kapitel eins - frame 1/2

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kapitel eins frame 1/2
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13. Oktober 2000 –
7. Mai 2018

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⚠️Triggerwarnung
Autounfall
Verbale Misshandlung


PARK JIMIN war geboren dafür, zu leiden.

Das Licht, das er bei seiner Geburt erblickte, war von dunklen Schlieren des Hasses durchzogen, dessen Spuren sich von der ersten Sekunde seines Lebens an in seine ungeschützte Haut gruben und Narben hinterließen, die ihn stets daran erinnerten, dass er nicht verdient hatte, zu sein.

Er wuchs mit dem Glauben auf, Schuld am Tod seiner Eltern zu sein. Sowohl sein Vater als auch seine Mutter ließen ihr Leben an seinem Geburtstag. Die Wehen setzten bei Areum sehr plötzlich ein. Niemand hatte mit der Ungeduld gerechnet, mit der Jimin endlich ein Teil dieser Welt sein wollte. Es war Nacht und draußen wütete ein heftiges Herbstgewitter, als Jaewon seine Ehefrau auf die Rückbank seines Wagens trug und sich dann klitschnass hinter das Lenkrad setzte, um sie rechtzeitig ins Krankenhaus zu fahren. Begleitet von krachendem Donner und Blitzen, die den Himmel auseinanderrissen, schlitterte das Auto auf den nassen Straßen des Seouler Nachtverkehrs geradewegs in einen Unfall hinein.

Areum gebar ihren Sohn in einem Krankenwagen, der zur Unfallstelle kam. Sie brachte ihr erstes und letztes Kind unter größten seelischen Schmerzen auf die Welt, mit dem Bild von Jaewons blutüberströmten Gesicht vor Augen. Der Zusammenprall mit einem Fahrer, der die Kontrolle über sein Auto verloren hatte, traf ihren Ehemann am härtesten. Er starb an Ort und Stelle und verabschiedete sich von dieser Welt. So wie es auch Areum wenige Minuten später tat, weil die Geburt unter Komplikationen ablief, die ihr Körper nicht verkraftete.

Jimin hätte ein wohlbehütetes Leben führen sollen, mit Eltern, die ihm die Welt zu schenken bereit waren, als er noch ein Embryo war. Doch als der Rettungswagen im Krankenhaus ankam und die Sanitäter ihn Krankenschwestern überreichten, die sich um Neugeborene kümmerten, war er ein Waise.

In dieser verfluchten Nacht verloren seine Großeltern mütterlicher- und väterlicherseits ihre einzigen Kinder und bekamen dafür einen Enkelsohn, der sie stets daran erinnern würde, welchen Preis seine Geburt gehabt hatte.

Areums Mutter war es, die Jimin den Selbsthass lehrte. Immer, wenn Großmutter Sujin ihm von dem Unfall erzählte, trat ein ganz bestimmter Ausdruck in ihre Augen. Es war eine giftige Mischung aus Verachtung, Hass und Abscheu, welche für den Rest seines Lebens an ihm klebte, schon bald Teil seiner Identität wurde und die Weise war, mit der er sich selbst im Spiegel betrachtete.

Der richterliche Beschluss sah vor, dass seine Großeltern mütterlicherseits sich um Jimin kümmern sollten, doch was sie eher taten, war es, ihn verkümmern zu lassen. Areums Vater sah Jimin nicht oft. Seine Position als persönlicher Sekretär und Übersetzer eines viel herumreisenden Geschäftsmannes ließ nicht zu, dass er viel Zeit zu Hause verbringen konnte. Manchmal kam er wochenlang nicht heim, vor allem, weil er die zynische und hasserfüllte Art seiner Ehefrau nicht ertrug, aber das konnte Jimin nicht wissen. Und so glaubte er Sujin, wenn sie sagte, dass ihr Ehemann sein eigenes Zuhause nur wegen Jimin wie die Pest mied. Weil er die Augen und das Kinn seiner Mutter geerbt hatte, weil er ihr so sehr ähnelte, dass sein Großvater seinen Anblick nicht ertrug.

Sujins Lügen waren nicht die einzige Methode, mit der sie sein Selbstwertgefühl bis auf den letzten Funken auslöschte. Sie war allumfassend eine Meisterin darin, ihn so schlecht zu behandeln, dass sie ihre Lust, ihn zu quälen, befriedigen konnte, ohne dass man ihr das Jugendamt an den Hals hetzte.

Seelenfrieden | yoonmin || ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt