2 - ein Ausritt

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Freitag: der einzige Tag an dem ich direkt nach der Schule in den Stall durfte, da ich die Hausaufgaben übers Wochenende erledigen konnte. Der Tag, an dem ich Cedric nach vier langen Tagen wieder sah. Allein der Gedanke beflügelte mich. Kaum war ich aufs Fahrrad gestiegen, trat ich so schnell ich konnte in die Pedale.

Meine Freude wurde aber mit einem Mal ausgebremst, als ich in die Hofeinfahrt fuhr, sah ich, wie Cedric eine Blondine im Arm hielt. Meine kleine aber heile Welt fiel mit einem Mal in 10.000 Scherben. Ich kannte das Mädchen nicht, vielleicht war es ja auch seine Cousine oder nur eine Freundin. Ach, was redete ich mir da ein, selbst ein Blinder sah, dass sie beiden verliebt waren. Tief im inneren war es mir bewusst gewesen, dass er mal eine Freundin haben wird, aber A. hatte ich davon geträumt, ich wäre diejenige, die sich seine Freundin nannte und B. Es traf mich schlimmer als erwartet. Hoffentlich kam Anna bald, damit ich mich bei ihr ausweinen konnte.

„Nala, du bist ja schon da. Dann können wir gleich loslegen", freute sich Moritz ehrlich. „Hallo Moritz.", begrüßte ich ihn, „ich muss leider erst Prinz reiten." Das war gelogen, ich wusste es und Moritz war es ebenfalls bewusst, schließlich war es ein Pony von den Ashworths. Denen war es herzlich egal, wann ich ihn reiten würde. „Aber es ist doch egal, wann du Prinz reitest? Sonst frag ich Mama oder Cedric, ob sie ihn reiten, dann musst du das nicht machen." Um Himmelswillen, bloß nicht. Nachdem ich Cedric nun schon verloren hatte, konnte er mir jetzt nicht auch noch meinen Prinz nehmen.

„Nein, nein, ich möchte ihn ja reiten, dann machen wir eben erst Amy, möchtest du auf den Platz oder ins Gelände?" Das dieser verdammte kleine Junge auch immer das bekam, was er wollte.

„Lieber ins Gelände.", strahlte er, nahm meine Hand und zog mich in den Stall zu Amy. In dem gerade Cedric und seine neuste Eroberung ebenfalls zu Gange waren. „Cedric, gehst du mit ins Gelände, Nala und ich gehen trainieren." Binnen Sekunden lief mein Gesicht purpurrot an. Er blickte von Moritz zu mir.

„Ach, du bist Nala, ich hab mir schon überlegt, von wem Moritz in letzter Zeit so geschwärmt hat." Er lächelte mir zu, da waren sie auch schon, die kleinen Lachfältchen um die Augen. „Äh ... Ja ..." So hab ich mir mein erstes Gespräch mit ihm zwar nicht vorgestellt, aber es ist auch ziemlich bitter, seit mehr als zwei Jahren reite ich nun schon eines seiner Ponys und er kannte mich nicht.

„Klar, wir können gerne mit dir raus gehen.", schleimte sich die Blondine bei Moritz ein, „wir können heute das Training übernehmen, dann kannst du reiten gehen.", redete sie mit mir weiter. Sehr gut, ich wollte sowieso nicht sehen, wie die beiden sich verliebt ansahen und Moritz und ich das dritte Rad am Wagen waren.

„Neiiiiiin.", beschwerte sich Moritz gleich, „Nala geht mit, wenn bleibt ihr hier." Entsetzt schauten Cedric und das Mädchen Moritz an, der immer noch an meiner Hand hing. Cedric konnte von mir aus gerne mitkommen.

„Du kannst das doch nicht einfach bestimmen, bestimmt hat Nala noch andere Sachen vor.", tadelnd redete Cedric auf seinen Bruder ein. „Das passt schon, ist ja so ausgemacht.", schaltete ich mich schnell ein. „Du bist zu nett zu ihm, er darf nicht alles bekommen was er will.", rügte mich Cedric mit einem Lächeln und ich musste mich ernsthaft zusammenreißen nicht vor Freude zu quieken. Die Grübchen, das erste mal sah ich sie aus der Nähe. Sie raubten mir ein bisschen den Atem.

„Wir können ja auch alle zusammen gehen.", lachte ich unsicher und holte wieder Luft. Warum tat ich mir das nur an? Zu sehen wie die Liebe meines Lebens mit einer anderen Hand in Hand lief, während ich Händchen mit einem Führstrick hielt.

Kurze Zeit später gingen wir also zusammen die Waldrunde, Cedric hatte vorgeschlagen sie nicht zu gehen, da sie ziemlich weit war und die Wolken schon recht dunkel waren, doch Lynn, mittlerweile hatte ich den Namen der Blonden erfahren, wollte sich bei Moritz einschmeicheln und entschied, dass wir trotzdem diese Runde gingen.

Es kam, wie es kommen musste, es fing an zu Regen. Anfangs wurden wir durch den Wald geschützt, doch der Regen wurde immer stärker. „Hier in der Nähe ist eine alte Hütte von uns, kommt mit." Gemeinsam trabten wir hinter Cedric her, der wusste, wo seine Hütte lag. Die Hütte sah gar nicht so alt aus, wie ich sie mir vorgestellt hatte. Doch wunderte ich mich, warum ich noch nie an der Hütte vorbei gekommen war, schließlich war ich schon öfter diese Runde geritten. Es war eine niedliche hölzerne kleine Hütte, die mit den Jahren ein bisschen an Anstrich verloren hatte.

„Willst du etwa das Pony da mit rein nehmen?" Lynn war geschockt, als Cedric mir den Strick aus der Hand nahm um Amy mit hinein zu führen. Für einen winzigen Augenblick hatten sich unsere Hände berührt, was zur Folge hatte, dass mein kleines Herzchen mehrere Saltos hintereinander schlug.

„Du kannst doch das arme Pony nicht einfach draußen lassen, wir haben keine Decken da und wenn das Sattelzeug nass wird, kannst du später Moritz heimtragen." Bei Cedrics Antwort musste ich kichern. „Ja, aber wenn sie dort hinein mistet?" „Dort ist ziemlich alles abgedeckt, ansonsten mach ich es weg, du brauchst dir darüber keine Sorgen machen, Schatz." Schatz, dieses Wort lies mir einen Schauer über den Rücken laufen.

Knacksend ging die Türe auf, Cedric hatte Recht, ziemlich alles war mit einer Plastikfolie abgedeckt. „Rutscht die Folien ein bisschen auf die Seite, dann könnt ihr euch setzen." Gesagt getan, nur Moritz, der saß immer noch auf seiner Amy.

„Wie wäre es, wenn du mal absteigst, Amy würde sich bestimmt darüber freuen.", redete Lynn auf ihn ein. Moritz überlegte kurz, sprang dann von Amy herunter um gleich auf meinen Schoß zu springen.

„Wärmst du mich bitte? Mir ist kalt." Erst war ich geschockt, dass Moritz das Wort bitte kannte und dann erst fiel mir auf, das wir besser gesagt ich, vor lauter quatschen vorhin vergessen haben Moritz einen Pulli anzuziehen. Die Gänsehaut auf seinen Armen war nicht zu übersehen. Ich öffnete den Reißverschluss von meiner Sweatshirtjacke, um sie mir auszuziehen.

„Hier, nimm meine Jacke, das nächste Mal müssen wir wieder daran denken einen Pulli mitzunehmen." Schnell schlüpfte er in meine Jacke, die ihm ein bisschen zu groß war, dann kuschelte er sich an mich. Es war ja gut, dass Moritz nicht mehr frieren musste, allerdings war mir jetzt kalt.

Wenn das Schicksal auf meiner Seite gewesen wäre, würde Lynn jetzt weit weg sein und Cedric würde sich neben mich setzen seine Arme um mich legen und mich wärmen. Ich hatte so vor mich hingeträumt, dass ich gar nicht mitbekommen habe, wie Cedric ein Bild von Moritz und mir gemacht hatte, erst durch den Blitz seiner Handykamera bin ich aus meinem Traum erwacht.

„Moritz ist so ein Süßer.", lachte Lynn. Sie war doch schon mit Cedric zusammen, was musste sie denn dann noch weiter schleimen. „Wann gehen wir wieder?", kam darauf nur eine genervte Antwort von Moritz, er mochte es gar nicht süß genannt zu werden. „Wenn es aufgehört hat zu regnen.", antwortete ich ihm geduldig.

Es hörte aber nicht auf zu regnen, sondern der Regen schien immer mehr zu werden, mitten im Wald hatte auch keiner Handyempfang, war ja klar. Moritz kuschelte sich noch näher an mich und schloss die Augen, nach einigen Minuten konnte ich ein ruhiges gleichmäßiges Atmen spüren, er war eingeschlafen. Nach kurzer Zeit fielen mir ebenfalls die Augen zu.

Verliebt in einen SpringreiterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt