Anna - Bedrohungen

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Es war die Woche vor Weihnachten und Paddy spielte die letzten beiden Konzerte in diesem Jahr, im hohen Norden. Die Kinder und ich hatten den ganzen Tag Kekse gebacken und wir beschlossen den Abend mit einem Fernsehmarathon ausklingen zu lassen. Mia schlief tief und fest in ihrem Stubenwagen. Liam und Emma suchten sich alte Weihnachtsklassiker aus, doch schon beim zweiten Film, schliefen auch sie auf dem Sofa ein. Kurz vor Mitternacht, rief Paddy noch einmal an, um mir eine Gute Nacht zu wünschen. Nach unserem Telefonat, nahm ich mir vor, den Film noch zu Ende zu sehen, doch auch mir fielen die Augen schnell zu. Mitten in der Nacht, riss mich ein helles Klirren aus meinen Träumen. Ich schrak auf und sah mich hastig um. Die Kinder hatten das Geräusch offenbar nicht gehört, denn sie schliefen immer noch friedlich auf dem Sofa. Ich stand auf und durchsuchte das Vorzimmer. Nichts. Ich vermutete schon mich getäuscht zu haben, doch plötzlich hörte ich erneut Gepolter von oben. Verdammt! Es war tatsächlich jemand in unserem Haus. Doch diesmal war es sicher nicht Paddy, denn der war fast tausend km weit weg. Panik kroch in mir hoch. Wie ferngesteuert rannte ich zurück ins Wohnzimmer, weckte Liam und Emma und schnappte mir Mia. Völlig verschlafen torkelten die Zwillinge hinter mir her. „Psst, ihr müsst jetzt ganz still sein. Wir gehen in den Partykeller." Wir schlichen uns hinunter und ich war heilfroh, dass uns auf dem Weg dorthin, niemand entgegen kam. Ich schloss uns ein und wählte unverzüglich den Notruf. Mein Puls raste. Die nette Dame am anderen Ende der Leitung versicherte mir, dass sie in weniger als zehn Minuten jemanden zum Haus schicken würden. Ich legte auf und war immer noch starr vor Panik. Beruhige dich Anna, du bist hier sicher. Deine Kinder sind hier sicher. Ich musste mir stets gut zu reden. „Mama, was ist denn eigentlich los?", wollte Liam von mir wissen. „Es ist alles gut mein Schatz. Bitte seid nur ganz leise. In ein paar Minuten wird alles wieder gut sein." Natürlich konnte sich Liam darauf keinen Reim machen, doch ich wollte ihn nicht in Panik versetzen. Musste ich auch nicht, denn vom Erdgeschoss hörten nun auch die Zwillinge laute Geräusche, als würde jemand unsere gesamte Einrichtung mit einem Baseball Schläger zertrümmern. „Was ist das Mama? Wer ist das?" Ich konnte die Angst in den Gesichtern meiner Kinder sehen. Schnell versuchte ich sie zu beruhigen. „Die Polizei wird gleich bei uns sein, fürchtet euch nicht. Ich bin ja hier." Ich war wie gelähmt, denn ich hatte unbändige Angst um meine Kinder. Sie klammerten sich an mir fest. Ich betete zu Gott, dass alles gut ausgehen würde. Zu allem Überfluss, begann auch Mia noch zu weinen. In diesem Moment war es oben wieder still. Nun wurde ich noch panischer. Hatten sie uns gehört und waren vielleicht schon auf den Weg zu uns in den Keller? Nein, das durfte nicht sein. Auf einmal klopfte es wild an der Tür. Die Zwillinge schrien auf. Mein Herz raste. „Anna, bist du hier drinnen?", hallte es leise von draußen. War das Oliver? „Die Polizei ist hier, ihr könnt raus kommen." Zitternd schloss ich die Türe auf und öffnete sie. Tatsächlich stand Olli mit zwei Kollegen davor. Erleichtert fiel ich ihm in die Arme. „Ich habe mir schon Sorgen um dich gemacht." „Es geht uns gut. Zum Glück haben wir hier so viele Räume." „Ich dachte mir schon, dass du in den Keller gelaufen bist, kluges Mädchen." Er zwinkerte mir zu. Was war das? Flirtete er etwa mit mir? Nein, ich war mich sicher, dass ich mir das nur einbildete. Die Situation war immerhin zu dramatisch um einen Flirt anzufangen. Vermutlich wollte er mich nur aufheitern. „Wir haben den Einbrecher leider nicht mehr erwischt. Er ist geflohen, als er das Blaulicht gesehen hat." Einbrecher. Ich konnte es nicht fassen. „Frau Kelly, sie müssten bitte kontrollieren, ob etwas von ihren Wertsachen gestohlen wurde." Ich war immer noch geschockt. „Was? Ja, natürlich. Ich sehe gleich nach. Kinder kommt, wir gehen wieder hinauf in die Küche." Liam und Emma war die Angst noch immer ins Gesicht geschrieben. Oliver kümmerte sich um die Beiden, während ich nach sah ob etwas fehlte. Der Einbrecher hatte es ganz schön rund gehen lassen. Sämtliche Vitrinen waren zerschlagen, Schubladen durchwühlt, doch es fehlte nichts. Zumindest schien auf den ersten Blick alles da zu sein. Im Schlafzimmer bot sich mir derselbe Anblick. Alles war durchwühlt, doch auch hier fehlte nichts. Das machte mich etwas stutzig. Sofort fiel mir das Paket mit dem Schweineohr wieder ein. War es zum Schluss gar kein Dieb der hier eingebrochen ist? Aber was wollte er dann? Als ich ins Bad ging, schrak ich zurück, denn ich sah, dass der komplette Spiegel vollgeschmiert war. Darauf stand: Geh, nimm dir eine unzüchtige Frau und Kinder der Unzucht. Sofort holte ich Oliver. Er fotografierte das Geschriebene und nun war auch ihm klar, dass es sich um dieselbe Person handeln musste, die Paddy das Schweineohr geschickt hatte. „Anna ich denke, hier geht es nicht nur um Paddy. Du sagtest doch, dass dein Mann gerade unterwegs ist?" Ich nickte. „Ich denke diese Person hat es ebenso auf dich abgesehen." Ich musste schlucken und in meinem Kopf rauschte es. Paddy. Ich musste Paddy sofort anrufen. Es war bereits drei Uhr morgens und ich wusste, er würde sich sorgen, wenn er so spät einen Anruf von mir erhielt. Es läutete ein paar Mal, ehe er verschlafen abhob. „Honey? Ist alles in Ordnung?" „Schatz – es ist jemand bei uns eingebrochen." Die Stille am anderen Ende der Leitung verriet mir, dass er diese Nachricht erst einmal verdauen musste. „Geht es euch gut? Ist irgendjemanden was passiert?" Jetzt klang er panisch. Ich erzählte ihm von unserem Horrorerlebnis und auch das nichts gestohlen wurde, sondern nur ein weiterer Bibelvers am Spiegel stand. „Oh Gott, Baby! Ich komme sofort nachhause!" „Aber du hast morgen noch ein letztes Konzert." „I give a fuck on that! Ich will nur zu euch nachhause und werde den nächsten Flieger nehmen." Nichts wünschte ich mir in diesem Augenblick mehr, als dass Paddy so schnell wie möglich bei mir war, doch ich hatte auch ein schlechtes Gewissen, weil er seinen Auftritt sausen lassen musste. Als die Anspannung nach ließ, wurde ich plötzlich Hundemüde. Liam und Emma legten sich ins Ehebett und auch Mia war wieder eingeschlafen. Das Chaos würde ich morgen beseitigen, wenn die Spurensicherung mit ihrer Arbeit fertig war. „Olli, ich danke dir für alles." „Du kannst dich ruhig auch hinlegen, Anna. Ich werde mich vor dem Haus als Wachposten auf die Lauer legen. Ich hoffe, du kannst so etwas besser schlafen." Ich umarmte ihn noch kurz und legte mich zu meinen Kindern. Ich fiel in einen kurzen, unruhigen Schlaf. Nur drei Stunden später wurde Mia wach, weil sie Hunger hatte. Als ich in die Küche ging um ihr das Fläschchen vorzubereiten, konnte ich das ganze Ausmaß des Chaos, welches der Einbrecher