kapitel fünfzehn

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kapitel fünfzehn
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02. Juli

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BBUM-BBUM. Bbum-bbum. Bbum-bbum.

Es funktioniert nicht.

Der Fokus auf seinen Herzschlag vermag es nicht wie sonst immer, seine Nerven und seinen Atem zu beruhigen. Alles ist in der gewohnt leisen U-Bahn, in der ein jeder eingesogen wird von den Dingen, die auf seinem Handydisplay passieren, viel zu laut. Sein Herzschlag. Seine rasenden Gedanken. Die Panik.

Beruhige dich.

Yoongi holt tief Luft. Lockert seine Finger an der Haltestange, an der er angespannt steht. Hält sie wieder fest. Locker. Fest. Locker. Fest. Endlich ertönt über die Lautsprecher die Ohrwurm machende Melodie, auf die er seit Beginn der Fahrt wartet: Sie kündigt an, dass die Bahn halten wird. Die Türen der Glaswand vor dem Bahnsteig öffnen sich, dann endlich auch jene der Bahn und Yoongi springt heraus. Statt wie besessen die Stufen heraus zu rennen, zwingt er sich erneut zur Ruhe. Es gibt keinen Grund zur Panik.

Nur einen ekligen Verdacht, der ungemütlich in seinem Magen wogt.

Yoongis Blick klebt an seinem Handybildschirm, als er in die frische Luft tritt und die Haltestelle hinter sich lässt. Er befindet sich in Seongdong-gu, dem Nachbartadtteil von Gwangjin-gu, und ist hier, weil er sich T-Shirts drucken lassen möchte.

Er folgt den Anweisungen seines Handys, welches ihn durch die ruhigen Straßen zu einer Adresse führt. Jetzt links abbiegen auf die Sangwon-1-gil. Wenn es nach Naver Maps geht, müsste er in etwa vier Minuten bei dem Druckgeschäft ankommen. Yoongi erhöht seine Geschwindigkeit.

Eine unbehagliche Mischung aus Aufregung und Angst rumort in seinem Magen und verschafft ihm Übelkeit. Als hätten die verdorbenen Gimbap-Rollen das nicht schon zur Genüge getan. Panik kannst du dir auch später machen. Geh doch nicht direkt vom Schlimmsten aus, versucht er sich einzureden. Es klappt nicht. Und als er wenig später endlich vor dem Geschäft steht, das entgegen seines kreativen Zweckes den farblosen Namen Druckwelt trägt, hat er ohnehin keine andere Möglichkeit mehr, als einfach seinen Plan zu befolgen. In Nervosität begründetem Schweißausbruch inklusive.

Die Druckwelt befindet sich in einer schmalen Seitenstraße und grenzt an einem heruntergekommenen Convenience-Store auf der einen und einer glänzenden Apotheke auf der anderen Seite. Das verstaubte Schaufenster sieht nicht gerade einladend aus und doch zögert Yoongi keine Sekunde und tritt durch die Eingangstür. Drinnen steht ein älterer Herr mit Geheimratsecken und Zigarette im Mundwinkel hinter einer Theke und blättert in der Zeitung. Extrem erleichtert darüber, dass die auf Naver angegebenen Öffnungszeiten tatsächlich stimmen und der Laden noch geführt wird, kippt Yoongi seinen Oberkörper in eine Verbeugung, die für den Anlass einen Ticken zu tief ist.

»Guten Tag«, begrüßt er den Mann, als er sich wieder aufrichtet. »Ich möchte ein personalisiertes T-Shirt drucken lassen.«

Die Idee ist vielleicht nicht die beste, aber sie müsste reichen, um sich von seinem Verdacht zu befreien. Nämlich, dass Jimin nicht lebt. Nicht da ist, wie es der Jüngere in seinem Traum formuliert hat. Sein Unterbewusstsein realisierte schon längst, was Sache ist, bevor Yoongi es auch nur am Rande seines Gedankentopfs in Betracht zog.

Wie Ahmet Jimins Videoanruf nicht mitbekam, wie Jimin niemanden unter der Notrufnummer erreichen konnte, wie er keine Zahlen hat, die seine verbleibende Lebenszeit verkünden – das alles weist so offensichtlich darauf hin, dass Jimin eine verlorene Seele ist, dass Yoongi sich am liebsten eine reinschlagen wollte, als ihm dieser Gedanke gerade nach langer Betrachtung des funkelnden Hangang kam. Wie konnte ich das nur übersehen?

Seelenfrieden | yoonmin || ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt