Kapitel 4 - Neue Errungenschaft

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(Gegenwart)

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(Gegenwart)

Meine neueste Errungenschaft befindet sich in meinem speziell für derartige Fälle ausgebauten Keller. Er muss zunächst lernen mir zu vertrauen, da ihm nicht bewusst ist, dass er nun in Sicherheit ist. Das wird er aber noch früh genug erfahren und verstehen. Bis dahin muss er leider angekettet bleiben, denn ich darf die Männer niemals unterschätzen. Ich respektiere den Zorn, der in ihnen schlummert. Sie verachten mich und gehen davon aus, dass ihnen ein qualvolles Leben oder sogar der Tod bevorsteht. Sie wissen schließlich nicht, was mit Ihnen nach einem Kauf passiert und rechnen somit mit dem Schlimmsten.

Diesmal habe ich ein besonders aggressives Exemplar erwischt. Er stand auf der Todesliste, sowas wie ein Sonderangebot in diesem Geschäft, damit sie sich nicht selbst die Hände schmutzig machen müssen. Solche Individuen haben schlichtweg keine andere Option. Sie würden sich niemals ihrem traurigen Schicksal fügen. Das Ego ist ihr Triebwerk und sie begreifen bedauerlicherweise nicht, dass dies sie lediglich auf die Liste derer bringt, die dem sicheren Tod geweiht sind.

„Bring es endlich zu Ende oder genießt du es mir zuzusehen, wie ich qualvoll sterbe?", fragt er mich ohne seinen Kopf zu heben. 

Er durchbricht als erster damit die Stille in diesem Raum. Seine Stimme klingt rau vor Erschöpfung. Ich fühle, wie sich meine Mundwinkel nach unten absenken. Er weigert sich mir den Respekt zu erweisen und mich anzusehen. Ich spüre so sehr seinen Schmerz, dass sich mein eigenes Herz plötzlich so schwer in der Brust anfühlt. Er hat sich schon längst mit seinem Schicksal abgefunden. Mir wurde versichert, dass er wenigstens nicht unter Drogen gesetzt wurde. Das wird seine Genesung erleichtern, aber ich werde dennoch meinen Arzt holen und ihn durchchecken lassen. Meine Männer verdienen die beste medizinische Versorgung.

Ich gebe ihm auf seine Frage keine Antwort, sondern beobachte ihn weiterhin ausgiebig. Ich bleibe bewusst im Türrahmen stehen, um einen Sicherheitsabstand zwischen uns zu wahren. Er wurde vor einigen Stunden von meinen Männern abgeholt und ich wollte ihm etwas Zeit geben sich zu beruhigen. Er sitzt auf dem grau gefliesten Boden, den Rücken an die kalte Ziegelwand angelehnt. Eine seiner Hände ist an der Wand hinter ihm angekettet, sowohl zu unserer als auch zu seiner Sicherheit. Eine Dusche lehnte er ab. 

Sein Kopf ist nach unten geneigt und zwischen seinen angewinkelten Beinen vergraben. Dunkle, mittellange Haare umrahmen sein Gesicht, hängen ihm über die Stirn und verdecken seine Züge. Ich lasse meinen Blick weiter über seine Körperstatur schweifen. Er ist breit gebaut, etwas ungepflegt, aber ich schätze, es verbirgt sich ein hübsches Gesicht dahinter. Mir wurden nur wenige Bilder bei der Auswahl gezeigt, aber das Aussehen spielte für mich nie eine Rolle. Ich suche hier nicht meinen Traummann aus dem Katalog. Ich frage mich, wo genau sie ihn aufgegriffen haben. Wer war er in seinem vorherigen Leben?

„Es liegt ganz an dir, ob du leben wirst", antworte ich endlich und mit selbstsicherer Stimme, nachdem ich mich gefangen habe. Ich versuche mich zusammenzureißen, denn es ist nicht von Vorteil meinerseits Schwäche zu zeigen. Er hebt daraufhin endlich seinen Kopf an. Überraschung zeichnet sich in seinen müden, braunen Augen ab. Er will gerade ansetzen, um etwas zu sagen, doch ich komme ihm zuvor.

„Hast du Hunger?", frage ich und stelle das Tablett mit frischer Pasta auf dem Boden vor meinen Füßen ab. Ich gehe in die Hocke, um auf seine Augenhöhe zu kommen. Er zieht verwundert eine Augenbraue hoch. Vorsichtig schiebe ich das Tablett näher zu ihm, halte jedoch weiterhin einen sicheren Abstand. Ich würde ihm gerne so viele Fragen stellen, aber seine Augen sind voller Hass. Das hat momentan keinen Sinn. Ich muss allerdings leicht schmunzeln bei dem Anblick der köstlichen Pasta vor mir.

Die Flashbacks überwältigen mich und es fühlt sich an, als wäre es gestern gewesen, dass ich meinen armen gebrochenen Theodolius aus dem Abgrund herausgezogen habe. Doch es sind schon einige Monate seitdem vergangen. Er saß in dem gleichen Raum wie mein jetziger Neuling, dem ich den Namen "Alastor" gab. Der griechische Dämon. Das passt zu seinem düsteren und bedrohlichen Erscheinungsbild. Ich hoffe, er mag diesen Namen ebenfalls, andernfalls werde ich mir die Mühe machen müssen, um an einen neuen Pass zu kommen.

Er rührt sich immer noch nicht von der Stelle, studiert mit seinen Augen das Essen, als würde er damit herausfinden, ob es vergiftet ist. Ich lasse ihm die Zeit, während ich weiterhin lächelnd in meinen Erinnerungen schwelge und geduldig auf eine mögliche Reaktion warte.

Theo ist inzwischen kaum wiederzuerkennen. Denn wir haben ihn gemeinsam aufgebaut, ihm gezeigt, dass er sein Leben wieder in eigene Händen nehmen kann. Es war sein eigener Wunsch, vorerst bei uns zu bleiben. Er wollte uns helfen und seine Dankbarkeit auf diese Weise zum Ausdruck bringen. Außerdem ist er ein verdammt talentierter Koch. Ich frage mich, ob Alastor denselben Weg einschlagen wird? Wird er sich von den Strapazen erholen und mir Respekt entgegenbringen? Wird er ein weiteres Mitglied unserer kleinen Patchwork-Familie werden?

Plötzlich werde ich aus meinen Gedanken gerissen, als mein Name aus dem Treppenhaus uns dringt.

„Agaaaatheaaa!!", ruft einer meiner Männer laut aus der Tür, die zum Keller führt. Ich erkenne Georgios Stimme. Er blieb vor zwei Jahren ebenfalls bei mir und beschloss sein Leben weiterhin mit uns zu teilen. Während seiner mentalen Genesung entdeckte er seine Leidenschaft für die Gartenarbeit, die ihn beruhigte. Also bot ich ihm an, als mein Gärtner zu arbeiten. Seitdem lebt er im Poolhaus auf dem Grundstück und ist mittlerweile glücklich mit Philippos zusammen, den ich ebenfalls gerettet habe. Zwei gerettete Seelen mit dem gleichen Schicksal, die zueinander gefunden haben. Mein Herz erblüht jedes Mal vor Freude, wenn ich die Beiden zusammen glücklich und sorgenlos sehe.

„Ist es etwas Wichtiges?", rufe ich hörbar aus dem Raum in den leeren Flur.

„Du hast Besuch!", antwortet er zurück. Ich bin verwundert, denn ich erwarte keinen Besuch. Allgemein wissen nur die wenigsten, und damit meine ich meine Familie, wo ich wohne. Das Grundstück ist abseits und abgelegen. Hier würden keine Fremden hinfinden.

„Ich komme, Georgie!", rufe ich ein letztes Mal nach oben. Danach drehe ich meinen Kopf wieder zu meiner neuen Errungenschaft.

„Bitte iss", fordere ich ihn freundlich auf.

Anschließend drehe ich mich um, verschließe die schwere Metalltür hinter mir und begebe mich zurück über die Treppen in den Eingangsbereich. Die große Holztür, die nach draußen führt, ist leicht angelehnt und ich kann nicht erkennen, wer sich dahinter verbirgt. Ich werde mit jedem Schritt nervöser, aber da Georgi auf mich einen recht freudigen Eindruck macht, hilft es mir, die Ruhe halbwegs zu bewahren. Ich greife nach der Tür und reiße sie schwungvoll auf, um meinen Gast zu begrüßen.

„P...Protasius", ist das Einzige, was ich zunächst hervorbringen kann.  

Das Labyrinth der BefreiungWhere stories live. Discover now