Kapitel 12

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Die nächsten Tage vergingen wie im Flug. Wie angekündigt kam meine Mutter am Sonntagnachmittag zu Besuch. Sie hatte seit langem mal einen Tag frei, erzählte aber trotzdem fast nur von ihrem neuen Job. Meine Oma freute sich sehr, sie endlich einmal wieder zu sehen, meine Freude hielt sich dagegen einigermaßen in Grenzen. Natürlich liebte ich meine Mutter über alles, aber sie konnte auch sooo anstrengend sein. Besonders, wenn es um ihr neues Lieblingsthema ging: meine neue Schule... Es mussten ja noch so viele Dinge erledigt werden und alles... Bla, bla, bla... Wie ich das Thema hasste. Warum musste sie solch einen Stress machen? Reichte es nicht schon, dass sie mich in die International School of London stecken musste, in der es von der dritten Klasse bis zum Abi alles gab? Wenn schon Oberschule, dann wenigstens ohne Kleinkinder... Wie sollte man denn da vernünftig lernen?
Meine Laune wurde an diesem Tag nicht mehr wirklich besser. Vielleicht lag es auch ein wenig am Wetter. Es regnete seit Stunden und das sollte sich scheinbar auch die nächsten Tage nicht ändern.
Der Montag begann, wie der Sonntag endete: mit Regen. Also beschloss ich das Wetter zu nutzen und sortierte meine Klamotten. Dabei wurde auch ziemlich viel ausgemistet, was bedeutete, dass ich vor Schulbeginn unbedingt noch einmal in die Stadt musste. Aber ganz bestimmt nicht heute. Da weiterhin Ferien waren, konnte mir auch keiner einen Vorwurf machen, wenn ich den restlichen Tag im Bett mit Neflix verbrachte. Welcher Mensch würde sich nicht über so einen entspannten Tag freuen?
Genau deshalb änderte sich auch in den nächsten beiden Tagen nicht viel an meinem Tagesablauf. Netflix war in dieser Zeit einer meiner besten Freunde. Allerdings durfte zwischendurch auch ein gutes Buch und ein bisschen Mit-Oma-Quatschen nicht fehlen. Eben eine ausgewogene Mischung.
Erst am Donnerstag wurde ich etwas aktiver. Die letzten Bescheinigungen für die neue Schule kamen an und ich konnte meine Unterlagen soweit vervollständigen. Eine Unterschrift hier, eine Unterschrift da und dann natürlich noch einmal alles in Kopie für meine Mutter. Natürlich. Es durfte bloß kein Chaos entstehen, waren ihre Worte, als ich ihr die Mappe mit allen Papieren in die Hand drücke. Am Ende würde der erste Schultag noch an fehlenden Papieren scheitern. Wie schrecklich... Somit stand meinem ersten Schultag nach den Ferien von der Seite aus nichts mehr im Wege. Leider...
Da ich nun schon einmal wach war, beschloss ich, ein wenig im Internet nach Sportangeboten und -vereinen zu suchen und mich schlau zu machen. Allerdings wurde meine Recherche nicht sonderlich mit Erfolg gekrönt. Dann musste ich wohl oder übel an einem anderen Tag weitermachen. Aber nicht an diesem Wochenende. Freitag und Samstag waren trotz anhaltendem Regen für Klamotten -, Deko - und Schulsachen-Shoppen reserviert. An sich war es nichts Besonderes. Bei den Schulsachen kamen wirklich nur die Dinge in den Einkaufswagen, die ich auch wirklich brauchte: ein paar neue Stifte, Hefter, Radiergummi, Notizhefte für die unterschiedlichsten Fächer... Klamotten waren da schon eine ganz andere Sache. Man konnte nie genug Kleidung besitzen. Also wurden dementsprechend auch zwei, drei Sachen gekauft, die man vielleicht in der Form schon im Schrank zu hängen hatte und eigentlich nicht wirklich brauchte. Aber waren wir mal ehrlich: Irgendwie sah doch alles immer ein wenig anders aus, was auch den Kauf in einer Art und Weise rechtfertigte. Bis auf eine blau-weiß gestreifte Regenjacke mit dunkelblauen Ankern, die ich bei dem Wetter eindeutig brauchte, achtete ich bei den anderen Sachen eher auf Aussehen und Preis als auf Notwendigkeit. In dem Moment war mir das aber völlig egal. Ich genoss es, noch einmal ein wenig Zeit für mich zu haben, bevor es am Montag wirklich ernst wurde. Beim Shoppen konnte mein Gehirn auch mal richtig abschalten und meine Gedanken kreisten nicht andauernd um Thomas.
Was am Samstag noch so gut geklappt hatte, war dann am Sonntag jedoch unmöglich. Bis auf Schultasche packen und versuchen, den Tag über so viel wie möglich zu schlafen, konnte ich nichts anderes machen, als über ihn und mein Leben nachzudenken. Warum hatte ich ihm nur meine Nummer gegeben? Jetzt machte ich mir nur falsche Hoffnungen und zerbrach mir den Kopf darüber, was eventuell hätte sein können. Ganz toll. Genau das brauchte ich jetzt. Schlecht gelaunt lag ich abends im Bett und starrte die Decke an. Das würde ja morgen ein super Start werden...

Und der Morgen kam auch leider viel zu schnell. Mein Wecker klingelte um 6 Uhr. Der "große" Tag war da. Musste ich wirklich schon aufstehen? Obwohl ich gestern den halben Tag verschlafen hatte, war ich hundemüde. Missmutig schälte ich mich aus meiner Decke und schlurfte ins Bad. Als ich mich im Spiegel sah, sank meine Laune auf den Tiefpunkt. Ich sah grausam aus. Die Haare komplett vom Schlafen zerzaust, mit zusammengekniffenen Augen, blasser Haut und einem Blick, der töten könnte, sah ich aus, als wäre ich direkt einem Horrorfilm entsprungen. Schlaftrunken tapste ich zur Dusche und ließ mich vom warmen Wasser berieseln. Nach der Dusche fühlte ich mich etwas besser. Ich wickelte meine Haare in ein Handtuch und warf meinen Snoopy-Bademantel über. Danach schlurfte ich zurück in mein Zimmer und legte mir mein Outfit für den Tag zurecht. Ich entschied mich für eine blaue Jeans und ein weißes Top mit Spaghetti-Trägern und leichten Spitzen-Applikationen. Dazu kramte ich ein bordeaux-rot und schwarz kariertes Flanellhemd aus meinem Schrank. Da ich mein Zimmer die Woche zuvor aufgeräumt hatte, konnte ich nun auch endlich meine silberne Ankerkette tragen, die mir Jona vor einigen Jahren geschenkt hatte. In den vielen Umzugskartons hätte ich lange suchen können. Zum Glück war jetzt mein ganzer Schmuck in einer kleinen Schmuckschatulle sicher aufbewahrt.
Bevor ich in die Küche ging, trocknete ich meine Haare noch etwas mit dem Handtuch und ließ sie weiter an der Luft trocknen. In der Küche empfing mich der wohlige Geruch von frisch gekochtem Pfefferminztee und aufgebackenen Brötchen. Meine Oma begrüßte mich mit einem fröhlichen "Guten Morgen", was ich aber nur mit einem mauligen Murmeln erwiderte. Heute war nicht wirklich mein Tag. Das schien meine Oma auch zu bemerken, da sie darauf nichts antwortete und wir wortlos frühstückten. Nebenbei dudelte leise das Radio. Hätte ich nicht so miese Laune gehabt, wäre die Stimmung auch eigentlich ganz angenehm gewesen. Leider meinte es der Tag heute nicht gut mit mir. Beim Blick auf die Uhr entfuhr mir ein tiefer Seufzer. Schon viertel vor 7. So langsam musste ich mich echt fertig machen, um nicht am ersten Tag zu spät zu kommen. Also stand ich widerwillig auf, trank den letzten Schluck Pfefferminztee, räumte mein Geschirr in die Spüle und verabschiedete mich ins Bad. Dort angekommen, putzte ich mir schnell die Zähne, legte mein leichtes Tages-Make-up auf und kämmte meine Haare. Heute würde ich sie mal offen lassen. Beim Blick aus dem Fenster war ich mir allerdings schon nicht mehr sicher, ob das wirklich eine gute Idee war. Sollte es wieder wie die Tage zuvor regnen, würde ich später richtig fertig aussehen. Meinen Haaren bekam feuchte Luft irgendwie überhaupt nicht. Aber gut, zur Not würde ich mir halt in der Schule noch einen Zopf machen. Immer diese Probleme, die man hat. An sich nur ganz klein und unbedeutend, aber dann doch wieder so groß, dass sie einem den Tag versauen können. Schrecklich...
