Kapitel 22

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Am Montag lasse ich mich nicht mehr blicken, Dienstag hingegen gehe ich sogar wieder zur Schule. Ich nutze die Stunden eigentlich nur dazu, um Lyra vergeblich wie ein Hund hinterher zu rennen, aber verdamm das Mädchen ist stur. Ich kriege nur die kalte Schulter und eiserne Blicke. Ashton scheint damit mehr als zufrieden zu sein, wenigstens kann der mit mir reden. „Da musst du ein bisschen mehr machen, als hinterher zu laufen.", bemerkt er mit einem ekligen fröhlichen Lächeln. Ich hätt ihm das am liebsten abgeklebt. Doch was fast genauso albern und nervig ist, sind Charles Gedanken zu Li. Der Junge redet von nichts anderem mehr. „Ich verstehe sie nicht.", „Was hat das zu bedeuten?", „Sie hat mich doch geküsst.", den ganzen Tag geht das so und alle anderen Tag davor auch. Und. Es. Nervt.

Keine Ahnung, du Held, aber ich hab eine Idee, frag sich doch einfach! Doch ein weiterer Streit mit jemanden fehlt mir grade noch, also sitz ich nur daneben und lasse so hilfreiche und tiefgängige Kommentare wie, „Keine Ahnung, Mädchen halt.", „Ist ihre Sache.", „Die weiß selbst nicht was die will.", von mir, mit denen sich Charles zufrieden geben muss.

Erst als ich Zuhause bin, weiß ich, wie ich die Sache mit Lyra wahrscheinlich wieder retten kann. Sie ist grade bei Ashton, denn der ist ab morgen mit James und Charles weg. Die drei haben alle ein Angebot von den gleichen, sehr guten College bekommen und dürfen sich für die nächsten Tage dort einmal umsehen, dafür werden sie sogar vom Unterricht freigestellt. Und die beiden Verrückten, die ohne einander gefühlt nicht eine Sekunde können, müssen da natürlich die letzten Stunden mit einander genießen.

Ohne Klopfen platze ich in Ashtons Zimmer rein, nicht weil ich was sehen will, in der Tat schließe ich die Augen, wenn ich so hereinplatze, sondern einfach nur um sie zu ärgern. Dabei regt sich Lyra um einiges mehr auf als Ashton. „Mann Edmond! Klopf endlich!", schreit sie, aber da Ashton sich keine Mühe gibt, was zu sagen, kann ich bedenkenlos die Augen öffnen. Lyra hat völlig zerzaustes Haar und sitzt kerzengrade auf Ashtons Schenkeln. Der liegt hingegen ganz entspannt auf dem Rücken und reibt sich über die Augen. „Komm, wir müssen Poker spielen." Ashton guckt mit großen Augen zu mir. „Aber doch nicht jetzt?!", protestiert er laut. Zu meiner Freude, springt Lyra schon von Ashton und ist dabei sich die Haar zu zu binden. „Doch, Ash, jetzt, das ist sehr wichtig.", erwidert Lyra für mich und hopst neben mich. „Ich bin gleich wieder da, ich muss nur eben deinen Bruder verlieren sehen." Ich verdrehe die Augen, „Jaja, klar, du musst mich verlieren sehen und nicht andersrum." Sie nickt eifrig und wir verschwinden beide ein meinem Zimmer, wo ich bereits alles vorbereitet habe.

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„Scheiße, wie hast du das denn geschafft?" Ich gucke völlig baff auf die Karten, die sie grad abgelegt hat. „Wüsstest du wohl gern, nh." Ja und ob. Nach so vielen Niederlagen, hat es Lyra tatsächlich geschafft zu gewinnen. Während ich noch dabei bin die Niederlage zu verarbeiten, ist sie schon beim nächsten Punkt angelangt. „Also, meine Frage..."
„Warte, sag mir erst, wer dir das beigebracht hat."
„Ich denke doch mal du, Ed. Ich hab von dir gelernt... naja, und es wurde schnell ziemlich einfach, als ich gecheckt habe, dass Poker eigentlich nur pures Mathe ist." Natürlich ist es das...

„Also, zur Frage..." Ich hebe meinen Blick wieder und mache mich auf eine viel zu dumme Frage gefasst. „Hast du eine Freundin?" Erst werde ich nervös, doch dann kann ich mich wieder entspannen und gelassen, „Nein, ich habe keine Freundin.", antworten. Hätte sie diese Frage nur etwas anders gefragt, wie „Bist du in einer Beziehung?", wäre ich am Arsch gewesen, aber so... so musste ich ja nicht mal lügen, um Rico als Geheimnis zu behalten.

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„Können wir nicht zu dir?" Mir fehlen beinahe einen Moment die Worte, als Rico mich das am Telefon fragt. „Ich meine, wir waren ja schon öfters bei dir-"
„Ja, aber, da war das was anderes-"
„Warum, Ed? Weil da ein Mädchen dabei war?" Ja! „Nein, es ist nur... da waren wir noch nicht zusammen. Da hast du noch nicht bei mir übernachtet oder so, weißt du, was ich meine?" Ich höre sein enttäuschts Ausatmen. „Nein, weiß ich nicht, Ed. Wo ist denn das Problem? Dein Bruder ist weg, also wird sich Lyra auch nicht herum treiben, du meintest, dass Heidi eh nie oben ist, besonders weil sie dicke Knöchel wegen der Schwangerschaft hat, Ven pennt bei Chaya und dein Vater war wahrscheinlich seit Jahren nicht mehr in deinem Zimmer.... traut der sich wahrscheinlich auch  gar nicht." Über den Kommentar muss ich tatsächlich etwas lachen. Doch dann seufze ich ziemlich schnell wieder.

Nur ein Junge | ✔️Donde viven las historias. Descúbrelo ahora