3| Louis

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„Gerufen also?"

„Louis, hey.", langsam öffne ich die Augen und zucke zusammen, als plötzlich jemand neben mir hockt. „Wie geht es ihr?", frage ich sofort, als ich merke, dass es einer der Pfleger ist. „Sie lebt, aber sie ist intubiert worden." Ich nicke und reibe mir die Augen. „Kann ich zu ihr?" Er nickt und geht auf Seite, sodass ich aufstehen kann. „Wie lange hat sie noch?", will ich wissen und gehe langsam neben dem Brünetten die Flure entlang, bis wir in dem Zimmer meiner Mum stehen. „Ich weiß es nicht, tut mir leid Louis." Ich nicke und lächle ihn kurz an. „Danke Ihnen.", flüstere ich und lege eine Hand auf die meiner Mutter. „Liam, das weißt du." Ich nicke dankend und seufze leise. „Wie haltet ihr es aus, jeden Tag mit solchen Patienten zu leben?", frage ich ihn und schaue dann wieder zu meiner Mum, welche an der Lungenmaschine hängt. „So wie du auch. Wenn meine Mutter Krebs hätte, ich könnte damit nicht umgehen aber du machst das toll. Wir kennen uns doch jetzt auch schon ein paar Monate und ich finde es toll, wie du das meisterst.", will er mich aufmuntern, was nicht wirklich hilft.

„Seitdem ich denken kann, ist Mum krank. Weil Dad abgehauen ist, sind Lottie und die Zwillinge in Pflegefamilien. Ich habe gehört, er ist im Knast, aber ich habe keine Ahnung mehr, was ich glauben soll. Ich wurde mein halbes Leben lang belogen, eigentlich mein ganzes Leben. Mein Vater ist nicht mein Vater, meine Schwestern sind in Pflegefamilien, es kann sein, dass wir unsere Wohnung verlieren und da soll ich locker bleiben? Das wird mir alles zu viel, ich weiß nicht wie ich das durchstehen soll." Ich fange an zu weinen und schluchze auf, als ich von Liam in eine Umarmung gezogen werde. „Trotzdem finde ich es erstaunlich, wie du das meisterst. Das mit deinen Schwestern tut mir leid.", flüstert er an meinem Ohr und streicht über meinen Rücken.

Das letzte Mal, dass ich richtig umarmt worden bin, ist schon viel zu lang her. Mum hat einfach nicht die Kraft im Moment, mein bester und eigentlich auch einziger Freund steht nicht auf Umarmungen und andere Menschen in meinem Leben habe ich nicht mehr.

„Es wird wieder besser.", flüstert er und löst sich langsam von mir. „Das hoffe ich.", murmle ich und streiche mir die Wangen trocken. Er nickt nur und klopft mir auf die Schulter. „Du kannst noch eine halbe Stunde hierbleiben, dann endet die Besuchszeit.", sagt er dann und tritt einen Schritt zurück. „Okay, danke Liam. Guten Dienst noch.", entgegne ich und setze mich auf die Bettkante. „Kein Problem, ich habe jetzt Feierabend, eigentlich bin ich nur wegen deiner Mum hier.", entgegnet er und zuckt lächelnd mit den Schultern. „Oh, das wusste ich nicht. Du musstest nicht extra wegen uns hier bleiben.", lächle ich und streiche meiner Mum über den Handrücken.

„Du bist cool, angenehmer als ein siebzigjähriger Mann, der jede zwei Minuten die gleichen Fragen stellt.", sagt er dann und versteckt die Hände in seinen Hosentaschen. „Du auch.", murmle ich und senke den Kopf ein wenig. „Komm, ich gebe dir meine Nummer und wenn irgendwas ist oder du jemanden zum Reden brauchst, ruf mich an.", schlägt er plötzlich vor und verlangt nach meinem Handy, welches ich ihm dann auch langsam hinhalte. „Keine Sorge, ich bin harmlos.", kichert er und fährt sich durch die Haare, ehe er seine Nummer in mein Handy speichert. „Das hoffe ich für dich.", entgegne ich und stecke mein Handy dann wieder ein.

„Okay, wir sehen uns, ja? Und Kopf hoch, es wird besser." Ich nicke und schaue Liam noch hinterher, ehe ich mich voll und ganz mit meiner Mum beschäftige.

*

„Louis, du bist da.", begrüßt Harry mich, als ich gerade in die Umkleide gehe und zu einem freien Spind gehen will. „Sieht ganz so aus.", lächle ich schwach und gehe zu einem Spind ihm gegenüber. „Das freut mich." Ich nicke nur und drehe mich mit dem Rücken zu ihm, bevor ich mir meine Jacke und dann meinen Hoodie ausziehe. „Du hast doch nichts dagegen, wenn ich das Training heute wieder übernehme, oder? Der Wettkampf ist in vier Wochen und bis dahin hat Jules nicht wirklich Zeit.", fragt Harry, weshalb ich mich zu ihm umdrehe. „Wenn du nicht auch trainieren musst. Ich will dich von nichts abhalten.", murmle ich und setze mich auf die Bank. „Ich mache dieses Mal nicht beim Wettkampf mit. Ich habe mich am Bein verletzt und bin erst seit drei Wochen wieder dabei. Ich kann mein Bein noch nicht vollkommen anwinkeln und drehen, weswegen es Quatsch wäre, für den Wettkampf zu lernen.", erklärt er und zieht sich gerade die Hose aus, weswegen ich den Blick abwende und mich danach umdrehe, um mich ebenfalls weiter umziehen zu können.

Noch ist niemand anderes hier, was ich zwar etwas komisch finde, aber nicht weiter nachhake. „Das ist blöd, was hast du gemacht?", frage ich und schlüpfe schnell in meine Badehose, sodass ich nur kurz nackt hier stehe. Ich habe noch nie etwas von Sammelumkleiden gehalten.

„Ich habe Fußball gespielt und dann ist mir jemand von außen gegen das Knie gesprungen. Danach hatte ich einen Knochenbruch, eine rausgesprungene Kniescheibe und einen Muskelfaserriss. Und eigentlich hasse ich Fußball. Mir ein Spiel anzuschauen ist okay, aber selbst spielen habe ich schon immer gehasst.", erklärt er und deutet auf sein linkes Knie, welches eine ziemlich lange Narbe ziert. „Hört sich schmerzhaft an.", murmle ich und brumme, nachdem ich wieder durch meine Haare fahren will.

„Ist es auch, glaub mir.", lacht er und holt ein grünes Handtuch aus seiner Tasche. „Du hast die Glatze noch nicht lange, kann das sein?", fragt er dann vorsichtig, worauf ich nicke. „Gute zwei Wochen. Ich wusste nicht, dass es so anders sein wird, aber zum Glück wachsen wieder die ersten Stoppeln.", entgegne ich und entschuldige mich, als mein Handy anfängt zu klingeln.

Da ich damit rechne, dass es um meine Mutter gehen wird, gehe ich auch dran, sonst hätte ich mein Handy auf Stumm geschaltet. „Hallo.", gehe ich dran und beiße mir auf den Finger, da ich nicht auf die Anzeige geschaut habe, wer mich anruft. „Hey Louis.", kommt es dann plötzlich von Zayn, meinem besten Freund, worauf ich etwas erleichtert ausatme. „Oh hey. Du bist es.", begrüße ich ihn und schaue kurz zu Harry, der gerade irgendwas in seiner Tasche sucht. „Du hörst dich ja erfreut an, störe ich?", will er wissen, worauf ich direkt verneine. „Also ja, eigentlich schon. Aber ich dachte, es würde um Mum gehen.", erkläre ich und spiele mit der Kordel von meiner Hose. „Was ist mit ihr? Ist irgendwas passiert? Soll ich zu dir kommen?", überhäuft er mich mitt Fragen, was mich kichern lässt. „Ich bin beim Schwimmen, ich habe dir letze Woche davon erzählt. Mum wurde gestern wieder ins Krankenhaus eingeliefert, sie hat keine Luft mehr bekommen und wurde dann direkt auf Station gebracht. Sie war gestern noch nicht ansprechbar, ich wollte gleich nochmal hin, weiß nicht.", nuschle ich und senke den Blick, als Harry zu mir schaut. „Oh, tut mir leid. Wenn was ist, ich bin da.", versucht Zayn es, doch ich brumme nur. „Ich muss jetzt auflegen, werde gerufen.", sage ich dann und lege nach einer Verabschiedung auf, bevor ich mein Handy in meine Tasche stecke.

„Gerufen also?", hakt Harry grinsend nach, worauf ich mit roten Wangen die Achseln zucke. „Er meint es nur gut, aber es ist schwer, mit ihm über meine Gefühle zu sprechen.", erkläre ich und schnappe mir dann ein Handtuch, um zu den Duschen zu gehen.

"It's Your Fault, Haz."حيث تعيش القصص. اكتشف الآن