Kapitel 17

1.2K 55 18
                                    


... Zumindest ein bisschen. Nach 45 Minuten klingelte es endlich zum Stundenende und die Meisten legten erleichtert ihre Stifte beiseite. An sich war die Stunde gar nicht einmal so schlimm gewesen, aber wenn man eine gute Dreiviertelstunde damit verbrachte, einen Apfel mit Schatten, Konturen und allem Drum und Dran zu zeichnen, war man doch irgendwie froh, irgendwann davon erlöst zu werden. Zudem war es auch nicht unbedingt einfach, da wir mit einem weißen Buntstift auf schwarzem Papier unsere Äpfel zeichnen sollten. Ein Fehler und man hatte ein kleines Problem, da sich diese Linien nicht so einfach wegradieren ließen wie die von einem Bleistift auf normalen Blättern. Nichtsdestotrotz verlief mein weiterer Morgen dadurch ein bisschen weniger stressig als noch vor 2 Stunden, da alle einigermaßen ruhig und konzentriert vor sich hinzeichneten, sodass man selber recht fokussiert arbeiten konnte. Und ich musste gestehen, so schlecht sah meine Zeichnung am Ende gar nicht aus. Klar, man konnte immer noch etwas verbessern, aber dafür hätten wir wohl noch in der nächsten Kunststunde Zeit, wie Mrs. Summer verkündete, als sie die Zeichnungen einsammelte. Mit den Worten „Wir sehen uns in der 5. Stunde wieder " verließ sie dann auch schon den Raum und wir konnten unsere 5-minütige Pause einläuten. Hoffentlich würde sie dann später darauf verzichten, mich noch einmal ausfragen zu wollen, denn darauf hatte ich wirklich überhaupt keine Lust.
Während die Anderen etwas aßen, quatschten oder auf die Toilette gingen, nahm ich meinen neuen Stundenplan unter die Lupe. Gleich wäre eine Stunde Mathe, danach jeweils eine Stunde Erdkunde und Geschichte und zum Abschluss noch eine Doppelstunde Politik. Mein Lieblingstag würde der Dienstag wahrscheinlich nicht unbedingt werden, aber immerhin war es der Kürzeste. An allen anderen Tagen hatte ich 7 oder 8 Stunden, wobei Schulschluss um 15 Uhr auch nicht super spät war. Heute würde ich allerdings schon um 13.15 Uhr gehen können, worüber ich auch sehr dankbar war, da Grandma nachmittags noch einkaufen gehen wollte und ich ihr versprochen hatte, tragen zu helfen.
Ansonsten war der Plan eigentlich gar nicht einmal so schlecht, zumal morgen Deutsch und Sport dran waren. Deutsch war an der Schule eine der drei Fremdsprachen, aus denen man wählen konnte. Natürlich war mir klar, dass ich als Muttersprachlerin einen gewaltigen Vorteil hatte, aber warum sollte ich mir das Leben unnötig schwer machen, indem ich Japanisch oder Italienisch wählte? Man musste Prioritäten setzen und die zwei Sprachen zählten nicht unbedingt zu denen, die ich lernen wollte. Hätten Spanisch oder Französisch zur Wahl gestanden, hätte ich mich vielleicht dafür entschieden, aber das konnte man nur wählen, wenn man seit der 5. Klasse diese Schule besuchte, was ich nun einmal nicht tat. Also doch lieber Deutsch. Außerdem erkannte ich, dass ich glücklicherweise in den Physikkurs eingeteilt worden war, da ich Chemie und Bio schon in meiner alten Schule nicht leiden konnte. Ich war zwar in beiden Fächern ganz gut, aber irgendwie hatten mich beide Fächer nicht weiter gereizt, sodass ich sie, sobald es möglich war, abgewählt hatte. Zudem wurde Physik von dem Mann unterrichtet, der just in diesem Moment das Klassenzimmer betrat und mir von Rachel als Mr. Monroe, unseren Mathelehrer, vorgestellt wurde.
