Kapitel 11

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Tag der Babyparty

Ein bisschen brummt mir der Kopf schon, aber tausend mal schlimmer sind die ganzen Gäste in unserem Garten, die nur darauf warten, dass Heidi endlich das Geschlecht des Kindes bekannt gibt. Mit versetzt der Gedanke daran einfach nur einen Schwung der Übelkeit. Mit dem heutigen Tag weiß es jeder. Jeder der hier Anwesenden weiß, das Heidi schwanger ist von meinem Vater. Ein weiterer Erbe. Ein weiteres Geschwisterkind. Ein weiteres Problem.
Irgendein Teil von mir hofft, dass es ein Mädchen wird, denn mit diesem würde ich eh nichts zu tun haben. Venlope wird es vollkommen in Anspruch nehmen. Außerdem glaube ich, dass es mir einfacher fallen würde zu einer Schwester nett zu sein. Doch selbst diese Hoffnung zerplatzt mit dem Luftballon, als die blauen Konfetti Stückchen auf den Boden rieseln. Währen andere jubeln und klatschen, sich Familie ind Freunde auf den Weg zu dem Paar machen, um zu gratulieren und Lyra Ashtons Hand hält, kippe ich mir den Sekt aus meinen Glas die Kehle runter. Schlimmer kann dieser Tag nicht werden.

Aber selbst da hat mein Leben einen anderen Plan. Eine gute Stunde später, kann ich Lyra grade so noch davon abhalten ihren Bruder beim Sex mit Dilara zu erwischen. Der sollte echt mehr aufpassen. Ja klar, ich benehme mich auch nicht grade diskret was das angeht, aber wegen der Geschichte mit Dilara sollte James wohl wissen mehr aufzupassen. Sollte man meinen. Aus irgendeinem Grund traf es James mit den Nacktfotos und der Erpressung und nicht mich.
Seine Beziehung mit Cleo. Cleo Irving und er meinten es glaube ich wirklich ernst. Sie waren fast ganze Vier Monate zusammen. Sie waren zwar nicht ständig zusammen, wie Ashton und Lyra, was wohl daran lag, dass die beiden keine Nachbarn waren und ihre Eltern nicht beste Freunde, aber sie haben eine stabile Beziehung geführt. Eine Beziehung, die dank Ven in die Brüche ging. Wegen ein paar bescheuerten Fotos, die Ven auf irgendeiner Party gemacht hat. Seit dem hat er nie wieder auf einer Party was gerissen. Zu viele Ecken in denen Jemand mit einem Handy warten könnte. Lyra weiß es jetzt auch, wie Jamie das ganze findet, weiß ich echt nicht. Er ist ein sehr diskreter Typ, aber besser die Wahrheit als irgendeine dumme Ausrede, die Lyra eh irgendwann durchschaut hätte. Bei ihrem IQ

Sie hatte schon vor heute eine Ahnung, dass James was am stecken hat, aber das. Ich glaube bei allen Göttern nicht, dass sie das erwartet hatte.

Wir sitzen noch nach der Feier eine Weile zusammen mit meinem Onkel und Tante, aber mich lenkt etwas anderes völlig ab. Ricos Nachrichten.

Wie geht's? , schreibt er zum Einstieg.
Gut, dir?
Hast du was vor heute?

Alles gut. Nein, wollen wir uns im Club treffen?
Der Gedanke ihn im Club tanzen zu sehen, bringt mich zum lächeln. Den Gedanken, dass ich ihn mir wieder mit einem fremden Mädchen teilen muss hingegen überhaupt nicht.

Lass uns was trinken gehen.

In einer Stunde. Ich hol dich ab.
Er holt mich ab. Mit seinem kleinem, roten Schrottauto, welches ich in den letzten Wochen richtig gelernt habe zu mögen. Mit einer schönen Aussicht für heute, lehne ich mich zurück und lausche den belanglosen Gesprächen der Personen um mich herum.

Eine Stunde später sitze ich wie vor ein paar Wochen mit ihm an der Bar. Unterhalten uns über seine und meine Familie und seine und meine Pläne. Ganz normale Gespräche und doch ist das alles für mich irgendwie neu. Einer Person einfach zu sagen, was ich denke, wie ich fühle und ihr alles über mich zu erzählen, als wäre es nichts, ist es etwas, was ich noch nie getan habe. Ich bin ein offener Mensch, aber nur mit den Dingen, die mir nicht sehr am Herzen liegen. Ob dieser strahlende Junge mit dem Softdrink weiß, wie wichtig er mir in dieser kurzen Zeit geworden ist?
„Das reicht.", sagt er strenger, als ich ein neues Bier bestellen will. Ich ziehe amüsiert die Brauen hoch. „Du sagst mir, wann es reicht?" Er nickt und bestellt zwei Fantas. „Ja, jetzt. Ich will dich nicht schon wieder betrunken Zuhause absetzen. Einmal ist genug."

„Einmal ist Keinmal.", albere ich. „Ich meine es ernst. Du kannst deine Sorgen nicht im Alkohol ersaufen lassen. Auch nicht in anderen Drogen. Lass uns nach Hause gehen." Ich seufze schwer. Zuhause ist Heidi und bestimmt noch Familie, die laut redet und lachend im Wohnzimmer hockt. „Ich will nicht.", murmle ich. „Zu mir nach Hause." Noch nie hat er mich eingeladen. Wie waren immer bei mir, noch nie bei ihm. „In Ordnung."

Ricos Zuhause ist ein kleines Apartment etwas weiter am Ende der Stadt. Keine Ahnung warum ich dachte, dass er bei seinen Eltern leben würde. Er verdient grade genug, um sich diese Einzimmerwohnung, das Auto und das College zu leisten. Mit Kredit natürlich. Sein Engagement und seine mühevolle Arbeit beeindruckt mich. „Eine schöne Wohnung." Es stimmt. Die Wohnung ist vielleicht nichts besonderes, nicht groß, nicht teuer, aber es ist seins. „Danke. Mach es dir gemütlich. Mach irgendwas an. Ich hol uns was zu trinken."

„Mach ich!", rufe ich ihm hinterer und werde mich über die Lehne auf das Sofa. Gemütlich ist es hier. Ich schnappe mir die Fernbedienung und mache irgendeine dumme Serie auf Netflix an, die ich vor zwei Wochen mal angefangen habe. Ich lasse meinen Blick durch den Raum schweifen. Hier stehen tatsächlich ein paar Fotos von ihm und seiner Familie. Eine gebräunte Frau, die seine Mutter sein muss. Sie haben die gleichen vollen, rosa Lippen und das gleiche schmale Gesicht. Auf einem anderen Bild sieht man ihn neben einem kleinem Mädchen. Zwei Zöpfe, die ihre Locken eindämmen. Sie ist geht ihm grade mal bis zum Oberschenkel. Dabei ist Rico gar nicht so groß. Ist sie seine Schwester? Der einfach nur irgendeine Cousine?
Doch das Bild, welches meine Aufmerksamkeit am meisten erregt, ist das Foto, auf dem eine Frau mit einem Kuchen steht, den sie stolz in die Kamera zeigt. Diese Frau habe ich schonmal irgendwo gesehen. Ganz sicher, mir kommt nur nicht in den Kopf, wo.

„Habs!" Rico kommt zurück und stellt vor mir auf den Beistelltisch ein Tablett mit einer Schüssel Chips und Cola. Zwei alkoholfreie Biere sind auch dabei. Dann setzt er sich neben mich. Es ist wie immer, aber irgendwie auch nicht. Wir führen genauso lockere Gespräche wie sonst. Hören einander genauso zu, wie vorher. Aber es fühlt sich noch intimer an als sonst. Wie wir hier zu zweit in seinem Wohnzimmer sitzen. Nur wir. In seinen Vier Wänden.
Als die dritte Folge beginnt, räuspert sich Rico. Wir beide haben die letzte Zeit eher geschwiegen, um zu gucken, dabei konnte ich mich kaum auf die Serie konzentrieren. Das einzige was ich bemerkt habe, waren seine ruhigen Atemzüge. Seine angenehme Wärme. Sein herrlicher Duft. Nur ihn.

Ganz unauffällig versuche ich mich etwas zu ihm zu lehnen. Statt zurückzuweichen oder etwas zu sagen, legt er einen Arm hinter mich. Ein billiger Trick. Aber es ist ein Anfang.
Es dauert noch eine ganze weitere Folge, bis ich mich traue einen Schritt weiter zu gehen. Ich winkle mein Bein an, sodass mein Schenkel seinen streift. Eine belanglose Berührung, so sollte es zumindest sein, aber stattdessen schlägt mein Herz augenblicklich schneller. Ich atme leicht zittrig ein. Als seine Hand auf meinem Knie landet, zucke ich leicht zusammen. Er zeiht aber nicht weg. „Willst du heut hier übernachten?" Für seine Frage dreht er sich sogar wieder zu mir. Lieber Gott, diese Augen. „Ja", krächze ich leise. Er ist ein Idiot, wenn er nicht bemerkt, was er hier grade mit mir macht.
Aber was mache ich hier?! Was wird man über mich sagen? Ist das wirklich wahr? Kann es sein, dass ich einen Jungen mag. Auf diese Weise, wie es bis jetzt nur bei Mädchen war. Die Antwort sehe ich in seinen Augen. Ja. Ein klares Ja. Doch dann fressen sich Zweifel wieder hoch. Ein Junge. Ich sitze hier mit einen Jungen. Ashton und Charles würden sich bestimmt das Maul zerreißen.
„Ich... ich kann nicht." Beim Aufstehen rutscht seine Hand von meinem Bein. „Ich kann nicht hier schlafen." Und ich kann nicht mit die sein! Weil es mich verrückt macht, Rico! Weil ich mich nicht zusammenreißen kann, wenn du in meiner Nähe bist, aber ich muss. Ich sammle meine Sachen ein. Ich bin schon bei der Tür. Wäre fast gegangen, ohne mich noch einmal umzudrehen. Doch er hält mich mit seiner Hand an meinem Unterarm grade so noch auf. „Ist okay, Ed."

„Tschüss, Rico. Schlaf gut."

Ich eile die Treppen runter. Und laufe den ganzen Weg nach Hause zu Fuß. Sechs Zigaretten rauche ich auf dem Weg, aber zu meiner eigenen Überraschung, nehme ich in meinem Zimmer nichts weiteres zu mir. Kein Gras, keine Pille, rein gar nichts.
Dieser Junge... ich habe keine Ahnung was er mit mir macht.

Nur ein Junge | ✔️Where stories live. Discover now