hinterlassen hatte, erst richtig erkennen. Ich sah kurz zum Fenster hinaus, wo ich Olli immer noch mit seinem Streifenwagen stehen sah. Er hatte offenbar immer noch einen ausgeprägten Beschützerinstinkt, wie auch schon früher. Während ich Mia fütterte, gingen mir tausend Gedanken durch den Kopf. Wer brach heute Nacht in unser Haus ein und vor allem Warum? Ich kam einfach auf keinen Nenner. Da ich kaum Schlaf bekommen hatte, nickte ich noch einmal kurz mit Mia im Arm ein. Am späten Vormittag weckten mich die Zwillinge. Zum Glück hatten sie durchgeschlafen und der erste Schock war vorüber. Ich erklärte ihnen, dass sie keine Angst haben müssten, denn ein Polizist würde uns bewachen. Das beruhigte Sie tatsächlich und wir gingen in die Küche um zu frühstücken. Ich bat Oliver zu uns und servierte ihm Kaffee und etwas Gebäck. „Danke, dass du stundenlang unser Haus bewacht hast. Aber du bist doch sicher müde und möchtest auch einmal schlafen. Obendrein ist deine Schicht bestimmt schon seit Stunden um." „Anni, das macht mir nichts aus. Zuhause wartet niemand auf mich und auf euch Acht zu geben, ist für mich selbstverständlich." Als er gerade nach meiner Hand griff, kam Paddy zur Tür herein. Ich sprang auf und fiel ihm um den Hals. Vor Erleichterung bahnten sich auch ein paar Tränen ihren Weg über meine Wangen. „Geht es dir gut, Honey? Was ist mit den Zwillingen und Mia?" „Es geht uns allen gut. Oliver hat die Nacht über im Polizeiwagen Wache gehalten." In diesem Augenblick kam er auch schon aus der Küche. Nun war von Paddys Eifersucht keine Spur mehr, denn er schüttelte Olli kräftig die Hand und bedankte sich aufrichtig und herzlich bei ihm. „Du hast mir das allerliebste auf der Welt beschützt, ich weiß gar nicht wie ich das jemals wieder gut machen kann." „Ach, das ist doch mein Job und für Anni, würde ich alles tun." Ziemlich schnell wurde dieser Augenblick voll Dankbarkeit, wieder in ein Meer aus Eifersucht verwandelt, denn Paddys Blick verriet alles. Was dachte sich Oliver auch dabei, so einen Spruch loszulassen. „Also Olli, danke nochmal. Du solltest dich jetzt wirklich hinlegen, dass du vor deiner nächsten Schicht auch wieder ausgeschlafen bist." Ich versuchte die Situation irgendwie zu entschärfen. „Gut, dann melde ich mich sobald wir mehr wissen und die Fingerabdrücke abgeglichen haben." Ich nickte und verabschiedete ihn an der Tür. Paddy sah mich ernst an. „So, er würde also alles für ANNI tun." Er hatte mich noch nie so genannt. „Babe, komm schon. Es gibt für dich keinen Grund eifersüchtig zu sein. Du bist mein absoluter Traummann und ich liebe dich bis in alle Ewigkeit, dass weißt du doch. Oliver meinte das bestimmt nur auf platonischer Ebene und außerdem spielst du in einer ganz anderen Liga als er jemals gespielt hat – und spielen wird." Sein Blick wurde sanfter und er nahm mich in den Arm. „Weißt du eigentlich, was es für ein Gefühl war, als du mich heute Nacht angerufen hast? Ich habe die letzten Stunden nichts anderes gemacht, als Gott dafür zu danken, dass euch nichts passiert ist. Mein Leben würde augenblicklich keinen Sinn mehr machen." Ich starrte ihn kurz mit offenem Mund an, ehe ich meine Stimme wieder fand. „Siehst du, genau das ist der Grund, weshalb du immer die Nummer eins für mich sein wirst." Wir küssten uns und in diesem Moment kamen Liam und Emma aus ihren Zimmern. Paddy umarmte die Beiden und drückte ihnen einen Kuss auf die Stirn.

Butterflies in my BellyWhere stories live. Discover now