𝟎𝟐┊ 𝚐𝚎𝚏𝚊𝚗𝚐𝚎𝚗 𝚒𝚗 𝚎𝚒𝚗𝚜𝚊𝚖𝚔𝚎𝚒𝚝. 〔🤍〕

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Klar hallten die Schritte durch die weiten Gänge. Schnell hatte sich der Junge N eingelebt und das, obwohl sich dieser Ort so sehr von seiner ehemaligen Heimat unterschied. Es war zwar nicht so, als gäbe es hier kein Grün, ganz im Gegenteil, an vielen Stellen waren Topfpflanzen platziert, die mit den Farben des Bodens tanzten. Und dennoch konnte diese Menge nicht mit der Pracht des Waldes mithalten, wie denn auch?

Die Gänge wurden von einem glatten und funkelnden Mamorboden durchzogen, dessen Oberfläche wie die eines Kristalles funkelte und harmonisch mit den goldenen Wänden übereinstimmte. Trotz der vielen verschiedenen Zimmer wusste N ganz genau, wo er hin musste. Er zog an den zahlreichen Zimmern vorbei, dessen Türrahmen in den Himmel empor stiegen zu schienen. Doch davon wollte er sich nicht beirren lassen, zielstrebig verfolgte er sein Ziel bis hin zum gesuchten Ort.

Der Grünhaarige suchte das oberste Stockwerk auf, welches genau drei Zimmer beherbergte. Eines davon war der Thronsaal, in welchem N sich zugegebenermaßen gerne aufhielt, nicht nur, weil er natürliche Elemente wie einen Wasserfall beherbergte. G-Cis hielt sich als Anführer des Teams oft hier auf, aber auch N genoss das Plätschern des Wassers regelmäßig. Der Junge fühlte sich dort ein wenig mehr zu Hause, da das Fließen des Wassers identisch mit dem des Baches aus dem Wald war. Je nach Lichteinfall wandelte sich das Blau des Mamors auch mal in ein Grün, welches durchaus dem des Waldes nahe kam. Doch dieses Mal wollte er ausnahmsweise nicht dorthin.

Das Zimmer von G-Cis befand sich ebenfalls in der Etage. Ein fein säuberlich eingeräumtes Zimmer, verziert mit einem strahlenden Gold und zahlreichen, verschiedenen Skulpturen. Der Junge verweilte dort nicht oft. Schließlich war es nicht sein Zimmer und sein Ziehvater genoss selten die Anwesenheit anderer Menschen. Fast schon zurückgezogen arbeitete G-Cis in seinen eigenen vier Wänden. Aber abgesehen davon war das Arbeitsgemach für N ohnehin uninteressant, ganz im Gegensatz zum letzten Zimmer der Etage.

Mit einem zügigen Schritt kam er vor dem Raum zum Stehen. Trotz seines schlichten Türrahmens wurde N von irgendetwas in einen Bann gezogen. Irgendetwas in dessen Inneren legte den Grünhaarigen in Ketten, sodass er seinen Blick nicht abwenden konnte. Doch betreten durfte er ihn nicht, G-Cis verbot es ihm. Selbst wenn er sich diesem Verbot widersetzen wollen würde, ein Schloss versperrt ihm weiterhin den Weg und wer den Schlüssel hatte, konnte sich N denken. Gebannt blickte der Jugendliche auf die Tür, unmerklich tat er ein paar Schritte nach vorne.

Der Grünhaarige bewegte seine Handfläche über das zarte Holz der Tür. Irgendetwas im Inneren rief nach ihm, ließ sein Herz schneller schlagen, obwohl es doch immer so ruhig in seiner Brust klopfte. Der Junge hielt sein rechtes Ohr an das massive Holz. Angestrengt versuchte er, irgendetwas zu hören. Verbarg sich darin ein Lebewesen? Ein Pokémon? Ein Mensch? Er konnte nichts hören. Frustriert ließ er von der Tür ab und ließ sich vor dieser nieder. Im Schneidersitz saß er nun vor der noch immer verschlossenen Tür und betrachtete sie nachdenklich.

Neben G-Cis musste es doch einen weiteren Weg geben. Einen zweiten Schlüssel? Womöglich existierte dieser sogar, aber dann gewiss nicht bei einer Person, die N kannte. Es wäre wohl keiner der normalen Mitglieder, am realistischsten dürfte einer der sieben Weisen sein. Aber selbst wenn seine Gedanken stimmten und Sinn ergaben, an den Schlüssel würde er dennoch nicht gelangen.

Doch weiter kam N mit seinen Überlegungen gar nicht. Er spürte, wie ein stechender, fast schon eisiger Blick auf ihm ruhte. G-Cis. Ohne sich umzudrehen, wusste er, dass er es sein musste, der ihn ruhig musterte. Und diese Aussage bestätigte sich, nachdem seine raue und kalte Stimme erklang. »Ich habe es dir verboten, diesen Raum zu betreten.«

N überlegte einen Moment. Den Finger hatte er an das Kinn gelegt und den Blick an die Decke gerichtet. »Betreten habe ich ihn auch nicht«, meinte er dann vorsichtig und schaute über die Schulter, doch der Blick von G-Cis verriet ihm, dass er diese Aussage nicht als ganz so lustig empfand. »N!«, fügte er deutlich barscher hinzu und dieser Ausruf ließ den Jungen letztendlich zusammenzucken. Langsam stand er auf und entschuldigte sich mit einer kleinen Verbeugung vor G-Cis. Er wollte an dem Anführer vorbei, doch dieser hielt ihn mit seinem Stab zurück.

»Ich kann dich nicht ewig im Schloss halten, das beweist du mir immer mehr. Mach dich bereit, morgen werden wir einen kleinen Ausflug unternehmen«, erklärte er und zog den Stab zurück zu sich heran. »Nun.« Mit dieser Geste bedeutete er N, dass er gehen durfe. Dieser nickte zustimmend und verschwand in die unteren Stockwerke in sein eigenes Zimmer, wobei er sich nicht noch einmal traute, sich zu G-Cis umzudrehen.

Vorsichtig öffnete N seine Zimmertür und trat herein. Die fröhlich blau gestrichenen Wände verliehen seiner trüben Stimmung neue Lebensfreude. Es erinnerte ihn an sein Kindesalter. Mittlerweile erreichte N fast sein 17. Lebensjahr. Das hielt ihn allerdings nicht davon ab, sich an seine Kindheit zu erinnern. Die Zeit im Wald. Ja, auch die Zeit kurz nachdem er von G-Cis aufgenommen wurde. Damals hatte er alles daran gesetzt, dass N glücklich ist, so glücklich, dass selbst G-Cis ein Lächeln tragen konnte.

Doch dieses Lächeln ist erloschen, verschwunden. Der Hass und die Boshaftigkeit haben es wie ein schwarzes Loch verschlungen. N seufzte. Er konnte sich diese plötzliche, charakterliche Veränderung nicht erklären und er musste sich eingestehen, dass sie ihn verunsicherte.

Hatte G-Cis sich verändert oder war er zu seinem wahren Ich zurückgekehrt? N vermochte das nicht zu beurteilen.

Der Junge umfasste seinen Würfelanhänger. Er begann, daran zu spielen und versank vollständig in seinen Gedanken, sodass er sogar leicht vor sich hin döste.

Erst der dumpfe Schall von Schritten ließ ihn aufhorchen. Vorsichtig lugte er aus dem Türspalt und stellte erleichtert fest, dass G-Cis bereits vorbeigelaufen war und ihn deshalb nicht dabei erwischen konnte, wie er ihm nachspionierte. Der ältere Mann lief in einem zügigen Tempo und wirkte sehr gehetzt. Verwundert schlich sich N aus seinem Zimmer. Was war so wichtig? Mit klopfendem Herzen ergriff er die Möglichkeit, seinem langweiligen Alltag Abwechslung zu verschaffen.

Der Steinboden gab kaum Laute von sich, als der Junge über diesen balancierte. Es erleichterte ihm, G-Cis zu folgen. Als dieser, ohne sich einmal umgedreht zu haben, um die Ecke in einem Raum verschwand, verschnaufte N an einer Säule in der Nähe des Zimmers. Dadurch, dass er seine Schritte mit Bedacht wählen musste, fiel es dem Grünhaarigen sehr schwer, mit dem Tempo von G-Cis mitzuhalten. Auch wenn er eine sichere Distanz zum Raum besaß, so drangen einzelne Laute der Stimmen von G-Cis und einer weiteren Person bis hin zu ihm vor und wirkten wie ein wirres Bündel an Fäden, sodass N das Gesagte kaum zuordnen konnte.

Er hörte nur einzelne Worte. Experiment, Versuch, Operation, das waren nur wenige von ihnen. Nach dem dumpfen Knarren beim Öffnen der großen Tür konnte er G-Cis' klare Stimme verstehen. »So starte nun, Achromas. Ein Mitglied soll mir Bericht erstatten, sobald es vollbracht ist. Ich will keine negativen Nachrichten vernehmen müssen«, knurrte der Rotäugige und verschwand dann, zu N's Glück, in die andere Richtung.

Verwundert ließ sich der Grünhaarige hinter der Säule nieder. Achromas? Den Namen hatte er doch schon einmal gehört. Er verschränkte die Arme, sein Atem wurde ruhiger. Vielleicht konnte er ja noch weitere Geräusche oder Stimmen vernehmen, die ihm einen Anhaltspunkt gaben? Leise lauschte er. Das Klirren vieler verschiedener, metallischer Instrumente erklang, bevor ein schmerzerfülltes Schreien die Luft erfüllte, so qualvoll als hätte N die Qual ertragen.

Unwillkürlich tat sich vor ihm ein Bild auf und ein Schauer durchfuhr ihn. Augenblicklich breitete sich eine Gänsehaut auf der Haut des Grünhaarigen aus. Irgendjemand oder irgendetwas in dem Raum erfuhr gerade Leid und G-Cis oder Achromas ließen es zu.

✦𝒻𝒻」𝐳𝐰𝐢𝐬𝐜𝐡𝐞𝐧 𝐰𝐮𝐧𝐬𝐜𝐡 𝐮𝐧𝐝 𝐰𝐢𝐫𝐤𝐥𝐢𝐜𝐡𝐤𝐞𝐢𝐭.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt