Chapter 21 - Adventskalender Tür 7, 2022

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Als ich die Leiter hinunterkletterte, waren alle noch am rumstreiten.
Na super, das konnte ja lustig werden.
„Was ist?"
„Was ist denn mit dir passiert?", fragte Connor aus der Ecke und legte den Comic zur Seite.
„Ist doch scheiß egal jetzt, ich will wissen was Sache ist", wank ich ab und sah in die Runde.

„Okay", sagte Beverly entschieden. „Wir machen jetzt eine Abstimmung. Nicht über Richie, er bleibt und da gibt es keine Diskussion drüber, sondern über die Ansicht der anderen. Wer wirklich was gegen Richies Sexualität hat, hebt jetzt die Hand."
Ich sah mich um.
Nach dem Gespräch mit Stan war ich zwar selbstsicherer geworden, aber als Bill so halb die Hand hob und dann doch wieder verwirrt sinken ließ, rutschte mir das Herz in die Hose.
Bev funkelte ihn scharf an. „Und wer unterstützt in diese, Moment vollkommen?"
Fast alle hoben die Hand, sogar Connor, obwohl der eh nichts zu sagen hatte.
Wer sie nicht hob, waren Bill und...
Eddie.
Mein Herz setzte einen Schlag aus.

Beverly seufzte und drehte sich weg von Bill. Von ihr ging eine ungewohnte Kälte aus.
War das jetzt nur wegen mir? Ignorierte sie ihn wegen mir? War ich Schuld an einer eventuellen Trennung?
„Was ist mit dir, Eddie, du hast dich gar nicht gemeldet", stellte sie streng fest.

Ich sah ängstlich zu ihm.
Eddie schwieg kurz und seufzte dann. „Ich will dich nicht verletzen, Richie, aber ich kann verstehen, wieso Bill so überfordert ist. Wir hatten vorher mit dem Thema überhaupt keinen Kontakt. Und wenn, dann nur in negativen Zusammenhängen. Das kommt deshalb gerade alles sehr plötzlich. Aber...", er drehte sich zu Bill, „ich finde es echt beschissen, dass du jetzt Richie die Schuld dafür gibst. Ich bin auf seiner Seite und hätte mich eigentlich auch bei der zweiten Frage gemeldet, aber...", jetzt sah er wieder mich an, „mir kam es unehrlich vor. Weil ich es glaube ich noch nicht ganz realisiert habe, dass du... schwul bist. Und bevor ich jetzt zu allem ja sage und dann doch mit Unsicherheiten ins Bett gehe, möchte ich lieber alles geklärt haben. Also, Richie, wenn du einverstanden bist, würde ich gerne nochmal mit dir reden. Alleine."
Mike hob eine Augenbraue.
"Ich muss auch nicht jedes Detail kennen, um Richie unterstützen zu können. Und ich hatte bis jetzt auch noch keine Berührungspunkte mit dem Thema."
"Ich weiß, aber... ich würde die Dinge um mich herum gerne verstehen, verstehst du? Gerade, wenn es um Richie geht. Ich will nicht, dass zwischen uns irgendwas steht, die Zeiten sind jetzt vorbei."
Er sah für einen Moment sehr entschlossen aus und realisierte dann, was er gesagt hatte. "Ähm, also, freundschaftlich. Nichts gegen dich Richie, nur... ich bin nicht... schwul, ich meine, ich will nur nicht, dass-"
"Hol mal wieder Luft, Eds. Es ist okay, ich hab nichts anderes erwartet. Du stehst halt nicht auf mich, das kann ich ja auch nicht erwarten. Und ja, wir können auch reden. Du hast ja irgendwie das Recht dazu."
Bev sah mich aus der Ecke zweifelnd an, aber ich ignorierte sie.
Genauso wie mein blutendes Herz.
Aber das war jetzt nebensächlich, Hauptsache ich verlor Eddie nicht komplett. Ich würde schon drüber wegkommen.
"Okay, dann... wir sehen uns später, Richie." Bev sah mich streng an und kletterte dann aus dem Clubhaus. Die restlichen Loser folgten einer nach dem anderen. Ben lächelte mir noch aufmunternd zu und verließ dann ebenfalls das Hüttenloch.

