Anna - Wie alles begann...

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„Alles klar, Mama. Freut mich, dass alles in Ordnung ist. Ich komme auch in etwa einer halben Stunde bei Oma an. Gib Liam und Emma noch einen Kuss von mir. Viel Spaß!" Ich legte auf und stieg ins Gas. Zu viel war in den vergangenen Monaten passiert. Ich nahm mir eine kurze Auszeit am Land bei meinen Großeltern. Auf der Fahrt dorthin, war ich im Gedanken verloren und ließ die jüngsten Ereignisse Revue passieren. Ich hatte es nach langem Hin- und Her endlich geschafft mich von meinem cholerischen Mann Marc zu trennen. Am Anfang unserer Beziehung schien alles perfekt. Er trug mich auf Händen und las mir jeden Wunsch von den Augen ab. Nie kam ein böses Wort über seine Lippen. Ich war überglücklich. So glücklich, dass wir schon nach sechs Monaten heirateten und bald darauf war ich mit unseren Zwillingen schwanger. Es war meine perfekte Vorstellung von Familie. Doch nach dem achten Geburtstag unsere Kinder änderte sich alles. Plötzlich kontrollierte Marc mich permanent, seine Eifersucht stieg fast ins unermessliche und das, obwohl es keinen Grund gab, da ich ihn zum einen sehr liebte und zum anderen den ganzen Tag von den Zwillingen auf Trab gehalten wurde. Dennoch kontrollierte er mein Telefon und gab mir genaue Zeiten vor, wann ich die Wohnung verlassen und ich wieder zuhause sein musste. Er berechnete sogar die Zeit, welche ich für den Einkauf brauchen durfte. Ich wollte ihn jedoch wegen der Kinder nicht verlassen. Trotz allem war er ein sehr liebender Vater - bis er zu Trinken begann. Ich hielt es nicht für möglich, doch es wurde immer schlimmer. Marc fuhr wegen jeder Kleinigkeit sofort aus der Haut und schrie die Kinder und mich immer wieder an, einen normalen Ton gab es nicht mehr. Jetzt erkannte ich, dass Liam und Emma Angst vor ihm hatten. Nun war es Zeit mit den Kindern zu gehen. Während er in der Arbeit war, packte ich unsere Sachen und floh mit den Beiden zu meinen Eltern.

Wir bezogen mein altes Kinderzimmer. Natürlich war das keine optimale Lösung. In meiner Situation jedoch die beste Option. Meine Eltern kümmerten sich liebevoll um Emma und Liam, so dass ich ein wenig Zeit für mich hatte. Da saß ich nun, in meinem alten Zimmer, voll mit Erinnerungen aus meiner Kindheit. So fiel mir auch eine alte Kelly Family CD in die Hände. Da war er, Paddy Kelly, meine erste Liebe. Ich war neugierig, was aus ihm wurde und so recherchierte ich online und sah mir ein paar Interviews an. Offenbar war er sechs Jahre im Kloster, verheiratet und gerade in einer aktuellen Fernsehsendung dabei. Auf meiner Playlist war nun wieder die Kelly Family und vor allem Paddy stark vertreten. Seine Lieder liefen rauf und runter. Mein wiederentdeckter Jugendschwarm lenkte mich ein wenig von meinem gebrochenen Herzen ab und ich fand heraus, dass er wohl in der Nähe von meinen Großeltern in Niederbayern wohnen musste.