Bevor es zum Stundenbeginn klingelte, begrüßte auch er mich kurz, wollte allerdings anders als Mrs. Summer, keine weitere Vorstellungsrunde einleiten. Zum Glück...
Nachdem es nun auch die letzten Nachzügler geschafft hatte, sich auf ihren Plätzen einzufinden, begann der Unterricht.
„ Guten Morgen, ich hoffe, ihr habt mich alle vermisst und deshalb gewissenhaft die Aufgaben gemacht, die ich euch gestern aufgegeben habe." Gespannt blickte Mr. Monroe in die Runde und viele meiner Mitschüler sahen auffällig unauffällig zur Seite, als wollten sie bloß nicht ins Visier des Lehrers geraten. „Gut, dann frage ich mal anders: Wer hat denn die Aufgaben bearbeitet?" Wieder sah er sich im Raum um und zuerst meldete sich niemand, doch dann hoben Max und sein Sitznachbar Julien zaghaft ihre Hände, was einige Schüler mit „War ja klar" kommentierten. Auch Logan meldete sich. Das war es dann aber auch schon. Unserem Lehrer entfuhr ein kleiner, leiser Seufzer, was mich nun auch dazu veranlasste, mich ebenfalls zu melden. Man konnte den armen Mann schließlich nicht komplett hängen lassen, oder? Erstaunt drehte sich Rachel in meine Richtung und fragte leise: „Du hast die Aufgaben wirklich gemacht?"
„Ja, wieso auch nicht? So schwer waren die ja auch nicht...", antwortete ich ihr mit einem Schulterzucken. Augenscheinlich flüsterte ich nicht leise genug, denn diese Antwort lenkte scheinbar die Aufmerksamkeit der gesamten Klasse auf mich. Plötzlich drehten sich alle in meine Richtung und auch Mr. Monroe sah mich nun direkt an. Am liebsten hätte ich mich dafür geohrfeigt, meine Hand gehoben zu haben, aber das wäre jetzt doch ein wenig zu peinlich gewesen. Noch peinlicher als diese plötzliche Aufmerksamkeit. Ich wusste nicht genau, wohin ich schauen sollte, also richtete ich meinen Blick auf mein Heft, in dem ich die Aufgaben bearbeitet hatte. Zum Glück drehten sich alle wieder in Richtung Tafel, als Mr. Monroe scheinbar seine Stimme wiedergefunden hatte: „Tja, also ich hatte eigentlich gehofft, dass dieses Mal ein paar mehr Leute das machen, worum man sie bittet, aber gut. Es ist, wie es ist. Dann werden jetzt alle, die die Hausaufgaben nicht gemacht haben, sie jetzt machen und bekommen dementsprechend alles, was sie jetzt nicht in der Stunde schaffen plus die neuen Aufgaben für zuhause auf."