Nun waren wir alleine. Nur Eddie und ich.
Und anstatt ihn nach dem ganzen Desaster in den Arm nehmen zu können, musste ich noch eine Befragung überstehen.
"... wird es jetzt weird zwischen uns?", fragte ich vorsichtig.
Eddie schüttelte den Kopf und setzte sich auf die Schaukel. "Ich hoffe nicht. Deshalb will ich das hier ja machen."
"Kannst du das echt einfach so... hinnehmen?"
"Dass du mich liebst?" Eddie lachte kurz. "Es ist... uff, ich weiß nicht, wie ich das sagen soll. Es ist Wahnsinn. Nicht, weil wir beide Jungs sind, das ist ne andere Sache, aber weil es wir sind. Ich hätte nie gedacht, dass... ich meine, du bist Richie Tozier. Mein bester Freund seit Kindertagen.
Was bringt dich dazu, mich zu lieben? Das ist ja schon was großes... Liebe..."
Kurz schwieg ich, um die richtigen Worte zu finden.
"Du sagst das, als würde es dir Angst machen, Liebe zu erfahren. Als wäre es zu groß, um sie erleben zu dürfen. Aber das ist sie nicht. Liebe kommt ja von denen, die sich lieben. Es ist einfach... wir. Es ist individuell.
Mit Connor zum Beispiel war es sehr physisch. Wir waren jung, horny und zu dem Zeitpunkt haben wir uns gefühlt als hieße es wir, als die einzigen Schwulen, gegen den ganzen homophoben Rest. Wir hatten viel Sex und haben viel geredet. Das war schön und ich hab ihn auch geliebt.
Aber bei dir ist das ganz anders. Bei dir fühlt es sich viel... vollkommener an. Deine ganze Persönlichkeit sprüht. Ich will dich nicht anlügen, natürlich kann ich mir auch mit dir was sexuelles vorstellen, junge, diese kurzen roten Shorts, wolltest du, dass ich mich nur auf deinen Hintern konzentriere?
Nein, das stimmt so eben nicht, das war der Punkt den ich machen wollte, es ging eben nicht nur um die roten Shorts und alles darunter, sondern um dich.
Dich beschützen, dich im Arm halten, dich küssen, dich lachen sehen, dich aufziehen, dich mit Spitznamen nerven, all die kleinen Dinge hatten auf einmal so viel mehr Bedeutung. Weil es um dich ging und du dann glücklich warst oder glücklich hättest sein können.
Du, mit deinen tausend Krankheiten und deinen ständigen Sorgen und den langen Strümpfen im Sommer - ich meine, wer macht denn sowas? - und deinem Humor, deine Grübchen, dein unfassbar nerviges Genörgel wegen Hygiene, deine Stimme, deine Rehaugen, dein Wissen, dein Mut, wie du ES in die Fresse getreten hast, alles an dir ist so einzigartig und ich hab mich- Hals über Kopf- in dich verknallt." Ich holte tief Luft. "Alter, war das kitschig. Ich kotz gleich, war das peinlich? Du bist so tot, wenn du irgendwem was hiervon sagst, Eduardo!"
Plötzlich prustete Eddie los.
"Ey, halts Maul, was soll das? Du nimmst mich nicht ernst!"
Eds sah ein wenig beschämt aus und hielt sich die Hand vor den Mund, um sich wieder einzukriegen.
"Tut mir leid... aber du hast Recht, das war sehr... du." Und er fing wieder an zu kichern.
"Ich hasse dich." Irgendwie war ich jetzt schon beleidigt. Ich meine, hallo?! Ich schüttelte ihm mein Herz aus und er lachte!
"Okay, okay, es tut mir wirklich leid. Ehrlich." Eddie blickte mich wieder etwas ernster an. "Aber... danke. Das war schön... das hat noch niemand zu mir gesagt... außer der Teil mit meinen roten Shorts, was zum Geier, Richie?"
Ich grinste wissend. "Da brauchst du doch nicht gleich rot werden, Eddiebär, du bist nunmal heiß in den Dingern." Ich zwinkerte ihm zu. "Aber gerne doch, ich weiß, ich bin perfekt und kann alle mit meinen Worten einlullen. Ich bin quasi eine Sirene, nur in wunderschöner."
"Ein Vollidiot, das bist du!"
"Aber selber!"
Eddie streckte mir die Zunge heraus und ich musste leise lachen. Falls er noch einen Beweis dafür brauchte, wieso ich ihn liebte, würde ich genau diese Situation nehmen.
Und die roten Shorts.

Reddie to love? Where stories live. Discover now