kapitel zwanzig

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kapitel zwanzig
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28. Juli – 15. August

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ES IST, als hätte der Ausflug nach Seaworld einen Damm in Jimin gebrochen. Seine strömende Neugier ist nicht mehr zu stoppen, mit jeder untergehenden Sonne wird er offener für das, was das Leben ihm draußen zu bieten hat.

Sie lassen sich treiben von ihrer Erlebnislust, füllen ihre Lungen mit stickiger Sommerluft und ihr Herz mit Erinnerungen. Erst vor allem noch in den Schatten der Dunkelheit Schutz suchend. Die Nacht ist ihr bester Freund und bewahrt sie vor fremden Begegnungen, sodass sie in aller Ruhe Spielplätze auskundschaften und ausgelassen schaukeln können, immer höher, den Sternen so nah.

»Ich fliege!«, schreit Jimin bei einem ihrer Besuche. Yoongi lacht, Jimin jauchzt und dann lässt er los. Wie in Zeitlupe segelt er in hohem Bogen durch die Luft und landet mit einem dumpfen Plumps im Sand.

»Jimin-ah!« Bis Yoongi sein eigene Schaukel gestoppt hat und zu ihm eilt, setzt sich der Jüngere auf und schüttelt lachend den Sand aus seinem Haar. »Woah! Das war so cool!«, ruft er aufspringend. »Hast du das gesehen? Ich bin wirklich geflogen!«

»Ich muss sagen, das war wirklich ziemlich beeindruckend.«

»Ich sagte dir doch: Ich will mutig sein«, erwidert der Jüngere nur und klopft neben sich in den Sand. Sie machen einen Wettkampf daraus, wer mit bloßen Händen die schönere Sandburg baut. Schon nach wenigen Sekunden ist klar, dass Yoongis unförmiger Haufen es nicht mit Jimins Burg aufnehmen kann, die er irgendwie hervorzaubert. Also gibt der Ältere recht schnell auf und sucht in der Umgebung nach Zweigen, die er zu zwei kleinen Männchen knickt und sie auf der Burg positioniert.

»Das sind wir«, erklärt er stolz. Jimin sieht nicht wirklich begeistert aus, tippt sich nachdenklich ans Kinn und steckt dann kurzerhand weitere Zweige an die Seite der Figuren. »Das sind Speere«, sagt er grinsend. Seine Augen funkeln im schwachen Schein einer Laterne am Rande des Platzes. Yoongi neigt seinen Kopf. War sein Herzschlag schon immer so laut?

»Waffen? Wofür brauchen wir die?«, will er wissen.

»Na zur Verteidigung. Wir beide gegen den Rest der Welt.« Jimin blickt zufrieden auf sein Endergebnis herunter und macht ein Bild, bevor sie sich auf den Heimweg machen. Der Jüngere fühlt sich so schlecht wegen des Drecks, den er in Ajins Wohnung tragen wird, dass er sich unentwegt abklopft. Doch als sie ankommen, interessiert Ajin nur, ob sie denn Spaß hatten.

Nach Treffen wie diesen beharrt die Dame darauf, dass Yoongi bei ihnen übernachtet. Längst steht auf der Ablage im Badezimmer eine dritte Zahnbürste und er geht so selbstverständlich in der Wohnung ein und aus, wie er selbstverständlich auch ein wichtiger Part in Jimins Leben geworden ist.

Eines Tages traut sich Jimin endlich in das Sonnenlicht.

Ihre ersten Schritte in die Normalität enden in einem Spaziergang mitten am Tag, zu einer Zeit, in der die meisten Menschen arbeiten oder von der sengend heiß scheinenden Sonne in ihre kühlen Wohnungen flüchten. Trotz dessen ist Jimin zunächst so verkrampft, dass Yoongi befürchtet, dass er ihren Versuch schon noch wenigen Metern abbrechen könnte. Doch der Jüngere überrascht ihn mit der eisernen Disziplin, mit der er sich durch ihren Spaziergang kämpft und dabei Yoongis Hand quetscht, als müsse er seinen inneren Druck irgendwie loswerden.

Die wenigen Menschen, denen sie begegnen, haben keinen zweiten Blick für sie übrig, wie es eben bei Begegnungen von Fremden auf der Straße üblich ist. Was für Yoongi pure Normalität ist, haut Jimin völlig von den Socken. Irgendwann ist er nicht nur lockerer, sondern auch hungriger. Hungrig nach weiteren Unternehmungen, hungrig nach Normalität, hungrig nach dem Leben.

Seelenfrieden | yoonmin || ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt