Kapitel 9

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Der Tag auf der Yacht

Das Rumalbern mit meinem Bruder und unseren Freunden lenkt mich schon eine ganze Weile ab. Auch auf das Spielen mit Lyra gleich danach freue ich mich. Sie ist wirklich gesprächig, wenn sie will. Sie und Ashton haben sich vor einer halben Stunde verzogen. Ganz unauffällig natürlich. Leider sind die Wände eines solchen Bootes wirklich wie aus Papier und wir alle haben ganz genau gehört, als irgendwas auf den Boden geplumpst ist und Lyra daraufhin laut gelacht hat. "Ich muss schon sagen, du bist ausgezeichnet darin, zu ignorieren, was die beiden treiben.", lobe ich James ganz höflich, der mir sofort eine Schelle auf den Hinterkopf gibt. "Halt den Mund, Edmond.", brummt er mürrisch. "Ich sag's ja nur."

"Ich stimme James zu. Halt den Mund.", meint Li solidarisch. Bei ihr kann ich es ja auch verstehen. Sie ist ja sowas wie Lyras beste und vielleicht sogar einzige Freundin. Da nimmt sie sie sofort in Schutz, was auch überhaupt nicht falsch ist. Mir wird beinahe schlecht, wenn ich daran denke, wie grausam und gemein die Schüler der West Angels High Lyra zu Beginn behandelt haben und selbst jetzt, wo sie zu uns und Ashton gehört und sich schon mehr als einmal allein bewiesen hat, gibt es noch immer Schüler, die sie einfach nicht akzeptieren wollen. Total albern das Ganze. Einer meinte Mal, dass sie dem Ruf der Schule schaden würde, weil ja sonst nur reiche und gut erzogene Schüler die Schule besuchen. Ich wollte fast laut los lachen. Fast die Hälfte unserer Schule feiert wöchentlich, selbst unter Woche, vom Drogen und Alkohol Konsum, der beide Male illegal ist, abgesehen. Bei ihnen wird es einfach nicht großgeredet. Und zu der ganzen Sache mit Moral, Strippen und Sex. Es vergeht kein Schuljahr, in dem keine Beziehung zerbricht, weil einer fremdgegangen ist oder irgendwelche Nacktbilder geleakt werden. Und ein Beispiel sitzt hier grad direkt gegen über von mir. Ich frag mich wirklich, ob Charles Li betrogen hat. Vorstellen kann ich es mir, genau so gut, wie ich ihm glauben will. Lyra hat mir ein bisschen davon erzählt auf der Hochzeit. Li hat von Abby, dass Charles sich wohl auf dem Klo hat einen blasen lassen. Von wem wusste sie nicht. Ich musste nicht nachfragen, warum Abby davon wusste. Sie war schon mit mir oft genug auf dem Jungsklo zugange und ich wage es nicht zu bezweifeln, dass ich nicht der einzige bin. Charles hingegen will davon nichts wissen. Er schwört, dass er brav war. An Lis Stelle würd ich auf mehr Beweise warten. Abby ist nh Tratschtante und mehr Indizien außer ihre Aussage gibt es nicht. Ist ja nicht s, dass sich Jungs Stimmen mal ähneln oder so.  Wie Rico wohl darüber denken würde, dass ich auf der Hochzeit meines Vaters das Mädchen gevögelt hab, was Lyra abgrundtief hasst und eigentlich nur auf meinen Bruder steht? Irgendwie hoffe ich, dass er es herausfindet. Hoffe, dass er eifersüchtig wird. Dann wüsste ich wenigstens, dass es ihm genauso geht wie mir. Aber er hat im Moment eh genug um die Ohren. Außerdem sind wir uns einander zu nicht verpflichtet. Unsere Dreier Maschen an den Clubabenden waren immer nur aus Spaß und ganz unverbindlich. Doch für mich war es irgendwann nicht mehr einfach nur ein Dreier. Für mich wurde dieser Sex irgendwann unglaublich wichtig. Ich hab mir lang eingeredet, dass das Erlebnis an sich einfach immer total fantastisch war, dabei war der Sex selbst manchmal echt öde. Nein, es war er. Die ganze Zeit. Wir hätten genauso gut an den Abenden ins Kino gehen können oder uns auf nh Tasse Tee treffen. Es wäre mir genauso wichtig gewesen. Wegen ihm.

Das Kichern von Lyra schallt durch den engen Flur, der zu den wenigen Schlafkabinen führt, die die Yacht besitzt. Sofort spitzen wir alle Vier die Ohren. Die anderen Drei besitze wenigstens den Anstand den Blick abzuwenden, als das Turtelpaar auftaucht. Ich hingegen erhebe mich mit einem Seufzer und schlendere mit dem Kartendeck in meinen Händen zum Tisch. "Pause hattest du ja jetzt genug. Auch wenn du etwas erschöpft aussiehst." Lyra lässt sich nicht allzu sehr aus der Fassung bringen, grinst einfach mit roten Wangen und setzt sich vor mich. "Ich bin wie neu."

"Das werden wir ja jetzt sehen." Heute schafft sie es noch nicht mich zu besiegen, was besser so ist, denn ihre Fragen will ich nicht unbedingt ehrlich beantworten.

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