Kapitel 1

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Louis:

„Kommst du, Louis?", fragt Magnus, „wir wollen los." „Ja", rufe ich, „eine Minute." „Wie immer", lacht Niklas, „beeil dich Kleiner." „Jaja", rufe ich und gehe nochmal aufs Klo. Ich bin extrem aufgeregt.

Wenig später befinden wir uns im Trainingszentrum des THWs. Ich setze zwischen meinen Brüdern auf der Bank und schnüre meine Handballschuhe. Zum ersten Mal nach meinem Kreuzbandriss darf ich Handball spielen und meine Brüder werden mich dabei unterstützen. „Dann wohl erstmal warmlaufen", sagt Niklas. „Macht ihr mit?", will ich wissen. „Nein danke, wir trainieren gleich auch nochmal", sagt Niklas. „Du fauler Sack", grinse ich, „machst du mit?" Bettelnd schaue ich Magnus an. „Ne, ich schaue lieber zu", winkt auch mein anderer Bruder ab. „Na gut", seufze ich und fange an zu laufen. Ich vertraue meinem Knie noch nicht vollständig und ich habe Angst vor einer erneuten Verletzung. Aber ich habe von meinem Arzt den Zuspruch bekommen und bin körperlich bereit zu spielen. Nach einem ausführlichen Aufwärmen und Dehnen bekomme ich von Magnus einen Ball zugeworfen. Wir stellen uns auf und fangen erstmal an im Dreieck zu werfen. Dabei bewegen wir uns etwas und sofort spüre ich wieder diese Liebe zu dem Sport. Ich habe es so vermisst zu spielen. „Wie wäre es mit ein paar Torwürfen", schlägt Niklas vor, „du kannst das Lou, mach dir keine Sorgen." „Es ist auch super motivierend, dass ich gar nicht treffen werde, weil mir ein zweifacher Welthandballer gegenübersteht", sage ich und verdrehe meine Augen. „Du kannst ja Magi zuerst werfen lassen. Der wird auch nicht treffen", sagt Niklas und grinst selbstgefällig. „Das werden wir ja sehen", droht Magnus und ich werfe ihm den Ball zu. Er geht nach Linksaußen und auch Niklas macht sich bereit. Magnus läuft an, springt ab, wirft, aber der Ball wird von Niklas gehalten. „Siehst du", lacht der Älteste, „du bist dran Lou." „Ich weiß nicht", sage ich unsicher, „mein Knie." „Deinem Knie geht es gut", beruhigt mich Magnus, „du musst nur vertrauen in dich selbst haben." „Okay", nicke ich und er wirft mir den Ball zu. Ich gehe nach Rechtsaußen und konzentriere mich. Ich tippe den Ball kurz auf dem Boden auf und schaue kurz zu Niklas. Dann laufe ich an, springe ab und beobachte was er macht. Da ich absolut keine Sprungkraft mehr habe, habe ich praktisch gar keine Zeit und schleudere den Ball einfach auf Niklas zu. „Vielleicht sollten wir erstmal an normalen Torwürfen arbeiten", schlägt Magnus lachend vor, als Niklas den Ball einfach fängt. „Klingt gut", finde ich.

Wir trainieren noch ein paar viele Minuten, bis mich meine Kondition verlässt und ich dringend eine Trinkpause brauche. „Du schlägst dich gut", lobt mich Niklas, „ich weiß, dass es nach einer Verletzung nicht einfach ist. Aber du bist stark und wir glauben an dich." „Danke", lächle ich, „ihr seid die besten Brüder die es gibt." „Immer gerne", meint Magnus und umarmt mich kurz, „wir haben dich lieb." „Ich euch auch", murmle ich. „Was ist denn das hier für eine Veranstaltung?", werden wir plötzlich unterbrochen. Magnus und ich fahren auseinander und schauen genau wie Niklas zum Eingang, wo Rune Dahmke steht. „Hey Rune", begrüßt Magnus den gebürtigen Kieler. „Hi", grinst dieser, „wer ist das?" Bei seiner Frage deutet er auf mich. „Louis, unser kleiner Bruder", erklärt Magnus und drückt kurz meine Schulter. Ich schaue ihn einen Moment strahlend an. Für jeden anderen Jungen wäre sowas normal, aber für mich ist es etwas anderes. „Ich wusste gar nicht, dass ihr noch einen Bruder habt", sagt Rune, „du meintest doch mal ihr hättet keine weiteren Geschwister." „Ja, wir haben zusammen beschlossen, dass niemand von ihm wissen sollte. Es hatte seine Gründe", erklärt Niklas, „aber jetzt wohnt er bei uns in Kiel und wird hier studieren." „Spielst du auch Handball?", will Rune wissen. „Ja", nicke ich, „aber nicht so gut wie die beiden. Hatte gerade einen Kreuzbandriss und fange heute wieder an." „Apropos, wollen wir weitermachen? Wir haben gleich Training und wir sollten die letzten Minuten noch ausnutzen", sagt Magnus. „Ich schaue zu", beschließt Rune. „Na dann", sagt Niklas, „weiter von Mitte?" „Kann Magi vielleicht mein Gegenspieler sein?", schlage ich vor. „Okay", nickt dieser, „Mitte?" „Mitte", nicke ich. Er stellt sich bei neun Metern hin und ich stehe mit dem Ball ein paar Meter entfernt von ihm. Ich laufe prellend auf ihn zu, mache eine Täuschbewegung und springe danach ab. Meine Sprungkraft ist mittlerweile schon besser geworden und ich kann Niklas etwas beobachten. Er bewegt sich schon etwas in eine Ecke, also werfe ich schnell in die andere und treffe endlich mal. „Endlich!", juble ich und springe einmal um Magnus rum. „Super", lobt er mich und klatscht mit mir ab. „Spielst du eigentlich auf Mitte oder woanders?", will Rune wissen. „Rechtsaußen", antworte ich, „ich bin der Linkshänder der Familie. Irgendwer muss sich ja um die Quote kümmern." „Wer ist Linkshänder?", ertönt plötzlich die Stimme eines anderen THW-Spielers, Sven Ehrig. „Ein Landin", antwortet Rune, „der trainiert gerade etwas mit seinen Brüdern." „Keine Sorge, ihr bekommt mich nicht ins Team", lache ich, „das wollt ihr bestimmt nicht." „Hey, so schlecht bist du nicht", meint Niklas, „du fängst gerade wieder an." „Danke", sage ich, „aber du weißt genau was ich meine." „Darüber reden wir nicht, denk an die Vereinbarung", erinnert mich Magnus. „Ja", nicke ich. „Wie lange noch bis zum Training?", will Niklas wissen. „Eine Viertelstunde", antwortet Sven, „der Großteil ist auch schon in der Kabine. Rune ist in die Halle gegangen, weil er einen Ball gehört hat und danach nicht wiedergekommen. Deshalb wollte ich schauen wo er bleibt." „Willst du nochmal von Rechtsaußen werfen Lou, danach müssen wir aufhören", sagt Niklas. „Au ja", sage ich und bekomme von Niklas den Ball, als er ihn aus dem Tor gefischt hat. „Du kannst das", spricht Magnus mir Mut zu. Ich konzentriere mich nochmal für ein letztes Mal und laufe an. Abspringen, Niklas beobachten und im richtigen Moment werfen. Da Niklas sich in die lange Ecke bewegt werfe ich in die kurze Ecke. Ich lande wieder auf dem Boden und beobachte den Ball. Er fliegt über Niklas Bein genau ins Tor. „Super Lou!", jubelt Magnus, „zeig es ihm!" Er läuft auf mich zu und wirbelt mich durch die Luft. „Lass mich runter", fordere ich lachend, „es war nur ein Tor." „Ja, aber du dachtest am Anfang, dass du nicht gegen Niklas treffen wirst", erinnert er mich, „und du hast es jetzt geschafft." „Reib es mir halt unter die Nase", seufzt Niklas. „Immer gerne", lacht Magnus. „Training beendet", sagt Niklas genervt und geht zum Seitenrand. Auf dem Weg wuschelt er einmal durch unsere Haare. Ich laufe hinter ihm her zu meiner Trinkflasche um erstmal wieder einen großen Schluck zu trinken. Dann schlüpfe ich in meine dünne Trainingsjacke. 

„Was soll ich jetzt eigentlich machen?", frage ich ihn. „Ich kläre mit Filip, ob du hierbleiben kannst", meint er. „Danke", murmle ich, „wo sind hier die Klos?" „Da vorne durch die Tür, einmal durch die Kabine und dann gibt es ein paar Pissoirs und auch eins mit einer geschlossenen Kabine", erklärt Niklas. „Okay", nicke ich, „danke." Ich folge dem beschriebenen Weg und bleibe am Eingang zur Kabine kurz stehen. Scheiße, ich treffe jetzt einen Haufen Profihandballer die mich nicht kennen und meine Brüder sind nicht da um mich zu unterstützen. Ich öffne unsicher die Tür und schaue mich kurz um. Lauter Handballer, die sich miteinander unterhalten oder noch umziehen. Domagoj Duvnjak schaut genau in meine Richtung und sein Blick wirkt sehr verwirrt: „Wer bist du und was machst du in unserer Kabine?" „Ähhm", mache ich unsicher, „Magnus und Niklas sind meine Brüder und ich wollte kurz aufs Klo, fragt die Beiden weitere Fragen." Ich laufe schnell durch die Kabine, öffne die Tür zum Klo und gehe schnell hinein.

Lucky againWhere stories live. Discover now