kapitel sechs

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kapitel sechs
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07. – 10. Mai

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AM MONTAG steht Yoongi pünktlich um 11 Uhr auf der sprichwörtlichen Matte seiner neuen Arbeitsstelle. In Dongjaes Lokal geht es ruhig zu, nur ein älterer Herr schlürft Tee und liest dabei Zeitung, als der Teenager unter hellem Glockengebimmel die Stube betritt. Jetzt bei Tageslicht scheint der Zauber der Nacht verloren zu sein, aber gemütlich ist es dank der hölzernen Einrichtung trotzdem. Die bunten Traumfänger am Schaufenster und an den Wänden kann man so auch viel besser bestaunen. 

Sein Chef steht mit Aristoteles auf seiner Schulter hinter dem Tresen und wischt die Arbeitsfläche sauber. Die beiden blicken auf und wünschen ihm einen guten Tag. Yoongi tritt lächelnd an den Tresen heran und erwidert den Gruß.

»Du kommst genau richtig.« Dongjae greift nach einem Päckchen am Rande des Tresens und reicht es Yoongi zusammen mit einem Zettel, auf welchem eine Adresse steht. »Ich bitte dich, dieses Paket meiner Freundin Ajin zu bringen. Ihr geht es nicht so gut, also habe ich ihr eine Mixtur gegen Bauchschmerzen vorbereitet. Könntest du das erledigen?«

»Natürlich!« Bevor er das Päckchen entgegennimmt, reicht Yoongi ihm mit beiden Händen die Leinentasche, die er vergangenen Freitag für den Transport seiner nassen Kleidung bekam. Diesmal befinden sich darin die überaus gemütlichen Kleidungsstücke seines Chefs. »Ich danke Ihnen nochmal für ihre Hilfe, Sajangnim. Ihre Sachen habe ich natürlich gewaschen.«

»Danke, mein Junge.« Lächelnd nimmt Dongjae die Tasche entgegen und reicht sie weiter an Aristoteles. »Könntest du die Sachen für mich zurück an ihren Platz verstauen?« Auf der Stelle fasst der Papagei mit seinem Schnabel nach dem Träger und fliegt davon. Der Kunde blickt nicht mal eine Sekunde von seiner Zeitung auf. Offenbar ist er an Aristoteles Kunststücke gewohnt.

Yoongi packt den Adresszettel in seine Hosentasche. Er kennt die Gegend und die Busverbindung dorthin. »Ich bin dann spätestens in einer Stunde zurück.«

»Es ist nicht schlimm, wenn du länger brauchst. Mach dir keinen Druck«, winkt Dongjae ab. »Bevor du gehst, solltest du aber noch eine Sache wissen: Wahrscheinlich wird nicht Ajin dir die Tür öffnen, sondern ihr Mitbewohner. Er ist sehr kontaktscheu. Wundere dich nicht, wenn er sich dir nicht zeigt. Es wäre aber ideal, wenn du ihm das Päckchen persönlich geben könntest.«

Yoongi runzelt die Stirn. Wie soll er letzteres hinbekommen, wenn der Mitbewohner nicht mit ihm agieren möchte? »Ich gebe mein Bestes«, sagt er statt einer Offenbarung seiner Verwirrung und verbeugt sich zum Abschied.

»Ich danke dir vielmals und entschuldige mich für die Umstände, die ich dir mache.«

Nun erst recht irritiert lächelt der Teenager seinen aufrichtig traurig klingenden Chef herzlich an. »Alles gut, Sajangnim. Das ist wirklich nicht der Rede wert.«

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Als Yoongi einige Minuten Busfahrt und ein paar anschließende Haltestellen mit der U-Bahn später wieder an die Oberfläche tritt, klatscht ihm die Luftfeuchtigkeit ins Gesicht wie ein nasser Schwamm voller Kreidewasser. Ajins Wohnung befindet sich in einem ruhigen Viertel mit viel Grün und wenig Lärm und ist von hier aus zehn Minuten Fußweg entfernt. Zu Yoongis Pech muss er unter der sengenden Sommerhitze bergauf laufen. In einer Hand hält er das Päckchen und mit der anderen fächelt er seinem Oberkörper mit seinem T-Shirt Luft zu. Es ist ein verzweifelter Versuch dagegen, auf dem Asphalt zu zerfließen wie Butter auf einer warmen Scheibe Toast. Wer kann bei diesem Wetter Tee trinken?, geht es dem Teenager durch den Kopf.

Seelenfrieden | yoonmin || ✓Место, где живут истории. Откройте их для себя