Kapitel 22

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Triggerwarnung: Bitte ganz nach unten scrollen, wenn ihr sensibel seid und gewisse Inhalte einfach nicht lesen könnt. Unten steht, was alles im Kapitel vorkommt.

Das ist Teil 1/2 über Taehyungs Vergangenheit! (:

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Es war stockfinster, als die Schreie endlich aufhörten.

Taehyung hatte sich neben einem Busch zusammengerollt und die Hände über die Ohren gelegt. Seit Stunden lag er hier, die Knie zur Brust gezogen und den Kopf dazwischen gesenkt.

Seit Stunden konnte er nichts anderes hören, außer die quälenden Schreie seiner Eltern. Laut und hysterisch und grauenvoll.

Er wollte, dass sie aufhörten.

Er wollte sie anflehen, leise zu sein.

Er wollte sie anschreien—

Doch er konnte nichts sagen.

Er konnte nicht schreien.

Irgendwann wurde es leise.

Taehyung hielt seinen Atem an.

Er zögerte einen Moment, bevor er den Kopf hob. Eine unsichtbare Hand schlang sich um seine Lungen und drückte fest zu, dass er keuchen musste. Die Zeit blieb stehen. Die Welt hörte auf zu existieren.

Ihre Gesichter waren so bleich—so leblos.

Er sah so viel Blut.

Woher kam das ganze Blut?

Taehyung rollte sich wieder zusammen, sein Körper taub. Es fühlte sich nicht echt an, hier zu sein. Gar nichts fühlte sich echt an. Er war in einem Alptraum gefangen und keiner war da, um ihm zu helfen. Keiner war da für ihn. Er war allein.

Taehyungs Mund öffnete sich verzweifelt. Er versuchte es nochmal. Und nochmal. Und nochmal.

Nichts.

Er wollte schreien—er wollte um Hilfe rufen.

Er wollte schon so lange nach Hilfe rufen, aber er hatte es nie geschafft.

Würde ihn überhaupt jemand hören? Würde jemand zur Hilfe eilen? Sie befanden sich im Nirgendwo.

Das Auto krächzte und ließ die leblosen Körper hin und her baumeln. Der Klang von Metall klirrte durch die Lüfte wie ein Todeslied. 

Taehyungs Mund war noch immer offen—doch nichts kam raus. Gar nichts.

Er konnte nicht nach Hilfe schreien.

Etwas brach in ihm.

In seinen Gedanken brüllte und schrie und tobte er, während er die Arme fest um sich schlang—so fest, dass es schon schmerzhaft war, dass er kaum Luft bekam.

Dann schluchzte er los.

Er war so geschockt, so bestürzt, dass er schluchzen konnte, aber nicht schreien, dass er die Hände in seinen Haaren vergrub und wütend an den Locken zog, bis vereinzelte Strähnen rauskamen.

Er zog und zog und zog, während er so laut weinte, wie er es noch nie getan hatte.

Er konnte schluchzen, aber nicht nach Hilfe schreien.

Das Geräusch von Reifen erklang.

Eine Tür wurde zugeschlagen, Stimmen ertönten.

Mehrere Personen schrien hektisch durcheinander. Es klang nach: „Hilfe! Wir brauchen Hilfe! Hier sind Verletzte! Ruf den Notarzt! Scheisse, da ist noch jemand. Oh, Gott. Oh mein Gott. Oh. Mein—"

All The Words You Never Said [VKOOK]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt