegangen war, aber als sie plötzlich wieder kam, war sie vollbeladen mit einem Tablett mit vier Wassergläser und einem tragbaren Radio. „Ich habe hier eine kleine Erfrischung und etwas Musik. Damit wird das Aufbauen vielleicht etwas erträglicher." Thomas und Ivan ließen von der Kommode ab, die schon so gut wie fertig war. Es fehlten nur noch die Schubladen. Ganz schön beeindruckend. Thomas hatte offensichtlich nicht gelogen, als er von seinen Erfahrungen mit dem Möbelaufbau gesprochen hatte. Jetzt gönnten sich beide eine kleine Pause. Verstohlen blickte ich zu den beiden. Vor allem natürlich zu Thomas. Er hatte sich sein blau-weiß kariertes Holzfällerhemd ausgezogen. Die Ärmel seines dunkelblauen Pullovers hatte er hochgekrempelt. Er sah so gut aus, wie er da stand und sein Wasser trank. Bevor er bemerken konnte, dass ich ihn mal wieder angestarrt hatte, schaute ich auf den Boden und nahm einen großen Schluck aus meinem Glas. Ich hätte nie gedacht, dass ich einmal mit dem Darsteller von Newt aus The Maze Runner im selben Raum stehen würde und er mir auch noch beim Aufbauen meiner Möbel helfen würde. Wer würde schon darauf kommen, dass so etwas passieren könnte? Die Wahrscheinlichkeit, dass so etwas jemals passieren würde lag bei 1:100000000000000..... Na ja, vermutlich war die Wahrscheinlichkeit noch geringer, aber wen interessierte das schon.
„Also gut, lasst uns weiter machen, damit wir fertig werden." Thomas hatte sein Glas leer getrunken und lief an mir vorbei zur halbfertigen Kommode. Dabei warf er mir ein unglaubliches schönes Lächeln zu. Zum Glück konnte ich mich noch rechtzeitig zu den Brettern drehen, die ich zuvor sortiert hatte, sodass keiner mitbekam, wie ich leicht rot wurde und mir ein kleines Grinsen verkneifen musste.

Die Zeit verging wie im Flug. Obwohl wir keine Anleitungen hatten, klappte es erstaunlich gut, alles wieder zusammenzubauen. Meine Oma und ich bauten die Schubladen zusammen, während Thomas und Ivan die großen Schrankwände zusammenfügten. Wir redeten nicht viel, aber das war mir irgendwie ganz recht. Ich hätte auch überhaupt nicht gewusst, was man hätte besprechen können. Zum Glück lief im Hintergrund das Radio, nicht so wie bei der Autofahrt davor.
Nach und nach verwandelte sich das anfängliche Bretterchaos in geordnete Schränke, Kommoden und Regale. Gegen 18 Uhr wurde die letzte Schraube festgedreht und Ivan legte den Schraubenzieher zurück in die Werkzeugkiste. Thomas klopfte sich zufrieden die Hände an der Jeans ab und sah sich in meinem Zimmer um. „Das sieht doch schon viel besser aus. Jetzt fehlt nur noch ein bisschen Deko." Er drehte sich lächelnd zu mir um und sah mir direkt in die Augen. Wären wir beide allein gewesen, hätte ich mich wahrscheinlich sofort wieder in seinen Augen verloren. Allerdings waren wir nicht allein und meine Oma nahm meine ganze Aufmerksamkeit in Anspruch, als sie fragte: „ Okay, wer hat Lust auf was zu Essen? Ich denke, wir sind alle etwas hungrig. Verdient haben wir es uns ja. Und ein Dankeschön für die Hilfe ist ,denke ich mal, angebracht."
„Danke für die Einladung Mrs. Asher, aber leider müssen wir absagen. Meine Mutter hat Ivan und mich für heute zu sich eingeladen, da wir uns schon so lange nicht mehr gesehen haben und das kann ich nicht mehr absagen." Bedrückt sah er meine Oma an. Aber die lächelte nur verständnisvoll. „Kein Problem, dann machen wir das ein anderes Mal."
„Das wäre sehr nett Mrs. Asher. Jetzt müssen wir aber wirklich los. Am besten gehe ich schon einmal los und hole den Wagen." Ivan zog den Autoschlüssel aus seiner Hosentasche und verabschiedete sich von mir. Dann ging er mit meiner Oma nach unten. Jetzt waren nur noch Thomas und ich im Zimmer. Um einem peinlichen Schweigen zu entgehen, ging ich zu einer der Umzugskisten und öffnete sie. Darin befanden sich einige persönliche Gegenstände, allen voran meine gerahmten Bilder mit meinen alten Freunden und besonderen Erlebnissen. Ich nahm einige Bilderrahmen aus dem Karton und stellte sie ins nächstbeste Regal. Unschlüssig stand ich davor und betrachtete die Fotos. Thomas wusste nicht genau, was er machen sollte. Ich bekam nur mit, wie er sich langsam hinter mich stellte und ebenfalls die Bilder betrachtete.
