Anna - Wonderwall

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Die Kinder entschieden sich, lieber bei meinen Eltern zu bleiben und uns nicht zur Familienfeier nach Köln zu begleiten. Auf halber Strecke, irgendwo zwischen Nürnberg und Würzburg, hielten wir an und gingen Mittagessen. Ich hatte Bärenhunger. „Also ich muss sagen, ich bewundere dich. Das ganze Jahr über tausende Kilometer zurückzulegen. Das ist richtig anstrengend. Versteh mich nicht falsch, ich liebe es, mit dir unterwegs zu sein, aber..." Paddy musste lachen. „Baby, ich bin es gewohnt, dauernd auf Achse zu sein. Ich kannte lange Zeit nichts anderes. Aber jetzt kann ich mir meine Touren selber einteilen, das gibt mir zwischendurch wieder die Zeit runterzukommen." Natürlich war er es gewohnt, er war ein Kelly.
Je näher wir unserem Ziel kamen, umso stiller und angespannter wurde Paddy. Als ich ihm die Hand aufs Knie legte, erschrak er für einen Moment. Ich hatte ihn wohl aus den Gedanken gerissen. „Ist alles in Ordnung, Babe? Du wirkst so angespannt." „Ähm, ja, ich meine Nein. Weißt du, ich habe meine Familie schon lange nicht mehr alle auf einen Haufen gesehen. Mit einigen verstehe ich mich nicht so gut. Zwischen Angelo und mir herrscht schon lange Funkstille und ich weiß nicht recht, wie er es findet mich heute zu sehen..." Er atmete kurz durch: „... und ob ich ihn sehen will." „Nun ja, du fährst gerade über 700 Kilometer um deine Familie zu treffen. Ich glaube in deinem tiefsten Inneren würdest du auch Angelo gerne wieder sehen", gab ich ihm meine ehrliche Meinung zur Antwort. Er sah mich kurz mit strengen Blick an, nur um mir dann recht zu geben. „Babe, wir werden das schon meistern." Ich lächelte ihn an und verschränkte meine Finger in seine. „Ich sollte nervös sein, immerhin bin ich die Neue... die hoffentlich nicht als Ehebrecherin da steht." Ja, auch ich machte mir meine Gedanken, bezüglich des ersten Zusammentreffens mit der Familie. „Baby glaub mir, sie werden dich lieben, genau wie ich. Man muss dich einfach lieben." Ich beugte mich zu ihm rüber und gab ihm ein Küsschen auf die Wange. Er lächelte, aber die Anspannung in seinem Körper war noch immer deutlich zu spüren.
Paddy mietete ein Ferienappartement am Kölner Stadtrand, nicht weit von Joeys Haus. Ich fand die Wohnung perfekt, wir mussten uns keine Sorgen machen, dass Paddy erkannt werden würde, denn der Vermieter deponierte den Schlüssel in einer elektrischen Box, welche Paddy mittels eines Codes öffnete. Die Einrichtung war Luxus pur. Das Bad war ausgestattet mit einem Wahnsinns Whirlpool. In der Mitte des offenen Lofts stand ein Riesenbett. Ein richtiges Liebesnest, dachte ich mir. Wir ließen uns aufs Bett fallen, da wir ganz schön geschlaucht von der langen Fahrt waren. Ich meldete mich kurz bei meiner Mama, um Emma und Liam viel Spaß und eine gute Nacht zu wünschen. „Ich bin so müde, ich könnte auf der Stelle einschlafen." Ich vergrub meine Finger in seinen Haaren und streichelte Paddy über den Kopf. „Dann tu es doch, ich bin auch hundemüde." Ich hatte den Satz noch nicht einmal fertig ausgesprochen, waren ihm schon die Augen zu gefallen. Ich beschloss noch ein Bad zu nehmen und machte mir Gedanken, wie es morgen wohl werden würde. Was werden die Geschwister von mir halten? Werden sie mich mögen? Wie wird es mit Paddy und Angelo laufen? Können sie sich vielleicht sogar versöhnen? Ich würde mich so für Paddy freuen. Offenbar setzte ihm dieser Streit mehr zu, als er zugeben wollte.
Als ich aus dem Bad kam, schlief er bereits tief und fest. Ich machte mich bettfertig und legte mich zu ihm. Im Halbschlaf nahm Paddy mich in den Arm und zog mich ganz nah zu sich. Ich genoss seine Nähe in jeder Sekunde. Als ich meine Augen schloss, schlief ich sofort ein.
Die warme Herbstsonne kitzelte auf meiner Nase, als ich wach wurde. Es war bereits neun Uhr und Paddy wollte mir unbedingt noch Köln zeigen, bevor es zu Joey ging - zumindest die Hotspots. „Babe, aufwachen, Sightseeing ist angesagt", flüsterte ich Paddy ins Ohr. Blinzelnd schlug er seine Augen auf und gähnte. „Wow, wie lange habe ich geschlafen?" „Ich darf dir zu einem ausgiebigen vierzehn Stunden-Schlaf gratulieren", antwortete ich amüsiert. „Toll, jetzt bin ich richtig ausgeschlafen", sagte Paddy und musste lachen. "Ich springe noch kurz unter die Dusche und dann kann es auch schon los gehen", er küsste mich und verschwand schnell im Badezimmer. Ich warf mir eine Jeans, Shirt und einen Hoodie über und band meine Haare zu einem Pferdeschwanz zusammen. Paddy war ebenfalls in Jeans und Hoodie gekleidet. Wir schnappten unsere Jacken und Sonnenbrillen und machten uns auf den Weg. Als erstes hielten wir an der "Kelly Mauer". Die Stelle am Hafen, an der ihr altes Hausboot angelegt war. Diese Mauer musste zum Schutz vor Fans errichtet werden. Es standen tausende Botschaften darauf. Auch Paddy hatte sich mit einigen Gemälden verewigt. „Ich hätte gerne das ganze Touri-Paket, Babe", er sah mich fragen an. „Naja mit Erinnerungsfotos und Selfies." „Also ein Selfie habe ich hiervor auch noch nie gemacht, schon gar nicht für das eigene Fotoalbum." Paddy gefiel die Idee und wir stellten uns in Pose. Ich drückte den Auslöser meines Handys ein paar Mal und nach einigen lustigen Grimassen, hatten wir das perfekte Foto. Unser erstes gemeinsames Foto. Als sich eine Menschengruppe näherte, setzten wir unsere Kapuzen auf und stahlen uns davon. Wir gingen zum Wagen zurück und lachten lauthals. "Weißt du Babe, ich mag deinen Gangsterlook ja irgendwie." Das tat ich wirklich, es passte zwar gar nicht zu Paddy, aber auf eine gewisse Art und Weise fand ich es ziemlich scharf. Als nächstes gingen wir am "La Patata" vorbei, schossen ein paar schnelle Fotos davor und zogen weiter. Natürlich folgte noch eine Besichtigung des Kölner Doms. Ein traumhaftes Gebäude. Ich nahm an einer Führung teil, während sich Paddy die Zeit nahm, um sich "beim Regisseur seines Lebens einzuloggen" wie er immer so schön sagte. Mir gefällt dieser Ausdruck. Paddy hatte seinen Glauben gefunden und gerade als ehemaliger Mönch, war es ihm umso wichtiger diesen auch zu praktizieren.
Als ich mit meiner Führung fertig war, traf ich Paddy an der Pforte, vertieft im Gespräch mit einem Priester. „Honey, da bist du ja", begrüßte er mich freudig. „Darf ich vorstellen, das ist Pater Johannes, ich kenne ihn noch von früher." „Freut mich sehr, ich bin Anna." Ich reichte Pater Johannes meine Hand zum Gruße. Wir plauderten noch ein wenig mit dem Pater, ehe wir uns verabschiedeten und unsere Tour fortsetzten. Mittlerweile war es Nachmittag und wir mussten uns beeilen, damit wir rechtzeitig zu Joey kamen. Unser letzter Punkt der Tour war das Hyatt. Da die Zeit schon knapp war, fuhr Paddy nur mit dem Auto daran vorbei. „Hier ganz oben, haben meine Familie und ich mal eine Zeit lang gelebt. Vor dem Eingang campierten oft tagelang unsere Fans." Es war einfach unvorstellbar, wie wenig Privatsphäre Paddy in seinen jungen Jahren hatte. Da wunderte es mich nicht, dass er sich in ein Kloster zurückzog. „Weißt du Baby, unsere Tour durch Köln hat mir gefallen, leider war die Zeit viel zu knapp. Aber wir kommen nochmal her und dann machen wir das Alles nochmal, ohne Stress. Das war wie eine kleine Zeitreise für mich." Für mich irgendwie auch. Ich kannte die ganzen Geschichten von früher, aber das konnte ich ihm natürlich nicht sagen.
Zurück im Appartement, sprang ich kurz unter die Dusche und machte mich fertig. Ich war ganz schön nervös. Ich lockte mir mein Haar in sanfte Wellen und trug dezentes Make-Up auf. Mein Outfit machte mir kurzzeitig Probleme, also entschied ich mich für einen Mittelweg. Ein herbstliches, knielanges Kleid in erdigen Tönen, dazu meine Jeansjacke und flache braune Stiefel. „Baby, du siehst heiß aus", kommentierte Paddy meinen Look. „Danke, das Kompliment kann ich nur zurückgeben", grinste ich ihn an. Paddy sah mal wieder zum Anbeißen aus. Ich trat an ihn heran und küsste ihn zärtlich. „Bereit für die Kellys?", fragte er mich bevor wir los fuhren. „Bereit für die Kellys!", antwortete ich ihm und er startete den Motor. Joeys Anwesen lag ungefähr 20 Minuten weit weg. Langsam wurden meine Hände feucht und mein Herzschlag schneller. Ich würde also gleich mittendrin, bei einer Familienfeier der Kelly Family sein. Da war es wieder, das mir mittlerweile vertraute Gefühl von Surrealität. Paddy stellte den Wagen ab und atmete tief durch. „Babe, du schaffst das schon! Alle werden sich freuen, dich zu sehen. Wie könnten sie auch anders, du bist ihr Bruder." „Danke, aber ich habe ein paar richtig unschöne Sachen gesagt und hatte einen kleinen Höhenflug." „Paddy, Worte sind oft hart, aber vielleicht probierst du es für den Anfang mit einer ernst gemeinten Entschuldigung. Ich bin sicher, dass ihr alles aus der Welt schaffen könnt." „Was würde ich nur ohne dich tun, Baby?" Er nahm mein Gesicht in seine Hände und gab mir einen innigen Kuss, den ich mit der gleichen Leidenschaft erwiderte. Würden wir nicht vor dem Haus seines Bruders im Auto sitzen, hätte es nur eine Sache gegeben in der das Ganze geendet hätte. Aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben, dachte ich mir.
Nach ein paar heißen Küssen im Auto, stiegen wir aus und gingen zur Tür. Paddy klingelte und griff nach meiner Hand. Joeys Frau Tanja öffnete uns die Tür und war freudig überrascht, dass Paddy doch gekommen war. Offenbar hatte es Joey nicht erzählt. Sie umarmte Paddy kurz zur Begrüßung und er stellte mich vor. Ich bekam ebenfalls eine herzliche Umarmung. In diesem Moment kam auch Joey zur Tür. „Alter, du bist gekommen!" Joey nahm Paddy in den Arm, augenblicklich merkte man wie Paddy sich entspannte. „Hallo Anna, schön dich kennenzulernen." Es tat gut, so herzlich empfangen zu werden. Paddy und ich waren die Ersten. Wir setzten uns an den großen Tisch und uns wurde ein Bierchen kredenzt. Ich nahm es dankbar an und hoffte, etwas lockerer zu werden, wenn ich ein wenig getrunken hatte. Ich war immer noch ganz schön nervös. Wer weiß, ob mich alle so herzlich aufnehmen, wie Joey und seine Frau. „Nun, erzählt mal, wie habt ihr euch kennen gelernt?" „Das Schicksal hat sie mir geschickt", antwortete Paddy und sah mir lächelnd in die Augen. Er begann Joey, wie ich damals meiner Mutter, die jugendfreie Version unseres Kennenlernens zu erzählen. Da klingelte es erneut an der Tür. Tanja öffnete und es waren viele Stimmen zu hören. Es waren Patricia und ihr Mann Dennis, sowie die Kinder Alex und Iggy. Im Schlepptau hatten sie Kathy, Jimmy mit seiner Frau Meike, die jedoch ohne Kinder da waren. Als sie den Raum betraten und Paddy sahen, waren alle aus dem Häuschen. Patricia und Kathy herzten ihren kleinen Bruder. „Es ist so schön, dass du da bist, kleiner Bruder! Möchtest du uns deine Freundin nicht vorstellen?", fragte Patricia neugierig. „Mit dem größten Vergnügen! Leute, das ist meine Anna." „Hallo, freut mich sehr euch kennenzulernen." Ich winkte schüchtern in die Runde, als mich Patricia heran zog. Der Rest der Gäste tat es ihr gleich. Gut, ich hatte mehr als die Hälfte kennengelernt und es sah so aus, als würden sie mich nicht auf Anhieb hassen. Das würde ich mal positiv so stehen lassen. „Kommt Angelo auch?", wollte Paddy mit leicht nervöser Stimme wissen. „Ja klar, sie sollten jeden Moment eintreffen", sagte Joey. Ich legte meine Hand wieder in seine und streichelte sie. Wir sahen einander an und lächelten. Die Kellys waren eine laute Familie. Sie waren zwar noch nicht komplett, aber der Lärmpegel stieg gefühlt im Minutentakt. Ich fühlte mich pudelwohl. Zuerst tauschten sich alle über die vergangenen Konzerte aus. Das Comeback der Kellys und Paddys Soloerfolg waren großes Thema. Weshalb Paddy nicht mit seinen Geschwistern mit auf Tour ging, wurde nicht einmal angesprochen. Das hatte wahrscheinlich einen guten Grund. Es war ein komisches und gleichzeitig unglaubliches Gefühl, inmitten der Kellys zu sitzen und ihren Gesprächen zu lauschen. Mal Deutsch, mal Englisch. Ich hörte Paddy gerne in seiner Muttersprache sprechen. Es klingelte wieder an der Tür. Die Hälfte der Kellys war bereits versammelt. So lag es nahe, dass es nur Angelo oder Maite sein konnten, da John in Spanien lebte und dieses Mal nicht dabei war. Paddy war sichtlich gespannt, wer durch die Tür kam. Es war Maite. Sie begrüßte alle Familienmitglieder mit einer Umarmung. Als sie vor Paddy und mir stand, reagierte sie mehr als kühl. Sie hielt mir zwar die Hand hin und stellte sich mir vor, konnte mir allerdings fast nicht in die Augen sehen. Maite begrüßte Paddy mit einem kalten "Hallo". Jetzt war es still geworden. Maite unterbrach das Schweigen, welches ihre Reaktion hervor brachte. „Komm Tanja, ich helfe dir in der Küche." Sie verschwand mit Joeys Frau in die Küche. Ich war etwas bedrückt, weil ich nicht recht wusste, weshalb Maite so auf mich reagierte. Ich konnte es nur vermuten. „Joelle und Maite sind schon seit langen Jahren Freundinnen", beantwortete Paddy meine nicht ausgesprochene Frage. „Oh... ich verstehe. Also bin ich quasi der Feind." „Baby, du bist doch nicht der Feind." Paddy versuchte mich zu trösten und nahm mich in den Arm. Patricia und Kathy gesellten sich zu uns und wollten sich für Maites Verhalten entschuldigen. „Alles gut, wisst ihr, ich kann es sogar verstehen. Für Maite sieht die Sachlage ganz klar aus. Ich werde versuchen mit ihr zu sprechen." Paddys Schwestern nickten zustimmend. So ging ich in die Küche und suchte Maite auf. Als Tanja mich sah, verließ sie unter einem Vorwand die Küche. Ich atmete kurz durch. „Maite, kann ich mit dir reden?" „Ich wüsste nicht weshalb." „Ich weiß, dass du mit Joelle gut befreundet bist, Paddy hat es mir erzählt. Aber ich würde dich bitten, dir auch meine Seite der Geschichte anzuhören. Bitte." Maite schien kurz zu überlegen. „Gut. Ich höre zu." Ich lächelte sie an, sie erwiderte es nicht. Wahrheitsgemäß, erzählte ich ihr Paddys und meine Geschichte. Sie hörte mir tatsächlich zu, sagte dann aber: „Nun meine Liebe, du bist der Trennungsgrund der Beiden. Joelle hat mir erzählt, dass Paddy sie mit dir betrogen hat und sie ihn deswegen auch verließ", sagte sie ziemlich schnippisch. Ich starrte sie kurz mit offenen Mund an. „Nun, weißt du Maite, es stimmt, Paddy und ich haben miteinander geschlafen und das hätten wir nicht dürfen. Aber, dass Paddy als er von einem Konzert zurück kam, Joelle mit ihren Redakteur in ihrem Ehebett erwischt hat, hat sie vielleicht vergessen zu erwähnen." Ich war ein wenig wütend, denn ich wollte mich sicher nicht als Schlampe hinstellen lassen. Klar, hätten Paddy und ich niemanden betrügen dürfen, aber dass Joelle nur ihn und mich als Schuldige hinstellte, das war mir dann doch zu viel. Mit meiner Antwort hatte ich Maite eiskalt erwischt. „Nein, das kann ich nicht glauben. Joelle hat mir doch alles ausführlich erzählt." „Scheinbar nicht alles, Schwesterherz." Ich drehte mich um und sah Paddy in der Tür stehen. „Paddy, ist das wahr?" „Ja. Sie hatte wohl schon länger was mit ihm am Laufen, als ich auf Tour war." Das war selbst mir neu. Maite wirkte kurz in sich gekehrt, als sie sich plötzlich bei uns entschuldigte. „Es tut mir sehr leid, dass ich euch gerade so mies behandelt habe. Euer Fremdgehen finde ich immer noch nicht in Ordnung, aber dennoch, vielleicht hätte ich mich eher bei dir melden sollen und mir deine Version der Trennung anhören, Paddy." Die Geschwister nahmen sich in den Arm. „Schon okay, Maite. Ich weiß wie gut Joelle und du befreundet seid." „Anna, danke, dass du so ehrlich warst. Ich denke wir sollten uns erst mal besser kennen lernen, bevor ich mir eine Meinung bilde", sagte Maite schmunzelnd. „Ja, das sollten wir." Ich war froh, die Sache so schnell aus der Welt geschaffen zu haben. „Hey Angelo, da bist du ja", tönte es von draußen in die Küche. Paddy drehte sich nach mir um. Ich nickte ihm zu. Er griff nach meiner Hand und wir gingen zurück zum Tisch. Angelo war gerade dabei alle zu begrüßen, als er Paddy und mich sah. Die beiden starrten sich eine gefühlte Ewigkeit an. Ich denke, niemand wusste so richtig, was er tun oder sagen sollte. Also ging ich zu Angelo und seiner Frau Kira und stellte mich ihnen vor. „Hy, ich bin Anna. Schön euch kennen zu lernen." Seine Verblüfftheit, Paddy hier zu sehen wurde mit einem Schlag, durch seine Höflichkeit ersetzt. „Hallo Anna, ich bin Angelo. Das sind meine Frau Kira und meine Kinder. Gabriel, Helen, Emma, Joseph und William." Ich lächelte die Kinder an und grüßte sie. „Meine Tochter heißt auch Emma", merkte ich an. "Oh du hast auch Kinder, Anna?", warf Patricia ein. „Ja, ich habe ein Zwillingspärchen. Emma und Liam, sie sind 10." Kira wollte wissen, weshalb sie heute nicht hier sind. Ich erklärte ihr die Aversion gegen das Autofahren, meiner Kinder. „Schade, es hätte ihnen bestimmt gefallen", sagte der kleine Joseph. "Ja, das hätte es ganz bestimmt. Wenn ich ihnen erzähle, dass ihr hier so viele Kinder seid, kommen sie das nächste Mal bestimmt mit." Joseph nickte und lief mit den anderen Kindern zum Spielen. Ich dachte, ich hätte die Situation etwas entschärft, aber Angelo und Paddy haben sich immer noch nicht begrüßt. Paddy entschied sich, das Schweigen zu brechen. „Hey kleiner Bruder." Er hielt Angelo die Hand hin, dieser zögerte. Ich schickte ein kleines Stoßgebet hinauf, dass das Ganze jetzt nicht in einen Streit eskalierte. Es kam mir ewig vor, doch tatsächlich waren es nur wenige Sekunden. „Ich hätte mit allem, gerechnet, aber sicher nicht dich hier zu sehen", sagte Angelo und reichte Paddy die Hand. Gott sei Dank! Man konnte die Anspannung die von Paddy fiel regelrecht erkennen. Er zog Angelo zu sich um ihn zu umarmen. Es wirkte als wäre Angelo sich nicht sicher, ob er diese erwidern sollte oder nicht, tat es aber schlussendlich. Nun war ich erleichtert. „Meine Lieben, nachdem jetzt endlich alle da sind, möchte ich euch noch sagen, schön, dass ihr meiner Einladung gefolgt und alle hier seid.", verkündete Joey