Kapitel 2

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Heute trug er einen großen, dunklen Pullover mit weiten Ärmeln und weichem Stoff. Es sah viel zu groß an ihm aus, doch Jungkook fand, dass es ihm passte. Die dicke Brille auf seiner Nase rutschte ihm etwas runter, als er mit gerader Körperhaltung durch die Cafeteria rauschte, ein Buch in der rechten und seinen Rucksack in der linken Hand.

Jungkook dachte, dass Taehyung sich gut mit Namjoon verstehen würde. Er sah den anderen nie ohne einem Buch—es war wie sein stiller Begleiter.

Er hatte eine wunderschöne goldene Haut, ein oder zwei Nuancen dunkler als die von Jungkook. Sein dunkles Haar war leicht zerzaust—es breitete sich in einem zarten Pony über seine Stirn aus und versteckte starke, tiefe Augenbrauen. Darunter lag ein wunderschönes Paar mandelförmiger Augen, ihre Farben ein sattes Mahagonibraun. Jungkook hatte den Drang, etwas Lächerliches zu tun, wie zum Beispiel ein Gedicht darüber zu schreiben. Eine gerade, süße kleine Knopfnase zierte sein Gesicht, und Jungkook verfluchte seine eigene viel zu große Nase.

Taehyung hielt den Kopf gerade, seine Körperhaltung war angespannt und steif, als hielte er sich zurück, nicht jeden einzelnen anzumotzen, der ihn nur falsch anstarrte.

Jungkook fragte sich, wie er wohl mit einem Lächeln aussah.

Er konnte es sich kaum vorstellen.

Hatte er Grübchen? Bildeten sich Lachfalten um seinen Mund? Wie klang sein Lachen? War es leise und zurückhaltend oder doch eher laut und auffallend? Warum lachte er nie? Warum war er so still? Warum, warum, warum—

„Ich habe gehört, dass er nicht spricht." „Wieso tut er das, ist er stumm? Oder hat er eine Krankheit?" „Nein, er spricht einfach nicht. Glaubst du, war er schon immer so?" „Er ist komisch." „Ja, wer weiß, vielleicht hält er sich für was besseres als alle anderen, vielleicht sind wir nicht gut genug, um mit ihm zu reden." Gelächter. Es klang böse und falsch. „Er hat niemanden. Vielleicht sollte er anfangen, sich mit Leuten zu unterhalten."

Jungkooks Augen tränten bereits, doch er blinzelte nicht und beobachtete Taehyung weiter mit angehaltenem Atem.

Da war diese dunkle Strähne, die ihm ins Gesicht fiel und Jungkook wollte sie wegstreichen, doch er tat es nicht. Er war kein Idiot. Aber er dachte daran.

Er dachte daran, wie sich seine Finger wohl zwischen Taehyungs Haaren anfühlen würden, denn sie sahen so weich und gesund aus. Und sein Outfit. Es war so gemütlich und warm—

„Wen starrst du da an?", fragte Jimin neben ihm und folgte seinem Blick. Jungkook senkte schnell den Kopf. „Was? Den Jungen mit der Brille?" Er seufzte. „Schon wieder?"

„Sei still. Und er heißt Taehyung", grummelte Jungkook und stütze die Arme am Tisch ab, um sein Gesicht darin zu vergraben. Jimin öffnete den Mund. „Sei einfach still."

„Sprich ihn doch einfach an", schlug Jin vor, der sich offensichtlich das Grinsen verkneifen musste.

Eine verräterische Röte kroch über Jungkooks Wangen und er drückte das Gesicht tiefer in die Arme. „Nein."

„Warum nicht? Du tust so, als—"

„Kannst du dich nicht daran erinnern, was das letzte Mal passiert ist, als er den Jungen angesprochen hat?", sagte Jimin und Jungkook verzog das Gesicht.

„Taehyung. Sein Name ist Taehyung." Jungkooks Nackenhaare stellten sich auf.

„Huh? Was war denn?", hackte Jin nach.

„Jungkook hat—"

„Jimin, nicht", flehte Jungkook mit schwacher Stimme. Sein Gesicht brannte wie Feuer.

„Jungkook hat sich am ersten Schultag bei ihm vorgestellt mit den Worten—"

„Jimin!"

„'Hallo, ich bin Jungkook, du musst der komische Junge sein, der nie spricht. Wie heißt du?'", beendete Jimin seinen Satz und Jungkook schloss gequält die Augen. „Und der Junge hat ihn nur angestarrt—so richtig angestarrt, als wäre er verrückt. Dann hat er sich umgedreht und ist gegangen. Gesprochen hat er übrigens nicht mit Jungkook, logischerweise. Nicht so schlimm, oder?"

Alle am Tisch waren still.

Jungkook blickte endlich auf und er wollte verdammt nochmal schrumpfen und für immer verschwinden, als er Jins und Hoseoks Blicke auf sich spürte, als wäre er unfähig soziale Kontakte zu pflegen.

Was er auch offensichtlich war!

„Du hast was?", fragte Hoseok nach ein paar Sekunden. Er blinzelte Jungkook fassungslos an. „Wer macht sowas?"

Jungkook stöhnte auf. „Ich... ich war nervös und er war einfach da und... ich wollte anders sein als alle anderen! Ich wollte nicht—es ist mir einfach rausgerutscht! Ich habe nur versucht—"

„Ja, mach das nie wieder", sagte Jimin trocken.

Jungkook schickte ihm eine vulgäre Geste. Jimin keuchte dramatisch.

„Und dann begrüßt du ihn so?" Jin hob eine Augenbraue. „Jungkook, was zur Hölle. Ich glaube, du hast ihn verschreckt..."

Etwas in Jungkook verkrampfte sich—wahrscheinlich sein Herz. Er blinzelte auf den Tisch hinunter und ein Druck breitete sich in seiner Brust aus. Er konnte plötzlich schwer atmen.

Das war nicht seine Absicht gewesen. Er wollte sich nur ganz normal vorstellen, doch als er vor Taehyung stand und in seine Augen geblickt hatte, hatte sein Gehirn ausgesetzt—wie eine Kurzschlussreaktion.

Hoseok brach plötzlich in schallendes Gelächter aus. „Oh—Oh mein Gott! Du bist... du bist—"

„Was ist so lustig?", fragte eine tiefe Stimme hinter Jungkook und Hoseok verstummte augenblicklich.

„Namjoon", seufzte Hoseok zufrieden und Namjoon drückte ihm daraufhin einen Kuss auf die Lippen, bevor er zwischen Hoseok und Jungkook Platz nahm. Seine Hand verschränkte er liebevoll mit Hoseoks, der ihn mit Herzen in den Augen musterte. Dann strich Hoseok Namjoon eine Haarsträhne aus dem Gesicht. „Jimin hat gerade davon erzählt, wie Jungkook sich zum Affen gemacht hat."

„Ich habe mich nicht—"

„Doch. Doch, das hast du", lächelte Jimin und Jungkook nahm eine Karotte und warf sie auf ihn. Fest. Jimin quietschte auf. „Hey!"

„Jungkook, du sollst die Karotten essen und nicht nach Jimin werfen", seufzte Jin. „Vielleicht hat der Junge es gar nicht so böse aufgenommen. Jeder sagt mal etwas komisches."

Namjoon lachte darauf hin und drückte Jungkooks Schulter einmal, dann zweimal, als könnte er spüren, wie sehr Jungkook das auf dem Herzen lag.

Namjoon wechselte daraufhin geschickt das Thema, die Augen immer aufmerksam auf Jungkook gerichtet, doch Jungkook—er starrte auf einen dunkelhaarigen, brillentragenden Schüler, der allein in einer Ecke saß und die Nase tief in ein Buch steckte.

„Ich glaube, du hast ihn verschreckt."

Es dauerte einige Minuten, bis Jungkook den Blick von ihm abwenden konnte.

All The Words You Never Said [VKOOK]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt