Kapitel 18

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Irgendwas stimmte nicht.

Njal und Kian sprachen seit drei Tagen kein Wort mehr miteinander, genauso wenig wie Samara. Als ich gefragt hatte, was mit Njals Nase geschehen war, hatte dieser nur gelächelt und gemeint, dass es ein Arbeitsunfall war.

Ich habe ihm kein Wort geglaubt.

Meine Arbeit verlief recht normal. Die Hexen habe meine Anwesenheit mittlerweile akzeptiert und mit den meisten verstehe ich mich auch recht gut. Es gibt noch immer Geheimnisse, die niemand aussprechen möchte aber auch hinter die werde ich irgendwann kommen.

Samara, Luana, Nathaira und Ira waren öfter weg, als sonst und brachten nicht immer neue Lebensmittel oder Rohstoffe her. Manchmal war auch nur Samara verschwunden. Ich hinterfragte es nicht.

Kian distanzierte sich immer mehr von Njal und auch von mir. Er berührte mich kaum noch, sprach weniger und schien mehr in seine eigenen Gedanken versunken zu sein.

Das wiederum bereitete mir große Sorgen, da Kian schon immer den Drang dazu hatte sich in sich selbst zurückzuziehen, wenn es ihm zu viel wurde. Ich hatte ihn in Orynth damals ein wenig aus seinem dunklen Strudel herausziehen können, doch jetzt hatte ich keine Chance.

Eine weitere Woche verging, in der nichts Großartiges geschah. Kian sprach mittlerweile gar nicht mehr mit uns und Samara hatte ich seit vier Tagen nicht mehr zu Gesicht bekommen. Ira schien noch blutrünstiger zu sein, als sonst. Nur Luana blieb ganz die alte. Nathaira und Valerian schienen sich wieder etwas angenähert zu haben, denn die beiden schafften es bei den Mahlzeiten an einem Tisch zu sitzen, ohne sich zu streiten, was besonders Vika erfreute.

Njal begrub sich in seiner Arbeit, was zumindest Valerian freute, denn so hatte er weniger zu tun. Es war allgemein eine sehr merkwürdige Stimmung und so langsam hatte ich das Gefühl, dass wir nicht weiterkamen.

Es schien beinahe so, als ob wir unsere eigentliche Mission vergessen haben.

Auch ich bemühte mich immer weniger darum Informationen zu bekommen, die uns helfen könnten die Hexen zu besiegen. Zugegeben, ich mochte die Hexen mittlerweile. Sie waren nicht immer die blutrünstigen Wesen, die nur auf Rache aus waren, so wie Manon sie beschrieben hatte. Es waren einfach eine Gruppe von Frauen, die versuchten das Beste aus ihrer Situation zu machen. Sie wollten überleben und ein friedliches Leben haben, abseits von all dem Stress und einem möglichen Krieg.

Seit wir hier waren haben wir auch nicht mitbekommen, dass die Hexen unschuldige Menschen getötet haben, so wie sie es vor unserer Ankunft getan hatten. Luana erzählte mir manchmal von ihren Ausflügen in die Dörfer.

Manchmal fragten sie die Bewohner, die ihnen ab und an freiwillig etwas abgaben, woran Ira nicht ganz unschuldig war. Sie hatte eine gewisse Ausstrahlung, die einem Angst verursachte und ich konnte die Menschen verstehen, wenn sie freiwillig etwas rausgaben, solange Ira verschwand. Manchmal stahlen sie aber auch Getreide, Obst oder andere Lebensmittel, die knapp waren. Ich vertraute darauf, dass Luana mir die Wahrheit sagte aber von allen Hexen, die in diesem Berg lebten, vertraute ich ihr am meisten.

Von Manon, Aelin und all den anderen hatte ich nie wieder etwas gehört. Wahrscheinlich zog sich Kian auch deswegen so sehr in sich zurück, weil er seine Familie vermisste.

Eines Nachmittags saß ich mit Njal auf dem kleinen Vorsprung, der als Landeort für die Wyvern galt. Es war einer den seltenen Momenten, in denen wir beide etwas Zeit hatten und ein wenig die Gesellschaft des jeweils anderen genießen konnten. Nach wie vor war Njal mein bester Freund und ich machte mir wirklich Sorgen um ihn, so wie um Kian.

Die Luft war angenehm warm und man konnte spüren, dass es bald Sommer werden würde. Ich habe den Sommer immer gehasst, weil ich bei unerträglichen Temperaturen stundenlang auf dem Marktplatz stehen musste, um die Stoffe, die ich zuvor gewebt hatte zu verkaufen. Miss Evada hatte uns Mädchen nie eine Pause zugestanden und auch nur dreckiges Wasser und verschimmeltes Brot in unregelmäßigen Zeitabständen. Dieser Somme könnte tatsächlich der erste Sommer werden, den ich genießen könnte nach über zwanzig Jahren.

Throne of Glass- Herrscherin der FinsternisWhere stories live. Discover now