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Langsam öffnete ich meine Augen. „Guten Morgen, honey", ertönte sogleich Elijahs Stimme. Blinzelnd sah ich ihn an. „Schau mich nicht an, ich sehe scheiße aus", meinte ich sogleich. Elijah lachte kurz. „Du siehst aus wie immer, also wohl nicht scheiße." „Gut zu wissen", murmelte ich. „Jared ist unten, wollte nach dir sehen. Er ist auf der Couch eingepennt", sagte Elijah. „Kannst du ihn bitte holen?", fragte ich. Mich wunderte es, dass Jared zugelassen hatte, dass Elijah hier bei mir blieb.

Zwei Minuten später tauchte mein großer Bruder auf und sah mich besorgt an. „Wie geht's dir, Lilith?", wollte er wissen. „Ich bin sehr müde", antwortete ich. „Es ist so unverantwortlich von Mum, einfach abzuhauen!", fauchte Jared wütend. „Sie musste wegen der Arbeit weg", meinte ich. „Das hast du ihr erzählt?", zischte Jared an Elijah gewandt. „Ich wollte sie nicht beunruhigen oder so", erklärte Elijah schulterzuckend.

„Was geht hier vor?", fragte ich scharf. „Mum macht gerade Urlaub", rief Jared aufgebracht. Verwirrt sah ich ihn an. „Sie ist einfach weg! Keine Lust, sich um dich zu kümmern! Ich weiß echt nicht, was wir ohne Elijah gemacht hätten", murmelte Jared und fuhr sich gestresst durch die Haare. „Ich bin kein kleines Kind mehr", sagte ich knapp. „Das spielt doch keine Rolle, du kommst kaum aus dem Bett!", meinte Jared. Augenverdrehend sah ich ihn an.

„Wie ich sehe, geht's dir eh ganz gut bei Elijah, ich muss unbedingt nach Hause, Kayden ist schon seit zwei Stunden alleine", sagte Jared. „Geh nur, armer Kayden", erwiderte ich gespielt empört. Mein Bruder grinste leicht und verließ das Zimmer.

„Hast du Hunger? Brauchst du irgendwas?", wollte Elijah wissen. „Ich muss duschen", erwiderte ich. „Das schaffst du doch alleine?", sagte Elijah verzweifelt. „Natürlich. Sei einfach bereit, dass ich nach dir rufen könnte, falls etwas ist", meinte ich und stand auf, um mir frische Klamotten aus dem Schrank zu nehmen. Mit denen ging ich langsam ins Badezimmer. Ich zog mich aus und stellte mich unter die Dusche.  Es war ein gutes Gefühl, endlich zu duschen. Danach konnte ich mich wieder frisch fühlen.

Ich wollte aus der Wanne steigen, aber auf einmal ließ meine Kraft nach und ich kippte um. Ein lautes Platschen ertönte. „Ist alles gut?", rief Elijah von draußen. „Du musst mir helfen!", erwiderte ich und schnappte mir das erreichbare Handtuch, um die wichtigsten Sachen zu bedecken. Elijah trat vorsichtig herein und lief kopfschüttelnd zu mir her. „Was machst du nur für Sachen", murmelte er und half mir hoch.

Dabei rutsche das Handtuch ein wenig nach unten und entblößte den größten Teil meiner Oberweite. Elijah schaut mir ins Gesicht und ließ den Blick nicht eine Sekunde tiefer sinken. „Geht's dir gut?", fragte er ein wenig besorgt. Hastig richtete ich mein Handtuch und nickte. „Schaffst du das Anziehen alleine?", wollte der junge Mann wissen. Erneut nickte ich.

„Dann lass ich dich wieder alleine. Soll ich schon etwas kochen? Hast du Hunger?", erkundigte sich Elijah. „Bestell' einfach Pizza", bat ich ihn. „Was für eine möchtest du?", wollte er wissen. „Können wir uns eine teilen? Ich weiß nicht, ob ich eine ganze Pizza schaffe", erwiderte ich. „Kein Problem, soll ich Margherita nehmen?", antwortete Elijah. „Wäre nett", meinte ich und brachte ein leichtes Lächeln zustande.

Ich zog mich an und bürstete mir die Haare. Mein Spiegelbild war ziemlich erschreckend. Obwohl ich so viel schlief, hatte ich dunkle Ringe unter meinen Augen. Die Haare waren bis jetzt das perfektes Nest für eine Vogelspinne. Aber das hatte ich ja gerade in Ordnung gebracht. Ich trug etwas Concealer auf und machte mich auf den Weg nach unten. Elijah befand sich auf der Couch.

„Möchtest du etwas schauen?", fragte dieser, als er mich erblickte. Ich schüttelte meinen Kopf. „Keine Lust", brummte ich und ließ mich neben ihm fallen. „Was dann?", wollte Elijah wissen. Ich zuckte mit den Schultern. „Lass uns ein Spiel spielen", sagte mein Gegenüber schließlich. Fragend sah ich ihn an. „Wir stellen uns abwechselnd Fragen und der andere muss sie ehrlich beantworten. Wer das nicht macht, muss irgendein Geheimnis oder ein peinliches Ereignis erzählen", meinte Elijah. Ich nickte einverstanden.

„Hattest du schon immer so ein gutes Verhältnis zu Jared?", fragte Elijah. Ich nickte. „Er hat mich immer gut behandelt, es gab sehr wenige Ausnahmen und diese hatten einen guten Grund. Hast du einen Zweitnamen?", wollte ich wissen. „Nein, zum Glück nicht. Ich mag meinen Namen nicht, mein Zweitname wäre mit Sicherheit nicht besser geworden", erwiderte Elijah. „Ich finde deinen Namen eigentlich ganz schön", meinte ich. „Naja, geht so. Ist dein Vater auf Geschäftsreise, weil er nicht da ist?"

Ich schwieg kurz. „Er ist abgehauen, als ich neun war", entschied ich mich für die Wahrheit. „Das tut mir leid. Er muss ein Arsch gewesen sein", antwortete Elijah. „Mein Dad hat Jared für alles die Schuld gegeben, letztendlich soll er sogar wegen ihm abgehauen sein. Aber ja, wer weiß, vielleicht war das ziemlich harmlos im Vergleich zu anderen Geschichten. Wie auch immer, was ist dein größter Wunsch?", wollte ich wissen.

„Ich möchte, dass meine Mutter gesund wird", sagte Elijah. „Was hat sie denn?", fragte ich vorsichtig. „Krebs", lautete seine knappe Antwort. „Das tut mir wirklich leid", erwiderte ich betroffen. „Man lernt langsam, damit umzugehen. Es ist okay, sie hat anscheinend wenig Schmerzen. Das ist gut. Naja, was war die größte Lüge, die du mir erzählt hast?"

„Dass ich dich hasse."

wild words ✓Where stories live. Discover now