Kapitel 26

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Mir strömen Tränen über das Gesicht, während ich meine Stimme mit seinem Namen weg schreie und vergeblich versuche mich in die Nähe des in Flammen stehenden Auto zu ziehen.

Edmond

Scheiße. Scheiße. Scheiße. Das einzige Wort, das mir durch den Kopf geht, zusammen mit Ricos Worten, die da oben ebenfalls festsitzen. Ich kram noch nach dem Handy, als ich plötzlich Feuer rieche. Genau in den Moment, wo mich Lyras panische Schreie erreichen, fasse ich das Handy, das zwischen Sitz und Tür klemmt. Mit dem Handy in der Hosentasche, klettere ich nicht wieder zurück zur Tür, sondern zur Frontscheibe, die völlig, weggesprengt ist. Und genau dann, als ich grade heraus klettern will, passiert es. Es knallt und ich werde zusammen mit Hitze und Flammen nach vorne geschleudert.

Ich komme hart mit dem Bauch und Gesicht auf dem Asphaltboden auf. Das erste was ich schmecke ist Blut, das ich sofort auf den Boden vor mir spucke. Meine Hände sind vom harten Aufprall völlig aufgeschürft, meine eine Gesichtshälfte will ich mir gar nicht vorstellen und auch meine Knie haben ziemlich was abgekriegt. Doch obwohl jede Faser meines Körpers schreit, dass ich einfach liegen bleiben soll, treibt mich eines Weiter. Der Gedanke an Lyra und Ricos Worte. Wie sie dank mir blutend mitten in der Dunkelheit auf einer Straße liegt und dann immer wieder Du musst besser sein.

Ich hatte heute schon die Chance besser zu sein und noch mehr hätte ich nicht versagen könnten, doch das hier muss ich noch schaffen. Ich muss es noch schaffen, das was ich falsch gemacht habe, nur ansatzweise wieder zu retten. Was ist wenn die Explosion auch Lyra getroffen hat? Was wenn sie zu nah am Auto war? Verdammt. Ich drücke mich unter Scherzen wieder auf und versuche mich etwas zu orientieren. Plötzlich klingelt das Handy. Als ich auf den Bildschirm gucke, ist es Ashtons Name, der da leuchtet. Als ich wegdrücke sehe ich die Anruferliste. Er hat schon ganze 20 Mal angerufen. Sie muss ihn im Auto angerufen haben. Sobald ich aufgelegt habe, erscheint der Name auch schon wieder. Ich drücke wieder weg und will endlich 911 wählen, da ruft er schon wieder an. Nach diesem Mal schaffe ich es dann endlich.

„Notruf, was ist ihr Notfall?" Ich rapple mich unter Stöhnen auf und humple so schnell ich kann in Richtung Flammen. „Ich brauche Hilfe, ein Autounfall in..." Fuck, wo sind wir eigentlich?! Ich versuche mich an die Straße zu erinnern, die mir Ferrenz geschickt hat. „Sir, ich brauche eine Adresse."
„Die Hauptstraße in der Nähe der 19. Straße. Sie müssen sich beeilen. Meine Freundin, sie... sie ist schwer verletzt und ich weiß nicht.... was ich tun soll..."

„Sir bleiben Sei ruhig, ein Krankenwagen ist unterwegs. Wie heißen Sie? Sind Sie auch verletzt?"
„Edmond Archer und ja, aber nicht schwer, aber Lyra sie... bitte..."
„Bleiben sie dran..." Weiter höre ich nicht, weil ich Lyra sehen kann und das Handy wieder in die Hosentasche stecke. Als ich sie sehe, kann ich wieder etwas schneller rennen. Sie liegt auf de Seite und mein Shirt um ihren Bein hat wohl nicht gereicht, denn unter ihr hat sich eine ziemliche Pfütze gesammelt. Als ich bei ihr bin, falle ich sofort auf die Knie und übe Druck auf die Wunde aus. „Hilfe ist unterwegs, Lyra. Keine Sorge. Sie kommen."

„Oh Gott, du lebst.", murmelt sie viel zu leise und mit viel zu wenig Kraft. „Ich lebe und du auch, Lyra, bleib einfach wach, dann ist alles gut. Es wird alles gut."

„Edmond?" Mir schießen die Tränen in die Augen, als sie mit offensichtlich viel Mühe zu mir runter guckt und ich sehen kann, wie der Dreck in Form von Tränen weggewischt wurde. „Rede nicht so viel.", zische ich zittrig zurück. „Ed, wenn... wenn jemand fragt-" Sie atmet zischend ein, als ich wieder etwas fester drücke. „Wenn jemand fragt... ich bin gefahren." Ich starre erschrocken zu ihr. Zu überwältigt, um was zu sagen. „Was redest du denn da?", flüstere ich fragend zurück. „Ich will nicht, dass du weg musst... ich bin gefahren... ich hab den Unfall gebaut." Da rollt mir doch eine Träne über die Wange und als sie lächelt, noch viele mehrere. „Nein, Lyra..."
„Doch, sag, ich bin gefahren... bitte, Ed." Ich schüttle den Kopf und schmecke Salz mit Blut vermischt. „Ein Gefallen, Ed." Ich will weiter protestieren, doch dann schallen die Sirenen zu uns. „Sie sind da, es wird alles gut!", rufe ich viel zu übereifrig aus, denn als ich mich von den blauen Lichtern wegdrehe und zu Lyra gucke, sind ihr die Augen schon zugefallen. „Lyra?" Keine Antwort. „Lyra?" Noch immer keine Antwort. „Lyra! Lyra, wach auf!" Ich höre Bremsen, aber keine Antwort. „Lyra, antworte mir!" Schreiend und weinend drücke ich auf die Wunde, bis sich zwei Hände auf meine Schultern legen und mich von Lyra weg ziehen. „Wie übernehmen jetzt, Junge."

