Kapitel 6

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Einen Tag nach der Hochzeit

Richtige Kater oder Hangovers habe ich schon lange nicht mehr so richtig und gegen die leichten Kopfschmerzen, die mich plagen, brauche ich nur eine einfache Kopfschmerz Tablette. Ich trag nur nh Badehose, eine Sonnenbrille auf der Nase und ein Handtuch um meinen Schultern, mehr Mühe gebe ich mir heute nicht wirklich. Auf dem Boot sind wir ja eh nur in unserem engen Kreis.

Ashton ist schon in der Küche und trägt etwas mehr als ich. „Wir müssen noch Lyra und James abholen." Ich nicke nur und exe den Espresso, der mir etwas Energie geben soll und mir Ashton schon bereit gestellt hatte.
Gestern Nacht habe ich von Rico geträumt. Nichts neues, aber mit dem Gedanken an das Gespräch von gestern, wirkt es noch intimer als sonst. Ich muss ihn anrufen. Wenn ich Zeit und Ruhe dazu finde, muss ich ihn unbedingt anrufen. „Oh und übrigens Lyra weiß nicht, dass Charles kommt."
Ashton lenkt meine Gedanken wieder in eine andere Richtung. „Du hast sie angelogen?", frage ich zweifelnd nach. Ich glaube nicht, dass Ashton Lyra anlügen würde. Einerseits schätzt er sie viel zu sehr und anderer Seitz kann sie ziemlich stur und nachtragend sein. „Nein, ich erzähle es ihr nur nicht." Unsere Blicke begegnen sich, meine Augenbrauen ziehe ich skeptisch im die Höhe. „Das ist nicht Lügen. Ich würde sie nicht anlügen."
„Und du glaubst, dass kauft sie dir so ab? Warum erzählst du es ihr nicht einfach?" Er seufzt und packt noch drei weitere Wasserflaschen in die Kühltasche. „Weil ich Charles glaube. Er beteuert, Li nicht betrogen zu haben. Aber weder Li noch Lyra wollen was davon hören."

„Und du glaubst ihm?" Ashton muss sich zusammen reißen, nicht mit den Schultern zu zucken. „Ich weiß wie es ist, wenn dir deine Freundin nicht glaubt. Sie soll ihn anhören. Es liegt nicht an mir, zu entscheiden, ob er lügt oder nicht." Ich schnaube leicht belustigt auf. „Nur ist Li weder Charles Freundin, noch war Lyra deine, als sie dich ignoriert hat." Er verdreht still die Augen und greift zur Tasche. „Egal jetzt, bist du fertig?" Ich guck an mir runter. „Oh scheiße, ich hab vergessen meine Beine zu rasieren." Ash schnipst mir gegen die Stirn. „Komm, Dummkopf." Lachend trotte ich ihn hinterher. Da ich nichts höre, weder als ich aufgestanden bin, noch in der Küche, noch auf dem Weg zum Auto, nehme ich mal an, dass Heidi und Dad noch schlafen. Hatte gestern bestimmt ja auch viel zu tun, der Alte. Ich frag mich, wie lang er gestern noch am Saal war.
Auf der Fahrt füllt Musik die Stille. Wir müssen nicht mal auf den Parkplatz fahren. Lyra und James stehen schon vor dem Tor. Lyra in einem schwarzen Strandkleid und James mit Badehose und Shirt. Dass die beiden Geschwister sind erkennt man trotz ihres Aussehens sofort. Haltung, Größe, Mimik, Gestik. Manchmal ist es fast schon gruselig, wie sie eine kleine Kopie von ihm ist.
Lyra reißt die Hintertür auf und schmeißt sich mit einem Rucksack auf den Sitz. „Lyra!", ruft James grummelnd hinterher. „Halt den Mund, jetzt.", motzt sie zurück. Ashton guckt durch den Rückspiegel zu seiner Freundin, ich dreh mich um. „Warum so gut gelaunt?", fragt Ich neckend. „Frag den da! Der geht mir schon den ganzen Morgen auf die Eierstöcke."

„Ich kümmre mich um dich!", entgegnet James sofort und steigt ein. „Oh bitte! Du nervst!" Er schnaubt auf und zieht die Tür laut zu. Dann wirft er ihr was auf den Schoß. Als Ashton das sieht, dreht er sich auch um. „Lyra", sagt er genauso warnend. Die stöhnt genervt auf und versinkt im Sitz. „Lyra", äfft sie nach. „Das wird interessant.", murmle ich freudig. Ein Streit mit Lyra ist immer Entertainment, außer man selbst ist es, der Streit mit ihr hat. „Fahr los." Sie tritt gegen Ashtons Sitz. „Machs dran, dann fahr ich los." Genervtes Stöhnen ihrer Seitz. „Ich bin kein Kind! Ich weiß was ich tue!"
„Warum machst du immer so Theater?", fragt James grade, als mein Handy vibriert. Die Drei werden eh noch ein bisschen streiten, also gucke ich schnell auf meinen Handy Bildschirm. Mein Herz schlägt sofort schneller und ich kann mir das kleine Lächeln nicht verkneifen, als Ricos Name aufleuchtet. Die Nachricht selbst löscht das Lächeln aus.

Rico: Wir fahren übermorgen nach Castrojeriz. Für die Beerdigung.