Allgemeine Empörung zog durch den Raum und einige Mitschüler wollten schon beginnen, mit dem Lehrer zu diskutieren. Allen voran natürlich Austin, der sich gestern schon lautstark beschwert hatte, aber Mr. Monroe unterbrach sie harsch: „Keine Widerrede. Ihr hattet alle genug Zeit, die Aufgaben zu bearbeiten und wenn ihr die Chance nicht nutzt, müsst ihr eben mit den Konsequenzen rechnen. Ihr könnt froh sein, dass ich euch nichts über die Ferien aufgegeben habe. Wer morgen mit den Aufgaben nicht fertig ist, muss eben auch morgen noch zuhause daran weiterarbeiten. Ich erwarte, dass am Donnerstag alle soweit sind, dass wir mit dem Stoff vernünftig vorankommen können. Wir hängen jetzt schon wieder hinterher und langsam reicht es auch einmal. Sonst muss ich demnächst für jede nicht gemachte Hausaufgabe Sechsen verteilen und das wollt ihr ja auch nicht. Also, schlagt jetzt eure Bücher auf und bearbeitet die Aufgaben." Das war keine Bitte. Nach und nach holten alle ihre Bücher und Hefte hervor und begannen, die 'Hausaufgabe' zu bearbeiten. Etwas unschlüssig, was wir jetzt tun sollten, sahen Max, Julien und ich uns um, während sich Logan entspannt zurücklehnte und die Hände hinter dem Kopf verschränkte. Mr. Monroe sah das und ihm fiel ein, dass er uns vielleicht auch eine Aufgabe geben sollte. „Ah ja, die vier, die netterweise die Aufgaben erledigt haben, ihr könnt schon auf den nächsten Seiten weiterarbeiten. In der nächsten Woche werden wir hoffentlich bis Seite 230 im Buch kommen. Arbeitet einfach von Seite 218 soweit, wie ihr kommt. Die Anderen bekommen dann dementsprechend später die Übungen als Hausaufgabe auf." Bevor er weitersprechen konnte, unterbrach ihn Julien mit einer kaum verständlichen Frage. Wow, der Junge nuschelte ganz schön. Mr. Monroe hatte ihn aber scheinbar verstanden, denn er meinte nur: „Ja, von mir aus könnt ihr auch gerne im Team arbeiten. Rachel, tauschst du dann bitte mit Logan den Platz?" Entsetzt sah sie den Lehrer an. „Was? Nein, das können sie mir nicht antun. Ich will nicht neben Adam sitzen. Und Mila..."
„Komm Rachel, beeil dich. Ich weiß, das Leben ist hart, aber wir haben nicht den ganzen Tag Zeit. Außerdem, hättest du die Aufgaben einfach gemacht, könntest du neben ihr sitzen bleiben. So und nun zack, zack..." Dabei wies er auf den Stuhl vor uns, den Logan schon mit einem breiten Grinsen freigegeben hatte. Missmutig packte sie ihre Sachen und tauschte mit ihm den Platz. Danach drehte sie sich noch einmal kurz um und hauchte mir ein zerknirschtes 'Sorry' zu, bevor sie sich endgültig ihren Aufgaben widmete. Während der ganzen Aktion verspürte ich durchgehend das Gefühl, von jemandem beobachtet zu werden. Ich sah zu Mr. Monroe, doch dieser schrieb gerade etwas ins Klassenbuch, weshalb ich kurz meinen Blick durch den Raum schweifen ließ und zwei Reihen vor mir auf der Fensterseite an einer Person hängen blieb. Ashley betrachtete mich mit durchdringendem Blick, der irgendwie ein wenig hasserfüllt aussah, flüsterte dann Sarah, die neben ihr saß, etwas ins Ohr und musterte mich dann wieder. Auch Sarah sah sich nun in meine Richtung um, bevor beide wieder die Köpfe zusammensteckten und weiter tuschelten. Was für Probleme hatten die denn bitte? Ich konnte ja wohl nichts dafür, wenn die nicht ihre Aufgaben machten. Oder hatten sie mich jetzt doch von der Premiere erkannt? Manchmal dauerte es ja eine Weile, bevor das Langzeitgedächtnis Erinnerungen wieder ausspuckte. Ehe ich weiter darüber nachdenken konnte, was die beiden von mir wollten, riss mich Logan aus meinem Tagtraum. „Also... du scheinst ja sehr gut in Mathe zu sein. Wollen wir doch mal sehen, wie gut. 25 Minuten Einzelarbeit soweit man kommt und dann vergleichen wir, einverstanden?" Auffordernd sah er mich an.
Ein wenig perplex erwiderte ich: „Ähm, ja okay."
„Gut, dann leg mal los und beeindrucke mich." Mit einem Augenzwinkern öffnete er sein Heft und fing an, zu schreiben. Ich brauchte ein paar Sekunden, um diese Aussage zu verarbeiten, legte dann aber auch los. Wir rechneten beide still vor uns her, aber ich bemerkte trotzdem, dass er ab und zu in meine Richtung schaute. Wollte er etwa wissen wie weit ich war oder schummeln? Na ja, egal. Ich rechnete einfach weiter und bekam kaum mit, wie Mr. Monroe durch die Klasse lief und Schülern über die Schulter blickte. Ein paar stellten auch Fragen, die ich allerdings demonstrativ überhörte, um mich nicht ablenken zu lassen. Als er an unserer Reihe vorbei ging, blieb er kurz vor Logan und mir stehen und fragte: „Und, wie weit seid ihr gekommen?" Ohne mit der Wimper zu zucken, verkündete Logan ihm, dass er bereits auf Seite 219 Aufgabe 5 sei und lächelte ihm dann zu, wobei er sichtlich versuchte, nicht all zu überheblich zu wirken. Mr. Monroe nickte anerkennend und wandte sich dann an mich: „Und du Mila?" „Aufgabe 2, Seite 220."
Er grinste amüsiert. „Hast du ein paar Aufgaben übersprungen, um weiter als Logan zu sein?"
„Nein, ich habe alle Aufgaben gemacht, auch die mit Sternchen." Verwirrt sah ich ihn an. Scheinbar wollte Mr. Monroe mir nicht so recht glauben, denn er zeigte fragend auf mein Heft, woraufhin ich es ihm schweigend überreichte. Er überflog meine Rechnungen und zog überrascht eine seiner mittlerweile langsam ergrauenden Augenbrauen hoch.
„Wir waren schon mit Integralrechnung fertig und haben mit Stochastik angefangen, bevor ich nach London gekommen bin", erklärte ich ihm, als er mir ein wenig beeindruckt mein Heft zurück gab.
„Dann haben wir ja eine neue Expertin im Kurs. Soweit ich sehe, war alles richtig. Schön, dass ich jetzt nicht immer die gleichen Schüler fürs Erläutern der Aufgaben fragen muss." Damit machte er auf dem Absatz kehrt und nahm sich wieder den anderen Schülern an, die noch ein paar Fragen hatten.
Neben mir räusperte sich Logan. Als ich mich zu ihm drehte, musterte er mich mit einem undefinierbarem Grinsen. Dabei schüttelte er leicht den Kopf und rieb sich dann mit der Hand am Kinn. Diese Geste erinnerte mich an Thomas. Tatsächlich hatte ich seit heute Morgen nicht mehr an ihn und unseren Chat gedacht. Und auch jetzt hatte ich keine Möglichkeit dazu, denn Logan raunte mir so leise, dass fast nur ich es verstehen konnte, zu: „So, so. Neben mir sitzt ein kleines Mathe-Ass. Schlau und hübsch. Was für eine Kombination. Muss ich noch etwas wissen?"
Diese Aussage machte mich kurzzeitig sprachlos. War das gerade sein Ernst? Als ob irgendjemand auf so eine dumme Anmache wirklich ansprang. Bevor ich mir überlegen konnte, was ich darauf antworten sollte, mischte sich Rachel von der vorderen Reihe ein, da sie anscheinend jedes Wort von ihm gehört hatte. „Übertreib es nicht. Mila ist nicht an dir interessiert und so wie du dich verhältst, kann ich das gut verstehen. Du solltest langsam mal merken, dass du nicht so unwiderstehlich bist, wie du vielleicht glaubst und dass nicht jeder so blöd ist und auf deine peinlichen Anmachsprüche hereinfällt." Dankbar sah ich zu ihr. Sie hatte den Nagel wirklich auf den Kopf getroffen. Was dachte der Typ eigentlich, wer er war? Würde Thomas solche Sprüche raushauen... Na ja, wahrscheinlich würde ich ihn immer noch gut finden, aber nicht so gut wie bisher. Zum Glück hatte Thomas nicht die geringste Ähnlichkeit mit Logan. Okay, Logan sah schon irgendwie ganz gut aus mit seinen dunkelbraunen Haaren und den strahlend blauen Augen. Auch seine markanten Gesichtszüge, die man oft bei männlichen Models sehen konnte, hatten etwas für sich. Allerdings machten sein Charakter sowie seine selten dämlichen Sprüche das Aussehen wieder zunichte. Vielleicht sollte er einmal daran denken. Jetzt war aber scheinbar nicht der Zeitpunkt, denn er konterte nur: „Ach Rachel, sei doch nicht immer so eifersüchtig. Du wirst auch noch jemanden finden, der dich ganz erträglich finden wird. Allerdings nicht so, wenn du dich weiter in Dinge einmischst, die dich nichts angehen und von denen du keinen Ahnung hast."
Jetzt reichte es aber. Wie konnte er sich nur erlauben, so mit ihr zu sprechen? Gerade als ich dazu ansetzte, ihm endlich einmal richtig meine Meinung zu sagen, kam mir Mr. Monroe zuvor: „So, die drei Herrschaften in der hinteren Reihe bitte ich jetzt auch, die Gespräche einzustellen. Danke, ihr könnt in der Pause weiter diskutieren. Und nun zu den Hausaufgaben: Wie vorhin schon erwähnt, erwarte ich, dass bis zu nächsten Stunde die Aufgaben von gestern sowie die neuen Hausaufgaben von heute alle fertig sind. Wer sie bis Donnerstag immer noch nicht erledigt hat, muss mit einem Eintrag ins Klassenbuch rechnen und dabei wird keine Ausnahme gemacht. Ich will endlich mit dem Stoff voran kommen und deshalb ist bis einschließlich Seite 218 alles zu erledigen. Ihr habt Glück, denn zwischendurch stehen nicht nur Aufgaben, sondern auch Kästchen mit nützlichen Tipps zum Rechnen. Dadurch hält sich die Menge an Aufgaben in Grenzen... So, wollte ich noch etwas sagen? Ich glaube nicht. Gut, wenn von euch keine weiteren Fragen mehr sind, entlasse ich euch hiermit in die Pause. Bis Donnerstag." Augenscheinlich gab es keine weiteren Fragen, denn mit der Pausenklingel sprangen alle auf und liefen nach draußen auf den Schulhof.
Ich schnappte mir mein Essen, das ich heute morgen eingepackt hatte und war schon auf dem Weg zur Tür, als Logan mich noch einmal zurück hielt. „Hey, soll ich dir den Weg zum Schulhof zeigen? Ich kann dir auch gerne den Rest der Schule noch zeigen und wir können uns dabei etwas unterhalten."
„Danke, aber ich brauche von dir keine Rundführung. Den Weg finde ich auch alleine und wenn nicht, frage ich Rachel oder jemand anderen. Und jetzt entschuldige, aber ich will in die Pause." Damit ließ ich ihn einfach stehen und lief an ihm vorbei zu Rachel, die vor der Tür auf mich wartete und mich breit angrinste. Scheinbar hatte sie meine Worte an ihn gehört und war froh, dass wir auf derselben Seite standen. „Gut so. Den Dämpfer hat er wirklich verdient. So ein Idiot. Denkt er wäre der tollste und..." Ich unterbrach sie: „Hey Rachel, ist okay. Ja, er scheint ziemlich selbst verliebt zu sein, von mir aus. Aber ich würde jetzt wirklich gerne die Pause genießen und nicht mehr von ihm sprechen. Du wahrscheinlich auch nicht oder?" „Ja, stimmt. Du hast Recht. Er hat es nicht verdient, dass wir auch nur einen weiteren Gedanken an ihn verschwenden. Also gut, lass uns über etwas anderes reden."
Und das taten wir dann auch. Auf dem Hof setzten wir uns zu ein paar anderen Mitschülern aus der Klasse, unter ihnen waren auch Emily und Austin, und schwatzten über Gott und die Welt, bis wir nach 15 Minuten schon wieder zum Unterricht mussten. Schade, dass die Pause so kurz war. Die Anderen, die bei uns saßen, schienen alle recht nett zu sein und ich hätte mich gerne weiter mit ihnen unterhalten, aber das musste bis zur nächsten Pause warten, denn jetzt standen erst einmal Erdkunde und Geschichte bei Mr. Parker an. Er war sehr jung und dynamisch und für einen Lehrer sah er auch ziemlich gut aus. Allerdings war er schon vergeben, sogar verheiratet, dabei schätzte ich ihn gerade einmal auf Ende 20. Neben den beiden Fächern würde ich ihn auch morgen im Sportunterricht antreffen und seine Frau war anscheinend meine neue Deutschlehrerin. Na das konnte ja heiter werden.
Die Stunden vergingen sehr schnell, auch wenn Eco-Farming und der 2. Weltkrieg nicht unbedingt die spannendsten Themen waren. Während des Unterrichts und in den Pausen ignorierte ich Logan komplett, da ich keine Lust auf weitere Diskussionen mit ihm und Rachel hatte und glücklicherweise sprach er mich fürs Erste auch nicht weiter an. Und auch Ashley würdigte mich glücklicherweise keines Blickes mehr, auch wenn ich nicht verstand, was sie überhaupt gegen mich zu hatte.
Nach der zweiten großen Pause war dann mein Hassfach Politik an der Reihe. Mrs. Summer kam vollbepackt mit zwei großen Landkarten unter den Armen ins Klassenzimmer und wir mussten uns zwei elendig lange Stunden mit Fakten über die Europäische Union, Fragen, Problemen und deren Lösungen dafür berieseln lassen, bevor um 13.15 Uhr endlich der erlösende Gong ertönte.
„Okay, bitte lest bis zur nächsten Stunde die zwei Seiten über die Regelungen für den Binnenmarkt, die ich euch vorhin ausgeteilt habe und schreibt eine kurze Zusammenfassung dazu, damit wir beim nächsten Mal wieder dort ansetzen können. Da wir es durch den straffen Zeitplan jetzt nicht mehr geschafft haben, eine ausführliche Vorstellungsrunde für eure neue Mitschülerin zu veranstalten und ihr euch ja auch in den Pause und außerhalb der Schule austauschen könnt, würde ich es jetzt auch dabei belassen und nicht weiter darauf eingehen. Ich denke, das wird schon in Ordnung gehen und ihr werdet euch auch so gut kennenlernen, nicht wahr, Mila?" Ihre letzten Worte richtet Mrs. Summer an mich und ich nickte ihr erleichtert zu, denn ich hatte wirklich nicht die geringste Lust auf diese Aktion. „Schön, dann wäre das auch geklärt. Dann wünsche ich euch einen schönen Nachmittag und wir sehen uns am Donnerstag wieder. Ach so, Julien und Edward, könntet ihr mir noch schnell beim Tragen der Karten helfen?" Damit waren wir entlassen und durften uns auf den Weg nach Hause machen.
Während des Unterrichts und auch in den Pausen waren Handys in der Schule nicht erlaubt, weshalb jetzt alle ihre Mobiltelefone aus den Taschen zogen und wie wild anfingen, Nachrichten zu lesen und Freunden zu schreiben. Auch ich zückte mein Handy, da ich die Hoffnung hatte, dass mir Thomas vielleicht bezüglich unseres Treffens geschrieben hatte. Und tatsächlich. Er hatte etwas geschrieben. Mein Herz machte einen kleinen Sprung und innerlich freute ich mich wahnsinnig darüber, obwohl ich noch nicht einmal wusste, was er geschrieben hatte. Bevor ich die Nachricht lesen konnte, verabschiedete ich mich noch schnell von den Anderen und lief mit Rachel in Richtung Bushaltestelle. Allerdings blieb sie am Schultor stehen, als sie einen roten Nissan Micra entdeckte, neben dem eine Frau um die 40 stand und ihr zuwinkte. Bei genauerem Hinschauen erkannte ich, dass sie Rachel extrem ähnlich sah und schloss daraus, dass es sich bei ihr um Rachel's Mutter handeln musste. „Ach Mist, das hatte ich ja voll vergessen. Meine Mutter wollte mich ja abholen, weil ich noch einen Zahnarzttermin habe. Sorry Mila, aber dann muss ich mich jetzt schon verabschieden. Wir schreiben nachher einfach, okay? Bis dann." Also war es wirklich ihre Mutter. Wusste ich es doch. Wir umarmten uns kurz und ich wünschte ihr viel Glück beim Zahnarzt, bevor sie in Richtung Auto sprintete und ich weiter zur Bushaltestelle lief. Da ich aber so neugierig war, was Thomas mir geschrieben hatte, blieb ich einfach kurzerhand stehen, um die Nachricht zu lesen.

"Hey Mila, ich hoffe, du hast den Tag bisher gut überstanden und bist nicht im Unterricht eingeschlafen. Falls doch, tut es mir Leid. Du kannst die Schuld gerne auf mich schieben. Obwohl... vielleicht lieber nicht. Am Ende wird dir sonst noch verboten, mit mir zu schreiben und das wäre ziemlich schade. ;)
Ich war heute Morgen auch ein wenig müde, aber 1 1/2 Tassen Kaffee und dann ging es. Wie sieht denn deine Planung für die nächsten Tage aus? Ich frage wegen unseres geplanten Treffens.
Leider muss ich jetzt weiter drehen und Text lernen, aber ich freue mich auf eine baldige Antwort.
Thomas"


Ich konnte mir ein Lächeln nicht verkneifen. Hoffentlich sah mich gerade niemand, denn es musste bestimmt merkwürdig ausgesehen haben, wie ich da mitten auf dem Gehweg stand und mein Handy angrinste. Schnell überlegte ich, was ich ihm antworten sollte und begann dann, zu tippen.

"Hey, ja es ging soweit. Waren jetzt nicht unbedingt die aller besten Fächer, aber im Großen und Ganzen war es schon okay und die Lehrer sind auch alle soweit ganz nett. Ich bin auch nicht eingeschlafen, wobei ich ein paar Mal kurz davor war, aber das war jetzt auch nicht wirklich dramatisch.
Bis jetzt habe ich bis auf Schule und Hausaufgaben nichts weiter geplant. Theoretisch hätte ich also immer so ab kurz nach 15 Uhr Zeit, wobei ich nicht weiß, wie es dann mit Hausaufgaben etc. aussieht. Wann hättest du denn so Zeit? Wenn du die ganze Zeit beim Drehen bist, willst du wahrscheinlich auch nicht unbedingt deine freien Minuten verschwenden, oder? Schlag einfach einen Termin vor und dann können wir ja schauen, ob das für uns beide passt.
Dann noch viel Spaß und Erfolg beim Textlernen.
Mila"


Hatte ich ihm gerade wirklich viel Spaß beim Textlernen gewünscht? Wow Mila, sogar im Chat benahmst du dich peinlich. Oh man, wie sollte denn da erst das Treffen werden? Wenn es denn überhaupt stattfand. So richtig daran glaube ich noch nicht. Wie dem auch sei, jetzt war es eh zu spät, denn ich hatte bereits auf 'Senden' gedrückt. Hoffentlich würde er über diese peinliche Äußerung hinwegsehen. Man, man, man... Jetzt hatte ich schon die Möglichkeit, mir genau zu überlegen, was ich antworten wollte, da er nicht in Person vor mir stand und trotzdem kam so etwas dabei heraus. Wenn er jetzt... Verdammt! Mitten in meinen Gedanken unterbrach ich mich selbst, denn genau in diesem Augenblick hielt mein Bus an der Haltestelle und wartete auf die einsteigenden Fahrgäste. Ich durfte ihn auf keinen Fall verpassen. Ich hatte Grandma doch versprochen, pünktlich zu sein, um ihr bei den Einkäufen zu helfen. Als hätte mich etwas gestochen, sprintete ich so schnell ich konnte zur Bushaltestelle. Doch es war zu spät. Genau in dem Moment, als ich sie erreichte, fuhr mir der Bus vor der Nase davon und machte auch keine Anstalten, noch auf mich zu warten. Na klasse. Ich wettete, der Fahrer hatte mich gesehen und war trotzdem einfach losgefahren. Vielen Dank für nichts. Was sollte ich denn jetzt machen? Der nächste Bus würde wahrscheinlich durch die vielen Baustellenstaus erst in 30 Minuten oder so kommen. Sollte ich mir ein Taxi rufen? Dann wäre ich wenigstens noch pünktlich zu Hause, aber Taxis waren teuer und ich war mir nicht sicher, ob ich genügend Geld dabei hatte. Aber was blieb mir anderes übrig?
Leise vor mich hinfluchend lief ich zum Haltestellenschild, auf dem neben den Abfahrtzeiten der Busse auch die Nummer eines Taxiunternehmens auf der Rückseite stand. Missmutig zog ich mein Handy aus der Tasche und begann, die angegebene Nummer einzutippen.
Warum hatte ich nicht mit der Antwort gewartet, bis ich im Bus gesessen hätte? Da hätte ich genauso gut schreiben können und müsste mich jetzt nicht über den Busfahrer und meine eigene Dummheit ärgern.
Bevor ich auf den grünen Hörer drückte, überlegte ich noch einmal kurz, ob es vielleicht doch noch eine andere Möglichkeit gäbe, aber mir fiel nichts Besseres ein, weshalb ich seufzend die Taxinummer wählte. Es tutete eine ganze Weile und ich fragte mich schon, ob überhaupt jemand ans Telefon gehen würde. Am liebsten hätte ich sofort wieder aufgelegt und noch einmal neu gewählt, aber dann würde ich wahrscheinlich in der nächsten Warteschlange hängen, was mich wieder unnötig Zeit gekostet hätte. Also legte ich nicht auf und lief wie ein unruhiger Tiger in seinem Käfig an der Haltestelle auf und ab. Konnte nicht einmal endlich jemand diesen verdammten Hörer abnehmen und...
Plötzlich hielt ein silberner Sportflitzer mit heruntergekurbeltem Beifahrerfenster neben mir und eine mir mittlerweile bekannte Stimme fragte gelassen: „Kann ich dich vielleicht ein Stück mitnehmen?"
Na toll, auch das noch...

-----------------------------------------------------

Hallo ihr Lieben, 

ich hoffe ihr habt ein paar schöne Osterfeiertage, auch wenn es dieses Jahr bei vielen vermutlich anders als geplant verlaufen wird. Tut mir Leid, dass das neue Kapitel so lange auf sich warten ließ, aber in den letzten Tagen habe ich mir einfach einmal wieder die Zeit genommen, selbst ein Buch zu lesen, bzw. es waren zwei. Und man... Das habe ich wirklich vermisst. Beide waren ziemlich gut, sodass ich nicht wirklich etwas anderes gemacht habe.

Ich hoffe, dass ich es noch schaffe, ein weiteres Kapitel zu verfassen, bevor es für mich mit der Uni weitergeht. Dann könnte es nämlich leider wieder sehr unregelmäßig mit den Veröffentlichungen werden, da viel zu tun sein wird. Aber ich gebe mir Mühe, weiterzuschreiben.

Bis dahin jetzt erst einmal noch einen schönen Freitag und bis die Tage.

LG sangstergangster98

Do you trust me? (Thomas Brodie-Sangster FF)Where stories live. Discover now