Kapitel 28

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Jungkook putzte sich brav die Zähne und zog sich schnell um, bevor er nach unten ins Esszimmer ging, wo sein Vater auf ihn wartete.

Er wusste nicht, worüber sein Vater sprechen wollte.

Vermutlich über die Tatsache, dass er ihm gestern nicht mehr geantwortet hatte und Jungkook wusste, wie viel Wert sein Vater auf aufrichtige, genaue und direkte Kommunikation legte.

Das war auch der Grund, warum sie als Familie nie stritten. Alles wurde ausgesprochen. Jedes noch so kleine Problem wurde offengelegt und sie suchten gemeinsam nach Lösungen.

Deswegen gab es Dinge, die Jungkook nur seiner Mutter erzählen konnte und andere Dinge seinem Vater.

Bei seiner Mutter bekam er einen Rat, sie gab ihm Komfort—ein offenes Ohr, so wie es beste Freunde taten. Bei seinem Vater bekam er klare Lösungswege oder Gründe, warum etwas so war, wie es nun mal war.

Doch heute wollte Jungkook mit keinem von beiden so richtig reden. Er wollte nicht darüber reden, warum er so kaputt aussah. Er wollte nicht über die Schule oder über das Lernen reden. Und er wollte nicht über Taehyung reden.

Denn wenn er über Taehyung sprach... dann spürte er nur Schmerz, wo vorher ein warmes, vollkommen wunderbares Gefühl war.

Als Jungkook mit einem mulmigen Gefühl im Magen unten ankam, reichte ein Blick in die Augen seines Vaters und er wusste, das Gespräch war ernst.

„Guten Morgen", murmelte Jungkook, griff sich in die Haare und bemerkte, er hatte vergessen seine Haare zu kämmen. Er setzte sich auf den Sessel gegenüber von seinem Vater und steckte die Hände nervös zwischen die Oberschenkel. Er konnte seine Mutter mit jemanden im Wohnzimmer telefonieren hören und Jungkook wusste, sie gab ihnen absichtlich Zeit zu Zweit.

„Guten Morgen", antwortete sein Vater. Er hatte bis vor kurzem noch gefrühstückt, doch nun schob er den Teller zur Seite und schenkte Jungkook seine volle Aufmerksamkeit. „Hast du mich gestern nicht anklopfen gehört?" Sein Ton war neugierig, nicht vorwurfsvoll.

Jungkook fühlte sich schlecht, als er sagte: „Doch... doch. Ich habe dich gehört, aber ich wollte noch etwas weiterlernen. Tut mir leid."

Es war lange her, dass Jungkook so viele Notlügen erzählte.

„Du brauchst dich nicht dafür entschuldigen, du verdienst Privatsphäre. Du musste die Tür nicht öffnen, wenn du nicht möchtest. Das nächste Mal sag mir aber einfach Bescheid, dann verstehe ich das. Okay?"

Jungkook nickte, sein Gewissen war nicht weniger erleichtert. Er hätte gestern nicht einmal die Tür öffnen können. Er hatte so viel geweint und—

Er verscheuchte den Gedanken. Er zwang seinen Kopf, still zu sein.

Die gestrige Situation wiederholte sich ganze Zeit vor seinem inneren Auge. Was tat Taehyung gerade? Fühlte er sich schlecht, weil er Jungkook die Wahrheit gesagt hatte? Fühlte er sich erleichtert? Wie ging es ihm? Hatte er heute schon gegessen? Bereute er es, mit Jungkook gelernt zu haben? Sich so viel Arbeit nur wegen ihm gemacht zu haben? Bei Jungkook geschlafen zu haben? Ihn geküsst—

Jungkook keuchte beinahe auf.

Sein Kopf konnte anscheinend nicht still sein.

„Du wolltest über... über", stammelte Jungkook. „Über was möchtest du reden? Mama hat gesagt, es sei wichtig."

Er hatte vergessen, über was sein Vater sprechen wollte. Was seine Mutter gesagt hatte.

Heute war nicht sein Tag.

Heute war ganz und gar nicht sein Tag und je länger er hier saß, desto schneller wuchs dieses Gefühl in ihm, dieser Druck zu weinen.

Er hatte doch schon so viel geweint.

All The Words You Never Said [VKOOK]Where stories live. Discover now