All The Words You Never Said [VKOOK]

Kapitel 12

‚Deine Schnürsenkel sind offen', schrieb Taehyung zwei Wochen später.

Sie hatten nur mehr zwei Monate Zeit für die Mathe Aufgaben und Jungkook konnte noch immer nicht mehr als zu Beginn dieses Projektes. Es war so viel. So viele Aufgaben, so viele Unterpunkte, so viele Rechenwege, die er nie verstand.

„Oh", sagte Jungkook, doch er tat nichts.

‚Willst du deine Schuhe nicht binden?'

„Ehm, nein." Er räusperte sich mit hochrotem Gesicht.

‚Du wirst hinfallen.'

„Das geht schon, ich—"

Taehyung schnaubte und beobachtete Jungkook mit aufmerksamen Augen, sein Blick scharf. Seine Brille saß perfekt auf seiner Nase und seine Haare waren länger und weicher und so perfektperfektperfekt— Jungkook musste den Blick abwenden.

Jungkook nahm einen Schluck von seiner Wasserflasche, weil sich seine Kehle plötzlich so trocken anfühlte.

‚Du kannst dir die Schuhe nicht selbst binden, nicht wahr?'

Er spuckte das Wasser in einem Strahl aus und hustete.

Der Inhalt landete direkt in Taehyungs Gesicht.

Taehyung verzog das Gesicht und wischte sich mit dem Ärmel darüber. Dann weiteten sich seine Augen und er blinzelte Jungkook verdutzt an.

Oh mein Gott.

Jimin begann im Hintergrund hysterisch zu lachen.

Oh.

Mein.

Gott.

NeinNeinNeinNein—

Jungkook verwandelte sich in eine Tomate.

„Oh—Oh mein Gott, oh mein Gott. Taehyung. Es tut mir leid, ich wollte nicht—" Jungkook wollte in diesem Moment sterben. Verschwinden. Auswandern. „Ich wollte dich nicht anspucken, tut mir leid! Ich—"

Er konnte sich tatsächlich nicht selber die Schuhe binden—das hatte er noch nie gekonnt. Jin und Jimin halfen ihm immer, weil er chaotisch und schusselig war und das waren ihm einfach zu viele Schnüre—

Wie konnte Taehyung ihn so leicht durchschauen?!

„Das passiert ihm öfters", kam es weiter weg von Hoseok und Jungkook geriet ins Stottern, seine Ohren heiß und seine Handinnenflächen nass.

„T—Tut es nicht!", wimmert er hilflos. „Es tut mir so leid..."

Das nächste Geräusch ließ Jungkook verstummen.

Zuerst war es leise, kaum hörbar über das Gemurmel der Klasse, doch als Jungkook zu Taehyung blickte, sah er, wie seine Lippen zu einem kleinen Lächeln verzogen waren und sanfte, tiefe Töne seine Kehle verließen.

Er... er kicherte.

Taehyung lachte.

Jungkook starrte ihn an. Sein Herz machte einen Satz.

Taehyung hörte abrupt auf zu lachen.

Sogar Hoseok starrte zu ihnen hinüber, sein Mund war einen Spalt weit offen.

„Mach... mach das nochmal", flüsterte Jungkook wie verzaubert.

Bitte.

Taehyungs Gesicht wurde härter, dann verdrehte er die Augen und konzentrierte sich wieder auf die Aufgaben.

Jungkook konnte für den Rest der Stunde nichts mehr sagen—er fand keine Worte, keine Kraft, um ein Geräusch von sich zu geben.

Taehyung hatte gelacht.

Oh.

Oh.

Das fühlte sich so wunderbar an.

✎

Yoongi sagte: „Ich werde die Klasse wiederholen müssen."

Jimin, der neben Yoongi auf dem Bett saß, rutschte näher zu ihm, sodass sich ihre Schultern berührten. Jungkook und Hoseok saßen gegenüber, beide in einem Schneidersitz.

Jin hatte heute Nachmittag länger Schule und Namjoon hatte Yoongi schon gestern zwei Mal besucht, bis ihn Yoongi mit den Worten „Hör jetzt endlich auf mich zu bemuttern und verschwinde!" rausgeschmissen hatte.

Namjoon hatte den ganzen Tag über geschmollt, als Jungkook ihm sagte, dass Hoseok, Jimin und er ihn heute wieder besuchten.

„Hast du schon mit den Lehrern geredet?", fragte Hoseok.

„Nein, aber meine Mutter hat in der Schule angerufen und mir danach alles erzählt. Es ist zu viel Stoff nachzuholen und sie sagt, ich soll mich auf meine mentale Gesundheit konzentrieren. Das bedeutet kein Stress, keine Schule und... viel Tee." Yoongi kräuselte die Nase. „Als könnte das so einfach besser werden."

„Ich finde, das ist eine gute Idee", sagte Hoseok.

Jungkook nickte eifrig, die Augen stets auf Yoongi gerichtet.

Er sah noch immer nicht gut aus. Bleich im Gesicht, schlaftrunkene Augen, fettige Haare. Er war müde. Andauernd. Doch er schlief nicht viel. Er trank viel Tee. Seine Mutter tat immer die doppelte Dosis Honig rein, damit er nicht noch mehr Gewicht verlor.

„Sie denkt, dass es nächstes Jahr anders sein wird", seufzte Yoongi. „Sie denkt... sie denkt, dass ich immer nur einmal im Jahr so eine Phase habe, in der es mir so schlecht geht, aber... das ist keine Phase. Das ist keine vorübergehende Krankheit. Ich... ich fühle andauernd so." Er schluckte. „Manchmal halte ich es aus, manchmal nicht... ich— ach, ich weiß auch nicht." Er suchte verzweifelt nach Wörtern, doch gab schließlich auf.

Jungkook sah zu, wie Yoongi von Minute zu Minute frustrierter wurde. Seine Hände begannen zu zittern.

„Ich fühle mich so schwach. Ich bin schwach. Diese Krankheit macht mich verdammt nochmal schwach", hauchte er nach einiger Zeit. „Ganze Zeit. Ich bin müde, aber kann nicht schlafen. Ich habe Hunger, aber kann nichts essen. Ich... ich fühle nichts. Gar nichts. Manchmal starre ich die Wand an und plötzlich sind zwölf Stunden vergangen. Wenn ihr nicht wärt—"

Jimin schlang einen Arm um Yoongis Taille und drückte seine Nase sanft gegen Yoongis Schulter, dann atmete er tief ein.

„Deine Depression ist nicht auf Schwäche zurückzuführen, sondern es bedeutet, dass du schon viel zu lange stark warst, viel zu lange allein durch diese Höllenqualen durchgehen musstest, aber Yoongi... Yoongi", sagte Jungkook. Er war der erste, der sprach. „Ich bin so stolz auf dich, dass du noch hier bist. So, so unglaublich stolz auf dich. Du hast keine Ahnung."

Jimin murmelte gegen Yoongis Schulter: „An manchen Tagen reicht es, einfach zu überleben. Einfach da zu sein. Den Tag zu überstehen. Du bist stark, nicht schwach. Niemals schwach."

Hoseok sagte: „Wir weichen nicht von deiner Seite. Wir stehen das zusammen durch."

Yoongi weinte nicht.

Yoongi blieb still.

Dann flatterten seine Augen zu, er legte den Kopf in den Nacken und flüsterte: „Danke." Er atmete ruhig ein und aus. „Danke, danke, danke."

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Mich wundert es tatsächlich, dass ich die ersten 18 Kapitel so dramafrei (für meine Verhältnisse ok) geschrieben hab, normalerweise schreibe ich so gern Angst und Hurt/Comfort, aber diese Geschichte ist ja wirklich komplett Slow Burn und... niedlich? :D

Aber nach den 18 vorgeschriebenen Kapitel gehts los mit dem Drama, ich schreibe gerade eine Szene, die mir wirklich viel Spaß macht hehe (Sorry Jungkook)