IX

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James PoV

Immer noch ein wenig neben der Spur nach dem gestrigen Abend machte ich mich auf zum Frühstück.

Ich hatte nicht die geringste Ahnung, warum ich auf einmal das Bedürfnis gehabt hatte, Andromeda in die Arme zu schließen und nie wieder loszulassen.

Es war nicht nur mein Mitleid mit ihr gewesen, als sich ihr Gesicht bei meiner Frage verdüstert hatte, sondern vielmehr das überwältigende Gefühl, dass es meine Aufgabe war, sie zu trösten.

Mein hormongesteuertes Teenagerhirn hatte mich für einen kurzen Moment etwas vollkommen verrücktes tun lassen und als ich mich wieder erinnerte, dass Malfoy vor mir stand, mit der ich mich bis vor ein paar Tagen bei jeder Gelegenheit gestritten hatte, war ich komplett überfordert gewesen.

Ich tat, was jeder normale Mann in solchen Situationen tat: ich floh.
Ich war nicht besonders stolz darauf.

Fred und die anderen Jungs schienen bemerkt zu haben, dass ich heute etwas neben mir stand, denn sie ließen mich größtenteils in Ruhe.

Ich ließ mich am Gryffindor Haustisch nieder und kaute lustlos auf einem Stück Toast herum. Die verzauberte Decke zeigte heute, passend zu meiner Stimmung, einen düsteren, wolkenverhangenen Himmel.

Etwas weiter links von mir saß Andromeda, die mich ignorierte. Sie hatte volles Recht dazu und normalerweise wäre es mir vollkommen egal gewesen, was sie tat, beziehungsweise nicht tat. Aber heute war kein normaler Tag.

Nachdem ich das Frühstück und eine Stunde Verwandlung hinter mich gebracht hatte, stand nun eine Doppelstunde Kräuterkunde auf dem Stundenplan.

Im Gewächshaus drei begrüßte uns Professor Longbottom und verkündete unsere heutige Aufgabe: Wir sollten eine winzige Teufelsschlinge umtopfen, düngen und ein paar kleine Tentakel für Slughorn abzupfen. Na ganz toll.

Ich wurde in ein Team mit Linus und Andromeda eingeteilt, was mich noch mehr durcheinander brachte. Ich hatte keine Ahnung, wie ich mich ihr gegenüber verhalten sollte.

„Na dann, auf gehts.", freute sich Linus. Kräuterkunde war sein Lieblingsfach, weswegen ich sehr froh war, ihn im Team zu haben.

Es lief alles eigentlich relativ glatt. Bis auf Dinge wie „Gib mir mal die Schaufel.", „Hast du noch Drachenmist?", und „Autsch.", redeten wir nicht besonders viel.

Doch dann, wie es mindestens einer Person pro Stunde passierte, erwischte mich die Teufelsschlinge und mit erstaunlicher Kraft versuchte sie, mich zu strangulieren.

Erschrocken japste ich nach Luft und begann wie wild um mich zu strampeln. Langsam wurde mir die Luft knapp und kalter Schweiß bildete sich auf meiner Stirn, während sich meine Kehle anfühlte, als hätte sie Feuer gefangen.

Sofort begannen Andromeda, Linus und kurz darauf Professor Longbottom, mich zu befreien, indem sie der Pflanze Feuer unter die Tentakeln hielten. Nach und nach lockerte sie ihren Griff, bis sie mich losließ.

Ich schnappte nach Luft und brauchte erst mal ein paar Augenblicke, bis ich mich wieder gesammelt hatte.

„Miss Malfoy, bringen sie bitte Mr Potter in den Krankenglügel. Sie sind für den Rest der Stunde entlassen.", befahl der Professor und Andromeda nickte und führte mich aus dem Gewächshaus.

„Gehts wieder?", fragte sie mich besorgt.

„Alles halb so wild.", log ich, auch wenn sich mein Hals schrecklich anfühlte.

„Du brauchst nicht zu lügen, James. Dein Hals sieht ziemlich übel aus und deine Stimme klingt scheiße. Ich bring dich jetzt zu Madam Pomfrey."

Mist. Trotzdem war ich irgendwie froh, dass sie sich um mich sorgte und mir nicht länger die kalte Schulter zeigte. Vielleicht wäre es an der Zeit, mich bei ihr zu entschuldigen. Schon wieder.

„Sorry, dass ich gestern einfach angehauen bin.", murmelte ich und sah sie an.

Sie wandte ihren Kopf zu mir und einen Moment lang verhakten sich unsere Augen. Dann sah sie weg.

„Schon okay. Ich war eh etwas überrascht, dass der große James Sirius Potter trösten kann.", sagte sie. Irgendwie klang sie dabei traurig und  enttäuscht. Das hatte sie jetzt in den falschen Hals bekommen und innerlich ohrfeigte ich mich.

„Nein, so mein ich das nicht! Ich äh... Ich habe dich gerne äh... ja, gerne getröstet und ähm... ja.", stotterte ich und fragte mein dummes Selbst, warum es nicht ordentlich sprechen konnte.

„Oh.", murmelte sie. „Aber warum bist du dann so plötzlich gegangen? Hab ich was falsch gemacht?", fragte sie verwirrt.

Wie sollte ich das denn bitte erklären? Ich hatte ja selbst keine Ahnung von meinem merkwürdigen Verhalten.

„Öhm... Ich hatte Angst, dir irgendwie auf die Pelle gerückt zu sein.", sagte ich. Das war sogar ein Teil der Wahrheit, ich hatte wirklich Schiss gehabt, eine Grenze überschritten zu haben.

Zu meiner Überraschung fing sie zu lachen an.
„Himmel, James, seit wann interessiert du dich  denn für die Gefühle anderer Mädchen? Außerdem hast du mich doch nur umarmt."

Autsch. Kam ich wirklich so rüber? Dass ich mich nicht für die Gefühle des weiblichen Geschlechts interessierte? Na gut, ich hatte viele Freundinnen gehabt, aber ich hatte sie nie zu etwas gedrängt. Sie waren immer auf mich zugekommen.

Andromeda schien zu bemerken, dass mich ihr Kommentar getroffen hatte.

„Das hätte ich nicht sagen sollen. Schließlich laufen dir die Damen hinterher, ohne dass du einen Finger rühren musst."

Ich grinste. „Schon in Ordnung. Du findest also, dass mir die Damen hinterher laufen, was Malfoy? Gehörst du auch dazu?", zog ich sie auf, was mir ein Augenrollen von ihr einbrachte.

„Ich sollte mich nicht immer bei dir für meine Worte entschuldigen. Das verleiht dir ein noch ungesünderes Ego, als du ohnehin schon hast."

Mittlerweile waren wir am Krankenflügel angekommen und Andromeda schob mich durch die Tür. Dann erzählte sie Poppy von dem Vorfall und die Heilerin wuselte sogleich davon, um ein paar Tränke und Salben zu holen.

„Eigentlich ist es ja gut für dich, dass du im Krankenflügel gelandet bist. Jetzt kannst du gleich für später was lernen, wenn du mal Heiler bist.", stellte sie fest.

Überrascht sah ich sie an. „Das hast du dir gemerkt?", fragte ich verblüfft.

„Klar, wieso nicht? Das war eines der wenigen Dinge an dir, die ich sympathisch finde.", erwiederte sie schulterzuckend.

„Du findest mich sympathisch?", strahlte ich. Keine Ahnung wieso, aber es machte mich unheimlich stolz, dass Andromeda mich anscheinend nicht mehr ganz so abstoßend fand.

Sie schenkte mir ein Lächeln. „Mittlerweile, James Potter, finde ich dich tatsächlich ganz nett. Natürlich kann sich das blitzschnell wieder ändern, wenn du in deine alte Arschlochmasche zurückverfällst."

„ Aye Aye, Sir. Die sogenannte Arschlochmasche heb ich mir für Idioten auf. Und du bist auch nicht übel.", gab ich grinsend zu.

Und zum zweiten Mal innerhalb vierundzwanzig Stunden zog ich sie in eine Umarmung und dieses Mal haute ich nicht ab.

𝐜𝐨𝐧𝐬𝐭𝐞𝐥𝐥𝐚𝐭𝐢𝐨𝐧𝐬 | 𝐣𝐚𝐦𝐞𝐬 𝐬𝐢𝐫𝐢𝐮𝐬 𝐩𝐨𝐭𝐭𝐞𝐫Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt