Kapitel 9

1.4K 79 11
                                    

Ivan startete den Motor und der Wagen setzte sich langsam in Bewegung. Ich wusste nicht genau, wo ich hinschauen sollte, weshalb ich einfach aus dem Fenster sah und die parkenden Autos betrachtete, an denen wir vorbei fuhren, als Ivan den BMW vom Parkplatz lenkte. Obwohl ich ihn nicht sehen konnte, bemerkte ich, wie Thomas unruhig in seinem Sitz herumrutschte. Was war mit ihm los? Musste er auf die Toilette oder was? Hör auf, Mila. Denk nicht über solche Sachen nach.
Um mich von dem Schauspieler abzulenken, zog ich mein Handy aus der Tasche und schrieb meiner Oma eine SMS, dass ich auf dem Weg war. Meine Oma war trotz ihres Alters sehr offen für neue Technologien und konnte recht gut mit ihrem Handy umgehen. Sogar SMS schreiben war kein Problem für sie.
Ich steckte mein Handy zurück in meine Tasche, seufzte leise und starrte auf die Kopflehne von dem Sitz vor mir. Die Stille im Auto war ziemlich erdrückend. Niemand sprach ein Wort und der Motor surrte so leise, dass ich zwischendurch das Gefühl hatte, der Wagen wäre stehengeblieben. Wenn Ivan wenigstens das Radio oder so eingeschaltet hätte... Aber nein, es war kein einziger Laut zu vernehmen.
Auch Thomas schien die Stille unangenehm zu sein. Aus dem Augenwinkel beobachte ich ihn, wie er verlegen seine Unterlippe knetete, als überlegte er, was er als nächstes sagen könnte. Plötzlich drehte er seinen Kopf in meine Richtung und sah mich an. „Du kommst also aus Berlin, richtig? Warum bist du nach London gezogen?" War das jetzt eine Frage aus reiner Höflichkeit oder interessierte er sich wirklich dafür? Hmm... egal, ich konnte es ihm ja erzählen und sollte es ihn langweilen, könnte er mich auch unterbrechen. „Ja, richtig. Ich komme aus Berlin. Meine Eltern haben sich scheiden lassen und ich bin jetzt mit meiner Mutter wieder zurück nach England gekommen. Zur Zeit wohnen wir bei meiner Grandma, bis meine Mutter eine Wohnung für uns beide gefunden hat, aber eigentlich will ich gar nicht bei meiner Grandma ausziehen." Thomas überlegte einen Augenblick. Dann fragte er: „Versteh das jetzt bitte nicht falsch, aber warum bist du nicht bei deinem Vater geblieben?" Tja, warum bin ich nicht bei meinem Vater geblieben? Vielleicht weil er ein Arsch war? Weil er die Familie für eine jüngere Frau verlassen hatte? Oder weil er die Töchter von der besagten Frau anstelle von mir vorgezogen hatte? Warum nur bin ich nicht bei meinem Vater in Deutschland geblieben.... Ich musste wohl sehr düster reingeschaut haben, denn Thomas ergriff plötzlich wieder das Wort. „Tut mir leid, ich wollte dir nicht zu nahe treten. Du musst es mir nicht sagen, wenn du nicht darüber sprechen willst. Deine Familiengeschichte geht mich ja auch nichts an."
Ich schüttelte meinen Kopf. „Mein Vater ist einfach ein Arsch und hat die Familie im Stich gelassen. Das ist alles. Deshalb bin ich jetzt wieder hier." Der Schauspieler sah betreten zu Boden. „Wir können gerne das Thema wechseln, falls du weiter mit mir reden willst."
Ich sah ihn kurz von der Seite an und zuckte mit den Schultern. Irgendwie war mir nicht mehr nach Reden, obwohl wohl jeder normale Mensch alles dafür gegeben hätte, sich mit jemandem wie Thomas Brodie-Sangster zu unterhalten. Die Sache mit meinem Vater schien mich aber immer noch ziemlich zu beschäftigen. Dabei dachte ich, ich würde mit der Situation klar kommen. Dem war wohl leider nicht so....
Thomas schien zu begreifen, dass er ein falsches Thema angeschnitten hatte und senkte leicht den Kopf, als er leise ein 'Tut mir wirklich leid' vor sich hin murmelte. Er drehte seinen Kopf wieder zur Seite und blickte aus dem Fenster. Auch ich wandte meinen Kopf wieder von ihm ab und sah aus dem Autofenster auf meiner Seite des Wagens. So verbrachten wir die restliche Zeit der Fahrt schweigend.

Ich beobachtete die vorbeiziehende Landschaft und vergaß fast, neben wem ich da im Auto saß. Als Ivan sich plötzlich meldete, zuckte ich leicht vor Schreck zusammen. „Wir sind da. Da vorne ist die genannte Adresse. Soll ich hier halten? Der Umzugswagen lässt mir keinen Platz, um näher an das Haus Ihrer Grandma heranzufahren."
„Ja, danke Ivan. Das wäre sehr nett. Vielen, vielen Dank fürs Herbringen. Es ging wirklich schneller als mit der U-Bahn und dem Bus." Erleichtert blickte ich durch die Windschutzscheibe zum Umzugswagen, vor dem jetzt zwei Arbeiter standen, um die Türen zu öffnen und meine Möbel in mein neues Zimmer zu tragen. Endlich wieder eine bekannte Umgebung.
„Tja, da wären wir nun. Dann heißt es jetzt wohl Abschied nehmen." Thomas lächelte mir leicht zu, aber seine Augen lächelten nicht mit. Sein Blick wirkte irgendwie etwas traurig.
„Ja, das heißt es wohl. Ich... Oh nein. Nein, nein, nein, nein, nein.... Was haben diese Idioten nur gemacht?" Entsetzt schlug ich die Hände über dem Kopf zusammen und blickte zum Umzugswagen. Anstelle der ganzen Möbel trugen die Arbeiter nur die einzelnen Bretter aus dem Wagen. Schnell verließ ich den BMW und lief zum LKW mit meinen Möbeln, bzw. Möbeleinzelteilen. „Halt, warten Sie. Was haben Sie denn gemacht? Warum ist alles auseinander gebaut? Sie sollte die Möbel doch alle in einem Stück lassen. Das war so mit ihrem Boss vereinbart." Verwirrt blickten die beiden Typen mich an. Einer der beiden setzte das Ende des Brettes, dass er trug, ab und richtete seine Worte an mich. „Und wer genau sind Sie? Wir wurden beauftragt, die Ladung in diesem LKW zu dieser Adresse zu bringen und abzuladen. Mehr nicht. Wir wussten weder, was hier drin ist, noch haben wir irgendwelche Möbel auseinander gebaut. Wir machen nur das, womit wir beauftragt worden sind." Damit griff er wieder das Brett und trug es mit seinem Kollegen ins Haus. Das konnte doch alles nicht wahr sein. Wie sollte ich denn jetzt allein die ganzen Möbel wieder aufbauen? Ich hätte heulen können...
Ich war so von der Situation eingenommen, dass ich nicht bemerkt hatte, wie Thomas mir aus dem BMW gefolgt war und jetzt unsicher hinter mir stand. „Ähm... Sorry, ich will dich ja jetzt nicht stören, aber du siehst aus, als könntest du Hilfe gebrauchen. Ich will mich dir ja nicht aufzwängen, aber wenn ich dir irgendwie helfen kann, sag Bescheid..." Verwirrt drehte ich mich zu ihm um und wusste nicht genau, was ich darauf sagen sollte. Der Schauspieler hatte seine Hände hinter dem Rücken verschränkt und lächelte mich schief an. Am liebsten hätte ich zurück gelächelt, aber mir war gerade nicht wirklich zum Lachen zumute. Trocken erwiderte ich: „Wenn du Möbel ohne Anleitung aufbauen kannst, bist du herzlich eingeladen, mir zu helfen." Eigentlich sollte das nur ein Scherz sein und ich war schon auf ein 'Nein' vorbereitet gewesen, allerdings war das nicht seine Antwort. Stattdessen kam nur ein: „Klar, wenn du nichts dagegen hast." Wie jetzt? Das konnte er doch nicht ernst meinen. Ich hatte doch nur einen Scherz gemacht. Hatte er jetzt ein ernsthaftes Angebot gemacht, mir zu helfen oder war das auch nur ein Scherz?
Er sah mich amüsiert an. Es musste wohl ziemlich komisch ausgesehen haben, wie ich so verwirrt mit offenem Mund dastand und ihn anblickte. „Wenn du nicht willst, dass ich dir helfe, kann ich jetzt auch wieder gehen. Aber wie gesagt: Ich brauche keine Anleitungen und würde dir auch gerne helfen. Ivan könnte auch ein paar Schränke oder so zusammenbauen. Er und mein Vater haben mir das damals beigebracht..."
Ich war sprachlos. Langsam schloss ich meinen Mund wieder und drehte mich zum Umzugswagen um. Dann sah ich wieder zu Thomas und nickte langsam. Was war nur in mich gefahren? Warum stimmte ich zu, dass ein berühmter Schauspieler wie Thomas mir beim Aufbau meiner Möbel helfen durfte? Er hatte doch Besseres zu tun, als Regale und Schränke zusammenzubauen... Außerdem kannten wir uns doch kaum. Mir schwirrten so viele Gedanken im Kopf herum, dass ich nicht mitbekam, wie Thomas Ivan ein Zeichen gegeben hatte, der den BMW am Straßenrand geparkt hatte und nun zu uns kam. Thomas erklärte ihm die Situation und schon hatte sich Ivan zwei Seitenwände von irgendwelchen Schränken unter den Arm geklemmt. Er sah mich erwartungsvoll an und fragte: „Wo genau sollen die hier hin?" Ich deutete wortlos zur Tür, wo meine Oma gerade erschienen war und Ivan machte sich auf den Weg. Meine Oma empfing ihn lächelnd und begleitete ihn ins Haus. Nun standen nur noch Thomas und ich vor dem Umzugswagen. Thomas machte ein paar Schritte zum LKW und griff nach dem nächstbesten Brett. Er hob es geschickt auf seine Schultern und wandte sich mir zu. „Willst du mir zeigen, wo ich hin muss?" Als ich ihm aus lauter Überraschung nicht antwortete, sprach er weiter: „Komm schon, sonst sind wir morgen noch nicht fertig..." Zögernd griff er mit seiner freien Hand nach meiner Hand und zog mich in Richtung des Hauses...

---------------------

Hallo ihr Lieben, jetzt melde ich mich auch einmal persönlich bei euch. Als Erstes möchte ich mich bei allen bisherigen Leser für eure Aktivität, Votes, Rückmeldungen etc. bedanken. Ihr seid echt super und wie ich auch manchen schon geschrieben habe, galt die Geschichte zwischenzeitlich für mich ein wenig als abgebrochen. In den letzten Monaten hat sich wirklich viel bei mir verändert und ich hatte für so gut wie nichts Zeit. Dennoch möchte ich diese Geschichte nun wieder auferstehen lassen. Die Kapitel, die ich in den letzten Tagen hochgeladen habe und die nächsten drei, die noch kommen, sind schon vor zwei Jahren entstanden und entsprechen vielleicht nicht mehr ganz meinen Vorstellungen einer gelungenen Geschichte (sprachlich und auch was einzelne Szenen betrifft). Trotzdem habe ich immer viel Zeit und Mühe in die Geschichte investiert, weshalb ich diese bestimmten Kapitel jetzt auch nicht mehr überarbeiten, geschweige denn löschen möchte. Ich werde sie hier noch hochladen und dann mit den Kapiteln fortfahren, die ich vor kurzem geschrieben habe bzw. erst noch schreiben werde. Dazu zählt alles ab dem 12. Kapitel, das im Laufe der nächsten Woche hier erscheinen wird. Natürlich werden sie nahtlos an den alten anknüpfen und auch darauf aufbauen, was noch alles passiert. Aber das solltet ihr meiner Meinung nach schon einmal wissen. Durch die aktuelle Situation betreffend des Corona-Viruses in Deutschland wurden bei mir einige Pläne der nächsten Wochen gezwungenermaßen mit sofortiger Wirkung geändert. Das bedaure ich sehr, aber leider geht es nicht anders. Was soll man machen, wenn alles abgesagt wird und man vor verschlossenen Türen steht? Das bedeutet wiederum für euch, dass ich jetzt, wenn auch ungeplant, mehr Zeit haben werde, in den nächsten Wochen neue Kapitel zu schreiben. Wenigstens ein kleiner Lichtblick, wenn ihr mich fragt. Ich hoffe, ihr freut euch ein bisschen darüber und euch gefällt, was demnächst noch so alles folgen wird. Das war es jetzt auch fürs Erste von mir. Bleibt gesund und bis die Tage. LG sangstergangster98

Do you trust me? (Thomas Brodie-Sangster FF)Where stories live. Discover now