Kapitel 24

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Es war naiv zu glauben, Taehyung am nächsten Tag neben sich liegen zu haben. Es war wirklich, wirklich naiv.

Es wäre ja nicht Taehyung, wenn es einfach wäre.

Zuerst hatte Jungkook geglaubt, dass alles nur ein Traum war, doch der Geruch von Rosmarin und Bergamotte lag noch immer frisch in der Luft und als Jungkook in das Badezimmer ging, lag dort die benutzte Zahnbürste, aber kein Taehyung.

Auch Taehyungs Bettseite— die Bettseite war kalt und Jungkooks Klamotten wurden sorgfältig gefaltet und auf der Waschmaschine platziert. So, dass man es nicht übersehen konnte.

Taehyung war einfach gegangen, ohne ein Wort zu sagen.

Er war tatsächlich gegangen.

Hatten ihn seine Eltern abgeholt? Oder war er wirklich zu Fuß nach Hause gegangen, so wie er es gestern tun wollte? Jungkook fiel auf, dass er nicht mal wusste, wo Taehyung wohnte und wie lange er dort hin ging. Er hasste dieses unwissende Gefühl—besonders, wenn es Taehyung betraf. Er hasste es.

„Wo ist Tae?", fragte Jungkook als erstes, als er die Küche betrat. Seine Haare standen in alle Richtungen ab und er war sich sicher, dass noch Sabber an seiner Backe klebte. „Habt ihr ihn gesehen?"

„Guten Morgen, Jungkook", murmelte sein Vater, der gerade frühstückte. Er sah so müde aus, dass sich Jungkook fast erschrak. Jungkook murmelte schnell ein ‚Guten Morgen' zurück. „Ich bin erst vor einer Stunde nach Hause gekommen. Wer ist Tae? Ein neuer Freund?"

„Vor einer Stunde? Was hat dich so lange aufgehalten?", fragte Jungkook.

„Bloß ein neuer Klient. Du weißt, ich darf darüber nicht sprechen. Ich werde mich auch gleich hinlegen, also wer ist dieser Tae? Kenne ich ihn?" Seine Stimme wurde immer leiser, müder.

Jungkook fasste sich an den Kopf. „Ist er wirklich einfach so gegangen? Ich hab gar nichts mitbekommen!"

„Ich dachte, ihr schläft beide noch", meinte Jungkooks Mutter, die neben ihrem Mann saß und Tee trank. „Ich habe mich extra bemüht, leise zu sein, um euch nicht zu wecken. Wieso sagt er denn nichts! Geht es dir gut?"

Jungkook blinzelte. „Mir? Was? Ja, warum?"

„Wegen deinem Alptraum gestern?"

„Aso", lachte er nervös. „Mir geht es gut, ich habe geschlafen wie ein Baby."

Er hatte sich so sicher neben Taehyung gefühlt wie noch nie zuvor—als wäre Taehyung sein persönlicher Bodyguard, der alles schlechte in seinem Leben vertrieb und über ihn wachte, auch im Schlaf.

„Wie war das Lernen? Konntest du was?"

„Das Lernen war großartig. Super. Mhm", murmelte Jungkook vor sich hin und ließ sich dann wie ein nasser Sack Reis auf den Stuhl neben seiner Mutter fallen. Er warf einen Blick auf seinen Vater.

Dieser schien beinahe einzunicken. Er war viel zu dünn für seine Größe und wirkte viel zu alt für sein Alter. Jungkook gab dem Stress die Schuld und versuchte, die Sorge in ihm zu unterdrücken.

„Geh ins Bett, Schatz", sagte seine Mutter, nahm ihm das Brötchen aus der Hand und half ihm aufzustehen. Sein Vater grummelte etwas vor sich hin. Heute war einer dieser Tage. „Wir können später noch gemeinsam essen, wenn du dich ausgeruht hast."

Jungkooks Vater war ein schwer arbeitender Mann. Es war normal für ihn, um diese Uhrzeit nach Hause zu kommen und es war auch normal, dass er beim Frühstück einschlief, doch er bestand immer darauf, dabei zu sein. Immer.

Einmal hatte er Jungkook verraten, dass er Angst habe, etwas von Jungkooks Leben zu verpassen. Er fand es wichtig, sich die Zeit zu nehmen, gemeinsam am Tisch zu sitzen und zu essen. Doch die meiste Zeit funktionierte es einfach nicht. Jungkook war nie böse oder traurig darüber, denn er wusste, ein paar Stunden Schlaf und schon war sein Vater wieder voller Energie und er bekam seine ganze Aufmerksamkeit.

All The Words You Never Said [VKOOK]Where stories live. Discover now