„Ist das dein Freund?" Verwirrt blickte ich auf das Foto, auf das er zeigte. Es war ein Foto von mir und Jona. Ein Foto, auf dem ich lachend in die Kamera blickte, während mir Jona einen Kuss auf die Wange gab. Ich war immer noch ziemlich verwirrt und überrumpelt von der Frage, weshalb ich nicht sofort antwortete. Als ich gerade antworten wollte, fiel Thomas mir ins Wort. „Sorry, das geht mich nichts an. Du musst mir nicht sagen, ob und in wen du verliebt bist. Du..."
„Ja, ich liebe ihn." Warum hatte ich das gesagt? Es sah plötzlich so aus, als wäre jeglicher Glanz aus seinen Augen verschwunden. „Ah, okay..." Er zwang sich zu einem Lächeln und wollte gerade nach seinem Hemd greifen, als ich ihn zurück hielt. „Warte, ja ich liebe ihn. Ich hab ihn lieb, wie man seinen besten Freund halt lieb haben kann."
Sein Hemd, das er zuvor gegriffen hatte, legte er nun langsam wieder auf einen der Kartons und kam ein paar Schritte in meine Richtung. „Dann seid ihr also nicht zusammen?"
„Nein, sind wir nicht. Das ist mein bester Freund Jona aus Berlin." Ich nahm das Bild aus dem Regal und betrachtete es ausgiebig. „Er fehlt dir, oder?" „Schon ein wenig..."
„Wie habt ihr euch kennengelernt?"
„Wir kennen uns aus dem Kindergarten. Seitdem sind wir beste Freunde."
„Wow, dann kennt ihr euch ja schon ziemlich lange."
„Ja, kann man so sagen. Wir haben auch schon ziemlich viel erlebt..." Ich griff nach den anderen Bildern. „Hier waren wir auf Klassenfahrt in Rom. Und auf dem Bild waren wir mit seinen Geschwistern im Garten von seiner Tante. Ach... und hier waren wir im Tierheim und haben ein paar Hunde ausgeführt..."
„Dann bist du also tierlieb?" Interessiert hatte sich Thomas die Bilder angesehen. Jetzt lehnte er sich gegen ein Fensterbrett und verschränkte die Arme vor der Brust. Er legte seinen Kopf leicht schräg und blickte mich an.
„Kann man so sagen." Langsam stellte ich die Bilder zurück ins Regal und sah Thomas an. Wir schwiegen uns einen Moment an, als plötzlich von unten eine Autohupe ertönte.
„Tja, da ist mein Wagen. Das heißt dann jetzt wohl 'tschüss' sagen."
„Ja, das heißt es jetzt wohl. Vielen Dank noch mal fürs Helfen. Ohne dich und deinen Bodyguard hätte ich nicht gewusst, wie ich das hätte schaffen sollen." Dankbar lächelte ich ihn an. Er ging ein paar Schritte auf mich zu und streckte seine Hand aus. Zuerst dachte ich, er wollte wieder meine Hand nehmen, aber er griff an mir vorbei nach seinem Hemd und war, als er wieder aufrecht vor mir stand, nur noch einen knappen Meter von mir entfernt.
„Das war doch kein Problem. Ich helfe gerne, wenn ich kann."
„Okay...Dann... ja... danke noch mal."
„Keine Ursache." Er ging in Richtung Tür. Als er fast da war, blieb er stehen, drehte sich noch einmal um und kam ein paar Schritte zurück. „Achso...was ich dich noch fragen wollte.... Könnte ich eventuell deine Handynummer haben? Natürlich nur, wenn du nichts dagegen hast..." Er blickte verlegen zu Boden, als er das sagte. Ich wusste erst nicht, was ich sagen sollte. Damit hatte ich echt nicht gerechnet.
Als ich meine Sprache wiedergefunden hatte, brachte ich nur ein zaghaftes „Warum?" hervor. „Na ja, du scheinst Tiere sehr zu mögen. Vielleicht hättest du mal Lust, mit mir ins Tierheim zu gehen und dich mit mir für ein paar Stunden um ein paar Tiere zu kümmern?"
Meine Sprache war auf einmal wieder weg. Alles, was ich sagen konnte, war: „O..ok...okay..." Ein kleines Lächeln erschien auf seinem Gesicht und schnell zog er sein Handy aus der Hosentasche, da die Autohupe schon das dritte Mal ertönte. Er reichte es mir. Mit zitternden Fingern tippte ich meine Nummer ein und gab es ihm zurück. Grinsend steckte er es wieder ein.
„Okay, vielen Dank. Ich hoffe, du hast nichts dagegen, wenn ich mich irgendwann bei dir melde?"
Als ich nur mit einem Kopfschütteln antwortete, zog er sein Hemd an und ging wieder zur Tür. Dort angekommen, drehte Thomas sich noch ein letztes Mal um und hob zum Abschied die Hand. „Okay, dann rufe ich dich an." Und damit verschwand er und ließ mich verdattert im Zimmer stehen...

Do you trust me? (Thomas Brodie-Sangster FF)Where stories live. Discover now