Castrojeriz ist das kleine Dorf in Spanien, aus dem Rico und seine Familie kommen. Er hat mir schon oft davon erzählt. Wie schön es dort sei. Dabei weiß Rico gar nicht mehr soviel von dem Dorf. Er war das letzte Mal mit 11 da.

Edmond: Wann wirst du zurück sein?

Rico: Ich weiß es nicht. Meine Mutter ist am Boden. Sie will dort bleiben.

Bleiben... Sofort kriecht Angst in mir hoch. Verlustängste. Nichts Neues für mich. Ich hing an meiner Mutter, ein richtiges Muttersöhnchen. Ich hänge an meinem Bruder, aber Rico, das ist was anderes. Etwas was mir Panik macht. Richtig echte Panik, das ich ihn verliere. Dabei hat er nur Vier Wörter geschrieben.

Edmond: Was meinst du mit bleiben? Du gehst hier doch zum College? Deine Mutter arbeitet hier?

Rico: Ich weiß. Ich rede mit ihr. Sie ist einfach aufgelöst. Ich will nicht weg.

Edmond: Schreib mir, wenn ihr losfahrt und ankommt.

Rico: Werde ich.

Edmond: Nochmal mein Beileid, sie war eine wunderbare Frau.

Rico: Danke X
Pass auf dich auf, Edi.

Ich schalte das Handy aus und lasse meinen Kopf gegen die Kopfstütze fallen. Das kann nicht sein.
Gestern war ein scheiß Tag. Ein Tag einer zu. scheitern verurteilten Ehe und gleichzeitig ein Rückschlag in meinem Liebesleben. Nennen wir es einfach mal so. Erst das mit Chaya und dann jetzt auch noch das. Rico kann mir grade gar nicht näher kommen, im Gegenteil, er muss sich entfernen. Ich kann von ihm nicht verlangen hier zu bleiben. Kann ich nicht.

„Jetzt fahr doch endlich.", meckere ich Ashton an. Meine Stimmung ist im Keller. „Ja, fahr!", ordnet Lyra an. „Lyra, jetzt hör endlich auf mit dem Scheiß! Mach die scheiß Pumpe ran und hör auf mit dem Kinderscheiß!" Sechs große Augen liegen auf mir, aber noch kommen keine Schuldgefühle hoch, das kommt erst später. „Alles klar?" Ashtons Stimme hilft mir grade so Null. „Jetzt fahr einfach, sie stirbt schon nicht."

„Edmond", zischt er, fährt aber nach meiner Ignoranz tatsächlich los. Dieses Mal füllt die Musik eine unangenehme Stille.
Lyras Laune bessert sich nicht grade, als sie Charles Auto am Hafenparkplatz entdeckt. Li scheint noch nicht da zu sein. „Was macht der denn hier?", fragt sie herablassend, bevor wir geparkt haben. Ashton spannt sich etwas an. „Er kommt mit aufs Meer."

„Was?! Warum weiß ich davon nichts? Weiß Li davon?" Sie öffnet die Tür und stapft raus, bevor Ash ihr überhaupt antworten könnte. Ashton geht ihr so schnell er kann hinterher. Ich trotte ihnen eher hinterher. Meine schlechte Laune zieht mich immer weiter runter. Ich muss unbedingt gleich eine rauchen.
Die Situation wird noch lauter, als Lis Cabrio parkt. Sie trägt einen großen Sonnenhut, Sonnenbrille und weißen Rock. Sie erinnert mich an eine dieser reichen Frauen auf den Yachten auf Zeitschriften.
„Was macht der Dreckssack hier?!", ruft sie fragend über den Parkplatz hinweg. Sofort wirkt sie eher wie eine laute Mutter, die ihr Lind anschreit.
„Ich werd mit dir auf diesem Boot sein. Den ganzen lieben langen Tag.", grinst Charles. Li könnte nicht roter vor Wut werden. „Was soll das, Archer?!"
„Ja, was soll das?", flüstere ich. Das Drama hätte mir eigentlich die Laune bessern sollen, grade passiert aber eher das Gegenteil. Ich habe auch schon ohne die genug Kopfschmerzen. „Ich finde wir sind alle alt genug, um mit einander auszukommen.", erklärt Ashton ruhig. Lyra steht mit verschränkten Armen vor ihm. „Mit einem Betrüger.", schnalzt Li scharf. „Ich habe dich nicht betrogen. Das ist ein Missverständnis, Babe.", kommt es von Charles sofort. „Halt den Mund!" Kurz sind alle Streithähne still.
Lis Seufzen unterbricht die Stille.

„Schön, wir gehen auf diese Yacht, aber damit das klar ist. Wenn Charles mich weiter nervt, kommen wir hier mit einem Passagier weniger wieder an." Das ist der Startschuss. Endlich können wir in Richtung Yacht laufen. Ich hinten her. Lyra lässt sich zwar grade einen Kuss von Ashton geben, sieht aber nicht sonderlich glücklich aus, genauso wenig, wie Li, James oder ich. Wenn das nicht mal ein genialer Tag wird.

Hey,
Tut mir leid für die lange Pause. Ich hoffe, dass ich in den nächsten Wochen nicht allzu viel Stress habe und wieder regelmäßiger schreiben kann.
Eure Sofie

;)

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