Kapitel 34

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Jungkook dachte zu wissen, wie sich Schmerz anfühlte.

Er dachte, es fühlte sich an, als würde man ihm in die Magengrube schlagen. Er dachte, es fühlte sich an, als könnte er nicht sprechen, weil ein großer, hartnäckiger Klumpen tief in seinem Hals steckte. Er dachte, es fühlte sich an, als würde einem das Herz aus der Brust gerissen werden. Er dachte, es fühlte sich schrecklich an.

Doch dann hörte er Taehyungs Weinen, während er seinen zitternden Körper in den Armen hielt, und Jungkook wusste, es war schlimmer als schrecklich. Er wusste, wie sich echter Schmerz anfühlte. Es fühlte sich an, als würde seine ganze Welt auseinanderbrechen. Es fühlte sich an, als hätte ihm jemand alles genommen. Es fühlte sich an, als würde sein Herz immer schwerer und schwerer werden und sein Kopf immer stiller. Er fühlte sich hilflos und überfordert und absolut verloren. Da gab es nichts, was er für Taehyung tun konnte, außer für ihn da zu sein—ihn zu halten.

Jungkook verstärkte seinen Griff um Taehyung und drückte seine Wange stärker gegen Taehyungs Haare.

„Ich habe dich", flüsterte Jungkook und drückte einen sanften Kuss gegen Taehyungs Kopf. „Tae, es ist okay."

Taehyung sagte nichts und erzitterte ein weiteres Mal in Jungkooks Armen. Jungkook musste das Brennen in seinen Augen zurückhalten, weil er wusste, Taehyung brauchte ihn, um stark zu sein. Er konnte das tun. Er konnte es. Für Taehyung konnte er alles tun und das würde er auch.

„Ich mag dich nicht weniger wegen dem, was du denkst, dass du falsch gemacht hast", sagte er. „Ich verspreche es dir."

Taehyung drückte seinen Kopf gegen Jungkooks Bauch und schlug dann plötzlich die Hände vor das Gesicht, als wollte er sich verstecken. Als wollte er nicht, dass Jungkook ihn so gebrochen sah.

Taehyung versteckte sich, er versteckte seine Gefühle. Und Jungkook verstand ihn wieder etwas mehr. Er versteckte seine Gefühle nicht, weil er wollte, sondern weil er gelernt hatte, dass es das sicherste war. Denn sobald Emotionen und Ängste und Gefühle deinen Kopf und deinen Körper einnahmen, genau dann versuchte Taehyung, diese mit Logik und Realität zu beschützen. Mit Stille. Alles, was er je tat, war, um sich selbst zu schützen. Um nicht wieder verletzt zu werden.

„Versteck dich nicht vor mir, bitte", bettelte Jungkook.

Keine Antwort.

„Taehyung."

Zwei Arme schlangen sich um Jungkooks Taille—leicht und etwas unsicher. Taehyung weinte noch immer, aber sein Weinen war diesmal leise und beinahe... schüchtern, als hätte ihn die Realität wieder eingeholt und als müsste er sich selbst wieder ermahnen, sich zusammenzureißen.

Jungkook gab nicht auf.

„Du musst mich nicht ansehen. Aber du musst mir jetzt zuhören, okay? Du verdienst es, glücklich zu sein. Wirklich, ernsthaft glücklich zu sein. So glücklich, dass du nichts außer Wärme und Geborgenheit fühlst, so glücklich, dass dein Herz schwebt und schwerelos scheint. Und du verdienst es auch zu fühlen, wie es ist, okay zu sein. Das Gefühl zu haben, dass nicht alles schlecht und dunkel und faul ist, sondern—besser. Du verdienst es mehr als jeder andere. Und ich weiß, dass es schwer ist, mir zu glauben. Ich weiß, es ist schwer, mir das alles zu glauben, wenn du gerade jetzt so traurig und überfordert bist und ganz weit weg davon bist, dich selbst zu akzeptieren, aber—ich will, dass du das weißt. Denn ich bin mir sicher, eines Tages wirst du wieder okay sein. Und ich weiß auch, dass ich dich nicht—dass ich dir nicht helfen kann. Nicht wirklich. Denn du bist stark genug. Auch wenn du denkst, dass du es nicht bist. Du—du kannst mich immer anrufen, wenn du einen Alptraum hast. Jederzeit. Du kannst mich immer von dir stoßen, wenn deine Gefühle dich überfordern oder wenn du Abstand brauchst und wütend bist—aber... aber komm zurück. Zu mir. Stoß mich nicht komplett weg. Bitte."

All The Words You Never Said [VKOOK]Where stories live. Discover now