Chapter Two

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"Spaghetti! Schon so früh? Bist du aus dem Bett gefallen?" Grinsend lies ich mich neben meinem besten Freund nieder, der auf unserer üblichen Bank saß und in seinem Bio-Buch blätterte.

Er hatte sich in den letzten drei Jahren kaum verändert. Klar, er war älter geworden, ein bisschen gewachsen, seine Haare waren gelockter, er trug keine Bauchtaschen mehr... Eigentlich hatte er sich schon verändert. Aber er war immer noch fast einen Kopf kleiner als ich, trug immer noch kurze Hosen mit T-Shirts und hohen Strümpfen und war immer noch unfassbar leicht zu ärgern. Das genervte Augenrollen, seine unfassbar schnelle Redeart ich fand das einfach unglaublich süß.

"Ehrlich gesagt schon, ich hatte mir den Wecker früher gestellt wegen der Klausur heute und ich hab mich erschreckt wie sonstwas. Und nenn mich nicht so, du weißt ich hasse das!" Er warf mir einen Todesblick zu. Ich grinste nur noch mehr und nahm ihm das Buch aus der Hand.
"Na gut Eds, aber Genetik ist doch einfach! Du siehst doch das alles an den Zeichnungen und Diagrammen." "Zum letzten Mal, Richie, mein Name ist Eddie! Und ich verstehe die Zeichnungen aber nicht, dass ist doch nur ein Haufen Kreise und Punkte! Seit wann bist du eigentlich mal pünktlich in der Schule?"
Ich lachte leicht.
"Erstens, Eds, sind die Kreise Zellen und die Punkte Zellkerne. Und da sind halt Chromosomen drinnen, damit die Zelle, zum Beispiel eine befruchtete Eizelle, sich in Tochterzellen aufteilen kann, wie bei mir und deiner Mom, womit wir zum zweiten Punkt kommen, ich hab sie nämlich gestern..."
"Jaja Rich, wir wissen alle, was du sagen willst, wobei ich bezweifele, dass so schnell wie du bist das der Grund für dein ständiges Zuspätkommen war", unterbrach mich plötzlich eine Stimme hinter mir und schon setzte der dazugehörige Lockenkopf sich neben mich.
"Stan the man! Das du dich mal wieder hier blicken lässt, wir sollten uns vor Dankbarkeit verbeugen! Die eigentliche Frage ist doch aber, woher willst du das wissen, hast du etwa gespannert?"
"Das ist doch jetzt überhaupt nicht wichtig, Richie, gib mir mein Buch wieder, ich muss das noch bis zur dritten Stunde in meinen Kopf kriegen!" Schmunzelnd legte ich das Buch in meinen Schoß und begann ihm, begleitet von ein paar Kommentaren meinerseits, Genetik zu erklären. Stan unterhielt sich mit Bill, der inzwischen auch angekommen war.

Nach langer Zeit fühlte es sich endlich mal wieder so an, wie früher, vor dem Clown. Als es nur wir vier waren. Oder während des Clowns, als wir sieben uns noch fast jeden Tag getroffen haben.
Nach dem Blutschwur fühlte es sich einfach so endgültig an, als würden wir alle uns nie wieder sehen, was bei Bev ja zumindest ansatzweise hinkam.
Wir anderen hatten uns erstmal alle zurück gezogen.
Ben verschanzte sich in der Bücherei und irgendwann zog Stan hinterher. Das hat irgendwie wehgetan.
Stanley kannte ich von den Losern am längsten und dann freundete er sich mehr und mehr mit Ben und Mike an. Natürlich war es seine Sache, aber ich fühlte mich schon etwas verraten.
Es fiel mir schon immer schwer, etwas loszulassen und die Loser waren alles für mich.
Wer war ich ohne sie?
Wer war ich ohne jemanden, den ich mit meinen schlechten Witzen zumindest zum Lächeln bringen konnte?
Wer war ich ohne diejenigen, die mit mir durch diese Hölle damals gegangen waren?
Ich war ein niemand ohne sie. Einfach nur dieser bekiffte, besoffene oder rauchende Typ, der seine Zeit damit verbringt Streetfighter zu spielen um zumindest irgendwo irgendwas zu erreichen.
Das mit Stan, das war noch okay, ich hatte ja noch Bill und Eds und wie man gerade sah, war Stan doch nicht ganz aus der Welt.
Aber wenn Bill auch noch gehen würde, vielleicht auch in die Bibliothek, wo er in Ruhe durchs Geschichten schreiben alles verarbeiten konnte...
Dann hätte ich nur noch Eddie. Und das wäre nicht schlimm, im Gegenteil, ich würde es genießen, mal nur ihn bei mir zu haben. Aber auch die anderen waren mir wichtig. Und wenn er dann irgendwann gehen würde, weil ich ihn zu sehr nervte oder so... Ich könnte das nicht.
Das ging doch so nicht weiter!

"Hey, Loser, habt ihr morgen Zeit? Wir könnten mal wieder alle zusammen was machen, vielleicht ins Clubhaus oder ins Kino gehen oder so..." Aus unerfindlichen Gründen wurde meine Stimme immer leiser und mein Blick huschte unsicher zwischen den fünf Jungs hin und her. Seit wann war Ben eigentlich schon da? Na um so besser.
Eddie schenkte mir ein vorsichtiges Lächeln, was mein Herz zum schmelzen brachte. Gott, warum musste dieser Junge auch so süß sein? "Also ich finde die Idee gut, das haben wir schon lange nicht mehr gemacht." Bill schaute ein bisschen skeptisch. "Aber ohne B-Beverly ist das ja auch nicht alle zusammen..." Der Mut, den mir Eddie gerade gemacht hatte, verschwand augenblicklich. War ja klar, das sowas kommt.
"Das mit Beverly können wir nicht ändern, aber Richie hat schon Recht. Wir sollten auch ohne sie mal was zusammen unternehmen. Also ich bin dabei!" Dankend sah ich Ben an, bevor sich alle Aufmerksamkeit auf Stanley richtete. Dieser schaute Bill an.
"Ich finde auch, du solltest mal über sie hinweg kommen, Bill. Und solange Richie mir den Kinoeintritt zahlt denke ich, dass ich irgendwann Zeit finden kann."
"Bin ich jetzt dein Zuhälter oder was?"
"Also dich als Zuhälter wünsche ich nicht mal Bowers! Und vielleicht hast du schonmal daran gedacht, dass ich irgendwie überredet werden muss, mitzukommen, schließlich hasse ich euch immer noch" Stan zwinkerte mir zu und ich lachte.
Das mit dem 'Ich hasse euch' war seit dem Blutschwur ein nie alt werdender Witz zwischen uns allen. "Okay Stanley Manley, dann spendier' ich dir das halt. Aber Popcorn und Zutrinken kaufst du dir selbst, du Geizhals! Was gucken wir denn? Es läuft 'Universal Soldier' und 'Basic Instinct', glaube ich."
"Bist du bescheuert? 'Universal Soldier' ist ab 18!", meinte Eds entsetzt. "Na und? Wir haben doch auch schon mit 13 den Werwolf-Film da geguckt, was ist so schlimm daran mit 16 einen Film ab 18 zu gucken?" Ich wusste genau, dass Eds ungerne solche Filme sah, aber ich liebte es. Es gab mir ein Gefühl von Kontrolle, weil ich so die Illusion hatte, meine Ängste kontrollieren zu können.
Und vielleicht, wenn Eddie neben mir saß und sich erschreckte, hält er sich an mir fest oder so, wie in so kitschigen Liebesfilmen. Bei der Vorstellung musste ich lächeln. Solange, bis Bill meinte, er würde auch lieber den anderen Film sehen und nach einer Abstimmung ich tatsächlich überstimmt wurde. Seufzend gab ich mich geschlagen und kurz darauf klingelte es zur ersten Stunde.

Reddie to love? Where stories live. Discover now