„Nein! Nein! Lyra!" Der Mann hinter mir muss mich wirklich von Lyra wegzerren, doch ich kann mich befreien, werde dann aber, dieses Mal von Zwei Männern, wieder aufgehalten und zurück gehalten. „Man kümmert sich jetzt um sie. Kommen Sie mit." Man bringt mich zu einem der beiden Krankenwagen, die zusammen mit einem Streifenwagen hier angekommen sind. Als ich grade auf der Liege abgesetzt werde, klingelt wieder, das Handy und trotz des Protestes der Sanitäter, gehe ich ran. „Lyra? Was war los?"

„Ich hab's verkackt.", spreche ich in den Hörer. „Edmond?" Die Stimme meines Bruder sorgt nur für noch mehr Tränen. „Ich wollte das nicht. Es tut mir so leid."
„Edmond, was ist passiert?!"
„Ich wusste doch nicht, dass es dazu kommen wird, Ash. Es tut mir so leid!"
„Edmond, bitte, sag mir, was passiert ist." Ich schlucke. Noch einmal ruf ich mir alles in den Kopf. Sag, dass ich gefahren bin. Ich bin gefahren. Ich bin gefahren. Lyra ist gefahren.

Es wäre so einfach. Ich wäre einfach raus aus dem Schneider...

Du musst besser sein, Edmond!

„Ich habe einen Unfall gebaut."
„Was?! Bist du verletzt? Wo bist du? Warum... warum hast du Lyras Handy?" Ich wische über die Wange und schlag unsanft die hat des Sanitäters weg, der mir das Handy wegnehmen will. „Sie ist verletzt. Ich... ich hab versucht die Blutung zu stoppen, aber..."

„Unsere Männer kümmern sich um sie.", spricht mir einer der Männer dazwischen. Dann schafft es einer mir das Handy weg zu nehmen. Man hört noch Ashton, wie er mich durch den Hörer schreiend Sachen fragt und er, wie die Sanitäter mich fragen, ob ich was getrunken hätte. Und ich antworte halbehrlich „Nein".

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Von mir wurde erstaunlich schnell abgelassen. Die Drogen sind noch immer in meinem Blut, aber man hat mein Verhalten auf das Adrenalin zurückgeführt und da ich tatsächlich nur ein Bier hatte, wurde bei dem Promille Test auch ein normales Ergebnis angezeigt. Es ist ein Wunder, das meine Augen niemanden auffallen, aber nachdem mein Körper einmal abgecheckt wurde und der Arzt mir bekannt gegeben hat, dass es nur oberflächliche Wunden waren, war er auch schon wieder weg. „Ist heute viel los.", meinte eine Schwester.

Dann musste ich warten, was das schlimmste von allen war. Nach Zwanzig Minuten tauchten unsere Väter auf, beide wütend und besorgt zu gleich, aber keiner hat weiter gefragt, bis dann die Ärztin kam, die Lyra operierte hat. „Das Glas hat eine Arterie getroffen, sie hat viel Blut verloren, ist aber wieder stabil und wird gesund. Das Bein könnte ihr in Zukunft Probleme machen, das müssen wir dann sehen, wenn es so weit ist. Sie ist bereits im Aufwachraum, Mister Connors, Sie können bereits zu ihr." Mir fällt ein solcher Stein vom Herzen, dass mir wirklich einmal kurz schwindelig wird.
Robin bedankt sich und wendet sich dann mir zu. „Bevor ich da rein gehe, Edmond. Sag mir genau was passiert ist. Ich will wissen, wer diesen Wagen gefahren ist."

„Ich, ich bin den Wagen gefahren, Sir. Ich... ich habe den Unfall gebaut. Es ist meine Schuld allein meine." Robin nickt, presst die Lippen zur einer Linie zusammen und geht einen Schritt nach hinten. „Ich werde keine Polizei einschalten." Ich nicke dankend. „Und jetzt verschwinde. Du hast hier nichts mehr zu suchen." Ich nicke wieder nur. „Ich verstehe." Und ich tue es wirklich.

Mit dem heutigem Tag, hab ich mir alles kaputt gemacht, was ich mir mühevoll aufgebaut hatte.

Nur ein Junge | ✔️Where stories live. Discover now