Wie es der Zufall wollte, gab auch der Rest der Kelly Family ebenfalls ihr Comeback und ein paar Konzerte bekannt. Ich mobilisierte meine beste Freundin Chiara. Klar, war sie dabei. Mit ihr teilte ich auch schon früher meine Leidenschaft für die Musiker. Ich fand es zwar schade, dass Paddy nicht mit von der Partie war, aber ich wollte unbedingt einmal wieder etwas erleben. Also fuhren wir nach Dortmund. Wir verbrachten ein tolles Mädels-Wochenende und gingen am Sonntag auf das Konzert. Wir hatten irrsinniges Glück, noch Restkarten ergattert zu haben und standen sogar durch einen witzigen Zufall in der ersten Reihe. Chiara und ich feierten richtig ab. Es tat unglaublich gut, diese Freiheit zu spüren, die ich nun wieder zurück gewonnen hatte. Leider war das Wochenende viel zu schnell vorbei und wir waren wieder im Alltag angekommen. Als ich den Fernseher einschaltete, zappte ich ein wenig durch die Kanäle, als mein Blick plötzlich auf Paddy fiel, der gerade einen Coversong zum Besten gab. Der Mann konnte einfach alles singen! Immer wieder ertappte ich mich, wie ich ihn über den Fernseher anschmachtete. Reiß dich zusammen, Anna, du bist keine zwölf mehr, ermahnte ich mich selbst. Doch mich ließ der Gedanke nicht los, ob es nicht eine Möglichkeit gab ihn außerhalb dieses Rummels zu treffen. Zufällig. Ohne, dass man als wahnsinniger Fan abgestempelt wird. Ich überlegte mir einfach bei ihm vorbei zu spazieren und vorzugeben mich verirrt zu haben. Klar Anna... und dann würde er bestimmt sagen, komm doch rein ich habe schon ewig auf dich gewartet. Ich musste mich wirklich etwas ablenken, denn seit Tagen ließ mich genau dieser Gedanke nicht mehr los. Ich beschloss mit Chiara darüber zu sprechen. Vielleicht konnte sie mich von meinen wirren Ideen befreien. Doch ganz im Gegenteil, während des Telefonats mit meiner besten Freundin, bestärkte sie mich auch noch darin, endlich einmal wieder aus mir heraus zu kommen und etwas Verrücktes zu tun. Egal wie schräg die Idee auch war, die bei diesem Gespräch geboren wurde, Chiara bestand darauf, sie durchzuziehen. Deshalb saß ich nun hier in meinem Auto und war unterwegs zu meinen Großeltern aufs Land.
Meine Eltern nahmen Emma und Liam für ein paar Tage mit nach Italien, damit ich Zeit für mich hatte. Oma und Opa freuten sich riesig über meinen Besuch und umsorgten mich liebevoll. Wir verbrachten viel Zeit zusammen, aber dennoch ließen sie mir genug Freiraum. Ich beschloss den schönen Samstag für eine Wanderung zu nutzen. Nach der jahrelangen Tyrannei von Marc, wollte ich mich endlich wieder lebendig fühlen und war bereit, für ein verrücktes Wagnis, wie Chiara es mir riet. Durch meine Recherche wusste ich ungefähr wo das Haus meines Teenie Schwarms stehen musste und so machte ich mich auf den Weg. Ich parkte mein Auto am Waldrand und spazierte einfach darauf los. Es war ein wunderschöner Weg durch den Wald, entlang eines Baches. Nach ein paar Kilometern musste ich diesen überqueren. Ich vermutete, dass eines der Häuser die so weit verstreut waren, seines sein musste. Da nirgendwo eine Brücke zu sehen war, beschloss ich über den Bach zu springen. Es kam wie es kommen musste: Als ich auf der anderen Seite auf meinem Hintern landete, merkte ich beim Aufstehen einen stechenden Schmerz in meinem Knöchel. Das tat richtig weh! Ich hoffte, dass mein Bein nicht gebrochen war. Doch was sollte ich jetzt tun? Was machte ich hier nur? Einen kurzen Moment zweifelte ich tatsächlich an meiner Zurechnungsfähigkeit. Durch meine blöde Neugierde verletzte ich mich auch noch. Zurück konnte ich auf keinen Fall. Mein Fuß war bereits etwas angeschwollen. Doch ich konnte zumindest aufstehen und etwas humpeln. Ich musste mir Hilfe suchen. Es blieb mir nichts anderes übrig, als das erstbeste Haus anzusteuern. Am Weg dorthin, ärgerte ich mich über meine eigene Dummheit, verwarf den Gedanken, sein Haus finden zu wollen und holte mich zurück auf den Boden der Tatsachen. Diese blöden Teenie Schwärmereien hatten im realen Leben einfach nichts zu suchen. Das Einzige was zählte, waren meine Kinder und wie ich mein neues Leben Meistern würde.

Butterflies in my BellyWhere stories live. Discover now