Kapitel 6

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Das erste, was Jungkook sah, waren die leeren Flaschen am Boden und die dreckigen Klamotten auf dem Bett.

Gott, und der Geruch.

Jungkook blickte sich mit hämmernden Herzen im Zimmer um. Dann fielen seine Augen auf Yoongis Bett.

Unter dem endlos scheinenden Haufen von hunderten Decken und Kleidungsstücken konnte er eine kleine Person ausmachen.

Yoongi.

Yoongis Haare ragten wirr aus dem Durcheinander hervor, sein Körper steif und bewegungslos wie von der einer Leiche.

„Yoongi?", flüsterte Jungkook. Er war der erste, der sich etwas sagen traute. Jimin war noch immer zu blass und Jin blickte auf das Chaos im Zimmer, die Augenbrauen konzentriert zusammengezogen. „Yoongi, wir sind es... deine Mutter hat uns gesagt, dass du krank bist."

Keine Antwort.

„Ich habe deine Schulsachen und ein paar Bücher dabei", probierte er es weiter und sah dabei zu, wie Jin durch den Raum ging. Er stieß auf dreckiges Geschirr und Flaschen, doch er schaffte es bis zum Fenster, wo er dann den Vorhang zur Seite schob. Licht strömte in das Zimmer hinein. „Jin und Jimin sind auch da. Hoseok und Namjoon wollten auch mitkommen, aber wir haben ihnen gesagt, dass es dann zu viel für dich wäre. Bist du okay?"

Yoongi zuckte nicht einen Muskel und blieb mit dem Rücken zu Jungkook gedreht liegen.

„Deine Mutter macht sich Sorgen um dich." Jungkook spürte, wie sich Tränen in seinen Augen bildeten. Er hatte Yoongi noch nie so gesehen. Natürlich gab as Tage, an denen es ihm nicht gut ging oder die Augenringe unter seinen Augen etwas zu sehr hervorstanden, aber das war Yoongi. Jungkook hatte immer geglaubt, dass er einfach nur wenig Schlaf fand und deshalb so mies drauf war. Oder teilweise einfach nur still an ihrem Tisch saß und nicht sprach, weil er lieber zuhörte und keine Lust zu reden hatte. „Sie wollte schon den Notruf rufen."

Er wagte einen Schritt näher zum Bett und blickte über die Schulter, wo Jimin noch immer wie festgefroren stand. Es war, als wäre sein Körper anwesend, aber sein Geist abwesend.

„Yoongi", flüsterte Jungkook. „Yoongi, Yoongi... was hast du?" Er wollte eine Hand auf seine Schulter legen, doch er wusste es besser. Yoongi hasste unaufgeforderte Berührungen. Er zog sie wieder zurück. „Wie können wir dir helfen?"

Jin wischte sich verzweifelt über das Gesicht, bevor er das Fenster mit einem Ruck aufriss, damit frische Luft reinkam.

Nicht."

Yoongis Stimme war schwach und so, so leise, dass keiner es wagte zu atmen. Jungkooks hektischer Herzschlag war viel zu laut und er wollte es anschreien und verlangen, leiser zu schlagen, nur damit er Yoongis Stimme noch einmal hören konnte.

„Was?", fragte Jin. „Was hast du gesagt?"

„Fenster", drang aus gedämpft aus den Decken. Es raschelte kurz, doch Yoongi vergrub sich nur tiefer in den weichen Stoff. „Zu."

Dann sprach er gar nichts mehr.

Jungkook und Jin versuchten es immer und immer wieder, doch ohne Erfolg.

Yoongi, möchtest du etwas essen?" oder „Yoongi, willst du mal aufstehen und mit uns eine Runde spazieren gehen?" oder „Yoongi, wir räumen jetzt die Flaschen und das Geschirr weg, willst du uns helfen?" oder „Yoongi, wir müssen jetzt so ein Projekt in der Schule machen, kannst du das glauben?" oder „Yoongi... Jimin ist auch da. Er redet nicht, weil er nicht weiß, was er sagen soll, aber Yoongi... er ist da."

Sie gaben auf.

Als sie auf dem Weg nach draußen waren, ihr Herz schwer und ihr Gliedmaßen schwerer, blieb Jimin abrupt stehen und sagte: „Ich rede mit ihm. Allein."

Und dann ging er zurück. Zurück zu Yoongi—diese unglaublich leere Hülle eines Menschen.

Jungkooks Unterlippe zitterte.

Jin hatte die Augen geschlossen und atmete tief und lang durch.

Es vergingen Minuten.

Und als Jimin aus dem Zimmer stürmte mit Tränen auf den Wangen und einem entsetzlichen Gesichtsausdruck, fühlte sich Jungkook das erste Mal in seinem Leben nutzlos und verloren.

„Wir probieren es morgen wieder", war alles was Jimin sagte, seine Stimme kalt und zurückhaltend.

Und als sie ihn fragten, was er denn zu Yoongi gesagt hatte und was Yoongi geantwortet hatte, hatte Jimin nur den Kopf geschüttelt. „Nein. Wir probieren es morgen wieder. Und dann wieder. Und noch einmal. Bis er endlich kapiert, dass wir nicht—" Er wurde zu laut und sein Atem zu hektisch. „Bis er verdammt nochmal kapiert, dass er hier nicht allein durchmuss."

Yoongis Mutter gab ihnen alle zum Abschied einen Kuss auf die Wange und als sie bei Jimin ankam, drückte sie ihn ganz lange zu sich, ihre Hände in seinem Haar und ihr Kinn über seinen Kopf gestützt. „Danke. Danke, dass ihr es versucht habt", murmelte sie in Jimins Haare. „Danke, danke, danke."

„Ich konnte nichts—" Jimins Stimme brach ab. Er klang wie ein kleines, verlorenes Kind.

Jungkook lief eine Träne über die Wange, die er schnell wegwischte.

„Er hat geredet, Jimin. Er hat geredet. Das ist mehr, als uns bewusst ist."

Und warum musste Jungkook in diesem Moment an Taehyung denken.

Er hat geredet, er hat geredet, er hat geredet.

All The Words You Never Said [VKOOK]Where stories live. Discover now