Zurück in meinem Zimmer zog ich mich schnell an, legte meine Kette und meine Armbanduhr an und kontrollierte noch ein letztes Mal meinen schwarzen Eastpack-Rucksack, ob ich nichts vergessen hatte. Eigentlich richtig Mainstream dieser Rucksack, aber es passte halt alles rein und was anderes hatte ich im Moment nicht. Also musste es so gehen.
Bevor ich das Zimmer verließ, setzte ich noch meine Brille auf und zwei Spritzer meines Lieblingsparfums durften natürlich auch nicht fehlen. Wenigstens etwas Vertrautes. Mit meinem Handy in der Hand lief ich die Treppe hinunter. Im Flur wartete meine Oma wieder geduldig, während ich mir meine schwarzen Vans und meine schwarze Lederjacke anzog. Zum Abschied umarmte sich mich noch einmal und flüsterte mir ins Ohr: „ Du schaffst das meine Große. Der Tag wird bestimmt nicht so schlimm, wie du vermutest. Ich hab dich ganz doll lieb."
„Danke Grandma, aber wahrscheinlich wird er noch schlimmer... Ich hab dich auch ganz doll lieb."
Mit diesen Worten schloss ich die Haustür hinter mir und machte mich auf dem Weg zum Bus.
Während der Fahrt versuchte ich an nichts zu denken und mich nur auf die Musik aus meinen Kopfhörern zu konzentrieren. Ohne großen Erfolg. Meine Gedanken kreisten um alle möglichen Dinge, sodass ich fast meine Station verpasst hätte. Im letzten Moment bemerkte ich es jedoch noch und als ich vor dem Schulparkplatz auf dem Bürgersteig stand, wusste ich nicht einmal mehr, woran ich die ganze Zeit gedacht hatte.
Langsam ging ich über den sich immer mehr füllenden Parkplatz in Richtung des Haupteinganges der Schule. Allerdings hatte ich kaum die Gelegenheit, mich genauer umzusehen, denn ich musste höllisch aufpassen, nicht von einem einparkenden Auto über den Haufen gefahren zu werden. So rücksichtslos hatte ich noch nie jemanden einparken gesehen. Ich wollte mich gerade wieder in Richtung Schule bewegen, als ein greller Schrei mich zusammenfahren ließ. „Hi Ashley!! Da bist du ja endlich!" Leicht geschockt drehte ich mich in die Richtung, aus der diese quietschende Stimme kam und erblickte dabei etwas, das mich kurz die Luft anhalten ließ.
Oh nein, das konnte doch nicht wahr sein....


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Hallo ihr Lieben,

vielen Dank für eure ganzen Rückmeldungen unter den letzten Kapiteln. Ich freue mich immer sehr darüber, wenn euch die Sachen gefallen. 

Das ist jetzt das letzte Kapitel, das ich vor zwei Jahren geschrieben habe. Ab jetzt kommen nur noch Kapitel, die ich ab der letzten Woche startend verfasst habe und verfassen werde. Aber auch diese werden weiterhin auf der bisherigen Story aufbauen und euch hoffentlich genauso gut gefallen.

Also bis dahin, bleibt gesund und viel Spaß beim Lesen. :)

Lg sangstergangster98

Do you trust me? (Thomas Brodie-Sangster FF)Where stories live. Discover now