"It's Your Fault, Haz."

4| Harry

„Magic Mike, toller Film."

„Das war gut, aber ich glaube, es reicht für heute.", sage ich, als Louis und ich etwas länger als zwei Stunden im Wasser waren. Dass das Training eigentlich vor einer halben Stunde geendet hat, interessiert keinen von uns. Zum mindestens habe ich es jetzt erst bemerkt, da ich so konzentriert war, Louis jedes Mal wieder zu retten, nachdem er beim Rückenschwimmen immer wieder ein wenig untergegangen ist, da ihm die nötige Körperspannung noch fehlt, um über Wasser zu bleiben.

„Oh, schon?", entgegnet er etwas verwirrt und dreht sich zu mir um. „Wir sind schon zwei Stunden im Wasser, Louis.", lache ich und fahre mir durch die nassen Haare. „Oh.", macht er dann und senkt den Blick. „Wäre es möglich, also nur wenn du willst und du Zeit hast, könnten wir vielleicht noch etwas bleiben?", druckst er herum und streichelt das Wasser an der Oberfläche. „Ich muss noch kurz einem Freund absagen, aber dann gerne.", entgegne ich, doch Louis schüttelt schnell den Kopf. „Ich will dich nicht aufhalten, vielleicht sollte ich auch langsam los, ich muss noch zu meiner Mum und die Besuchszeit endet um acht.", redet er drauf los und will an mir vorbei schwimmen, doch ich halte ihn unüberlegt an der Hüfte fest, als er neben mir ist.

„Es ist kurz nach acht und es ist kein Problem, dass ich ihm absage. Ich habe sowieso keine Lust mehr, in den Pub zu gehen.", erkläre ich und lasse ihn sofort wieder los, als ich merke, dass meine Hand immer noch an seiner dünnen Hüfte liegt. „Ich will dir deinen Abend nicht ruinieren.", murmelt er und zuckt mit den Achseln. „Machst du nicht, wirklich. Bleib kurz hier und ich bin in fünf Minuten wieder bei dir." Dann schwimme ich bis zum Beckenrand und schlinge mir mein Handtuch um die Hüften, bevor ich in Richtung der Umkleiden gehe.

Als ich mein Handy in der Hand habe, wähle ich direkt Liams Nummer, worauf er den Anruf nach ein paar Sekunden annimmt. „Hey Harry", begrüßt er mich, was mich schmunzeln lässt. „Hey Li, tut mir leid, aber ich muss für gleich absagen.", entgegne ich und laufe in der Umkleide hin und her. „Klar, kein Problem. Anscheinend hast du meine Nachricht noch nicht gelesen, aber bei mir wird es heute auch nichts mehr. Ich muss eine Schicht übernehmen und bin die ganze Zeit nur unterwegs. Ich springe von zwei Stationen.", seufzt er, während im Hintergrund etwas anfängt zu Piepen. „Okay, muss los. Pass auf dich auf." Dann ist das Gespräch beendet und ich verstaue mein Handy wieder im Spind, um dann wieder schnell zu Louis zu kommen.

Dieser sitzt erstaunlicherweise auf dem Beckenrand, lässt die Beine ins Wasser baumeln und schaut gedankenverloren auf seine Hände, welche in seinem Schoß liegen und miteinander spielen.

Kurz beobachte ich ihn schweigend, ehe ich langsam auf ihn zugehe und mich neben ihn setze. „Und?", fragt er leise nach, ehe er mich vorsichtig anlächelt. „Er muss sowieso arbeiten, von daher habe ich offiziell nichts mehr vor.", grinse ich, worauf er nickt und leise seufzt. „Alles okay?" Ich stoße ihn vorsichtig mit der Schulter an und lächle vorsichtig. „Ja, sorry." Louis fährt sich durchs Gesicht und legt dann den Kopf in den Nacken. „Meine Mum ist im Krankenhaus.", flüstert er dann plötzlich und schließt die Augen. Das hat er letzte Woche während des Telefonates mit jemandem schon mal erwähnt. Anscheinend muss es ja was ernsteres sein, wenn sie schon eine Woche dirt liegt.

„Das tut mir leid.", entgegne ich dann, da ich nicht weiß, was ich sonst antworten soll. „Ich versuche damit klarzukommen. Eigentlich ist es nichts neues mehr.", erklärt er und schaut dann kurz in meine Richtung, ehe er den Kopf schüttelt und vom Beckenrand ins Wasser rutscht. „Ich will dich nicht mit meinen Familienproblemen nerven.", lacht er dann und räuspert sich leise. „Immerhin kennen wir uns eigentlich gar nicht." Das lässt mich schmunzeln, während ich ebenfalls wieder ins Wasser komme. „Wir haben ums schon drei Mal gesehen, ich denke schon, dass wir uns kennen.", schmunzle ich dann und spritze ihn ein wenig mit Wasser nass. „Wir haben uns drei Mal gesehen, weil du mir richtig beibringst zu schwimmen. Das ist peinlich, kein Kennen.", entgegnet er und weicht dem nächsten Wasserspritzer gekonnt aus.

„Das muss dir nicht peinlich sein. Wenn du mich fragst, finde ich es toll, dir das Schwimmen richtig beizubringen. Nicht jeder schwimmt schon sein halbes Leben lang.", entgegne ich und tauche so unter, dass nur noch mein Kopf aus dem Wasser ragt. „Du schwimmst schon dein halbes Leben? Muss das nicht irgendwie langweilig werden?", kichert er und senkt den Blick.

„Meine Dads sind mit mir früher immer schwimmen gegangen. Wir haben ein Haus am See, wo wir jeden Sommer mindestens zwei Wochen verbringen. Wasser ist meine zweite Heimat.", erkläre ich und strecke meine Arme unter Wasser zu beiden Seiten aus.

„Du hast zwei Väter?", will er wissen, was mich schmunzeln lässt. „Ja, vielleicht bin ich auch deswegen schwul.", lache ich und bezwecke damit, dass Louis mich erstaunt anschaut. „Du- also du bist schwul?", wiederholt er das, was ich gerade eigentlich ziemlich klar gesagt habe. „Ich finde ‚schwul' hört sich so abwertend an, aber ja, ich stehe auf Männer. Keine Ahnung, Frauen haben mich nie angezogen.", erkläre ich und verkneife mir ein Grinsen, als Louis vorsichtig nickt.

„Mein bester Freund ist auch schwul, oder bi. Er will sich da nicht festlegen, da er „Frauenärsche" dann doch ziemlich anziehend findet, was ich irgendwie nicht nachvollziehen kann." Bei dem Wort Frauenärsche malt er Gänsefüßchen in die Luft und beißt sich auf die Lippe. „Und du? An welchem Geschlecht bist du interessiert? Falls du dich überhaupt-" Louis schüttelt den Kopf und scheint sich unwohl zu fühlen. „Ich weiß es nicht. Ich habe Angst, erneut verletzt zu werden, weswegen ich am liebsten für mich alleine bleiben würde.", sagt er dann und taucht unter, bevor er wenige Sekunden später wieder an der gleichen Stelle auftaucht.

„Gebrochenes Herz?", frage ich etwas zu voreilig, jedoch antwortet Louis mir direkt. „Wenn ich ehrlich bin, war ich bis jetzt noch nicht verliebt. Also ich finde Channing Tatum und Theo James nicht schlecht aber in meiner Reichweite hat mich noch nie jemand interessiert. Aber ich glaube, Frauen sind mir zu anstrengend. Immerhin bin ich selbst anstrengend genug.", erklärt er und kratzt sich am Hals.

„Magic Mike, toller Film.", grinse ich und zwinkere Louis zu, was ihn kichern lässt. „Um ehrlich zu sein, finde ich Dear John besser. Ich meine, schau ihn dir an, er sieht gut aus.", entgegnet er und zuckt mit den Achseln. „Bei Magic Mike ist er halb nackt.", bringe ich mein Argument, worauf mein Gegenüber die Augen verdreht. „Vielleicht gucke ich genau deswegen lieber Dear John.", sagt er und bekommt rote Wangen. „Ach komm schon Louis. Gibs zu, dir gefällt Magic Mike viel besser, aber du stehst zu sehr auf sein Sixpack, weswegen du dir lieber diesen Film anschaust, dich es jedoch zu sehr erregt, weswegen du lieber eine kitschige Romanze schaust."

Dass ich Magic Mike eigentlich nur genau deswegen schaue, behalte ich für mich. Immerhin ist Channing Tatum schon immer einer meiner Lieblingsschauspieler gewesen und dass er gut aussieht ist einfach nur ein Pluspunkt.

„Nein.", sagt Louis und ist ziemlich rot im Gesicht. „Ich gucke lieber Liebesfilme als anderes. Action ist nicht meins, für Horror habe ich zu viel Angst und alles andere kommt in die Kategorie, in welcher Action schon vertreten ist.", erklärt er dann und dreht mir den Rücken zu, bevor er ein wenig schwimmt und ich ihm schweigend dabei zuschaue.

„Was hältst du davon, wenn wir uns am Wochenende treffen und zusammen einen Film schauen? Nicht zwingend mit Channing Tatum, aber einen Film.", höre ich mich sagen und bin über meine Worte genau so erstaunt wie Louis, der sich etwas zu schnell in meine Richtung dreht. „Ehm- gerne.", entgegnet er dann vorsichtig und lächelt leicht. „Aber ich kann es dir nicht zu hundert Prozent versprechen. Wenn was mit Mum ist, muss ich zu ihr." Verstehend nicke ich und fahre mir dann durch die Haare. „Wir können ja nachher eine Zeit ausmachen und du schreibst mir dann einfach, wenn es nicht klappen sollte.", schlage ich dann vor und lächle.

„Das hört sich gut an.", entgegnet Louis dann und grinst kurz, bevor er den Blick abwendet und abtaucht, was mich schmunzeln lässt.