lauthals. „Achja, das Buffet ist eröffnet", fügte er noch hinzu. „Super, ich verhungere schon fast. Möchtest du auch etwas, Baby?" „Na und ob!". Ich schnappte Paddy und wir gingen in die Küche, wo Tanja liebevoll unzählige kleine Häppchen vorbereitet hatte. Es sah alles köstlich aus. Ich richtete mir einen Teller an und genoss das leckere Essen. „Sag mal, Anna, woher kennst du Paddy eigentlich?" Ich saß neben Kira und da sie und Angelo erst gekommen waren, wusste sie natürlich nicht, dass wir die Geschichte an diesen Abend, bereits erzählten. Also bekam sie die Kurzfassung von mir. „Und wie findest du das Leben mit einem Musiker, einem Kelly, bisher?" „Weißt du Kira, ich finde es toll. Paddy macht das, was er gerne macht. Natürlich war die Sommertour gerade in der Kennenlernphase etwas schwierig, aber für meinen Teil muss ich sagen, ich kann mir bereits jetzt nichts anderes vorstellen." Nach und nach setzten sich auch die anderen Ladys zu Kira und mir und wir tauschten uns ausgiebig über unsere Kinder aus. Das genoss ich richtig, denn nach der Trennung von Marc blieb mir nur Chiara in meinem Freundeskreis und sie hatte keine Kinder. So konnte ich mich auch einmal ehrlich mit anderen Mamas austauschen. „Und, möchtest du mit Paddy noch Kinder?", fragte mich Patricia. Ich verschluckte mich beinahe an meinem Getränk. Diese Frage kam unerwartet. „Ähm, ehrlich gesagt, haben wir bis jetzt noch nicht darüber gesprochen. Wir sind noch nicht einmal drei Monate zusammen." Ich war etwas verlegen. „Naja, Paddy wird in fast zwei Monaten 40. Da muss er sich schon beeilen." Die Mädels in der Runde lachten alle. Ich tat zumindest so. Natürlich hatte ich mir Gedanken über unsere Zukunft gemacht, aber über Kinder dachte ich dabei nie nach. Nicht weil ich keine mehr wollte, oder es kategorisch ausschloss, aber man sollte doch eine gewisse Zeit zusammen sein, bevor man übers Kinderkriegen nachdenkt. Immerhin hatte ich die Zwillinge und war bis vor kurzem eine alleinerziehende Mutter. „Hey Süße, du wirkst so nachdenklich, ist alles klar?" „Was? Ja klar. Alles gut. Komm wir besuchen Joeys Kellerbar", lenkte ich ab, aber in erster Linie mich selbst. Nach ein paar Kurzen mit den Kelly-Brüdern, waren meine Sorgen wie weggeblasen. Paddy hatte auch ganz schön getankt und irgendwann zu späterer Stunde, erhielt ich ein Live Konzert. Sie sangen zusammen ein paar Klassiker und ich ging voll mit. „Na Baby, hast du doch die Texte gelernt", witzelte Paddy. „Klar, ich mache nichts anderes in meiner Freizeit." Kathy und Patricia tanzten sich die Seele aus dem Leib. Nur Jimmys Frau Meike, wirkte etwas gelangweilt. Sie aß und trank nichts, beteiligte sich an keinem Gespräch und schon gar nicht, feierte sie mit uns. Joey hatte seinen Partyraum im Keller mit allem Feierzubehör ausgestattet. Paddy und Angelo coverten ein paar bekannte Songs. Als ich Paddy bei seinem kleinen Privatauftritt zusah, bekam ich am ganzen Körper Gänsehaut. Das schaffte definitiv nur er. Zwischendurch lächelte er mich immer wieder an und zwinkerte mir zu. Mir wurde richtig heiß. Ich weiß nicht ob es am Alkohol lag, aber vermutlich nicht. Plötzlich schnappte mich Paddy und legte mit mir ein Tänzchen hin und das, obwohl wir beide absolut nicht tanzen konnten. Kurz darauf gesellte sich auch Maite zu uns und flüsterte mir ins Ohr: „Ich habe Paddy schon eine Ewigkeit nicht mehr so gelöst erlebt." Ich sah sie etwas fragend an, da ich Paddy eigentlich fast ausschließlich ziemlich ausgeglichen kenne. „Du tust ihm gut, Anna." Ich lächelte. „Maite, ich liebe deinen Bruder wirklich aufrichtig." „Das kann ich sehen. Und er liebt dich." Sie sagte es zwar nicht, aber in diesem Moment war ich überzeugt, dass sie uns unseren Fehler verziehen hatte. „So meine Damen, Zeit für Karaoke!" Joey unterbrach unser Gespräch. „Was? Das ist unfair. Ich bin hier mitten in einem Haus voller Profi-Musiker. Wie soll ich denn da mithalten?", warf ich entsetzt ein. „Du darfst die Songs für uns aussuchen, Baby", schlug mir Paddy grinsend vor. Ich überlegte kurz und willigte ein. Zum Glück hatte ich schon etwas Alkohol intus, sonst hätte ich mir sowas im Leben nicht getraut - weder in einer Karaoke-Bar und schon gar nicht vor der Kelly Family. Ich versuchte für alle die passenden Songs zu wählen. Zumindest bekam ich Applaus für meine Wahl. Nun war Paddy an der Reihe. Bereits als er mich aufforderte, die Songs auszuwählen, wusste ich welchen ich von ihm hören wollte. "Babe, du singst eine Oasis-Nummer für uns. Und zwar "Wonderwall".

 https://www.youtube.com/watch?v=bx1Bh8ZvH84

Er schnappte sich das Mikrofon: "Das ist nur für dich, Baby", ich lächelte ihn an und schickte ihm eine Kusshand auf die imaginäre Bühne. Bereits nach den ersten Tönen, die er unplugged mit seiner Gitarre spielte, meldete sich auch meine Gänsehaut zurück. Er legte so viel Gefühl und Professionalität in den Song, dass man fast vergessen konnte, dass wir mitten in einem Keller standen. Natürlich erntete er Riesenapplaus. „So, Anna jetzt bist du an der Reihe", erinnerte mich Jimmy. Verlegen hielt ich mir die Hände vors Gesicht. Ich wusste bereits was ich singen wollte. Auch wenn ich absolut nicht singen konnte. Ich stand das erste Mal mit einem Mikrofon in der Hand da und wartete, bis die Musik begann. Mein Herz klopfte etwas schneller als ich mit der ersten Zeile begann: „Wenn man so will, bist du das Ziel einer langen Reise, die Perfektion der besten Art und Weise, in stillen Momenten leise...", ich sah Paddy die ganze Zeit über in die Augen und auch er wandte seinen Blick nicht eine Sekunde von mir ab. Beim Refrain stimmten alle mit ein und unterstützen mich oder wollten meinen Gesang übertönen. Ich hätte es ihnen nicht verübelt. Als das Lied vorbei war, bekam auch ich einen saftigen Applaus, sicher nicht wegen meiner Gesangskünste, viel eher weil auch Paddys Geschwister die Liebe in der Luft gespürt hatten. Ich verbeugte mich als Paddy auf mich zukam und mich voller Leidenschaft küsste. Natürlich wurde der Applaus noch lauter. „Ein Kompliment also", flüsterte mir Paddy ins Ohr. „Ich liebe diesen Text und er beschreibt meine Gefühle für dich perfekt." Gegen vier Uhr früh verabschiedeten Paddy und ich uns, da wir in ein paar Stunden bereits wieder auf dem Heimweg sein mussten. „Paddy, Anna, so schön, dass ihr da wart! Wir müssen uns alle ganz bald wieder treffen, das hat mir so gefehlt", bemerkte Patricia wehmütig. „Klar, Schwesterherz, das machen wir." Paddy gab ihr noch ein Küsschen, dann stiegen wir in unser Taxi ein und fuhren Richtung Apartment.
„Ich habe lange verdrängt, wie sehr mir meine Familie fehlt. Danke, Baby, dass du mitgekommen bist. Ohne dich, hätte ich diesen Schritt sicher nicht gewagt, gestand Paddy, als wir bereits im Bett lagen." Ich fand es toll heute. Deine Geschwister sind alle unglaublich nett. Natürlich war es klar für mich, dass ich dich dorthin begleite. Ich folge dir überall hin!" Ich lächelte ihn an, während er mein Gesicht in seine Hände nahm und mich voller Liebe küsste.

Butterflies in my BellyWhere stories live. Discover now