Kapitel 6 - Willkommen Zuhause

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(Gegenwart)

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(Gegenwart)

Er brachte mir Blumen, genauer gesagt Tulpen. Es waren damals meine Lieblingsblumen, die es heute gar nicht mehr sind. Ich erinnere mich daran, wie wir sie im Garten der Villa entdeckten, als der Frühling in voller Blüte stand. Hunderte von kleinen, bunten Tulpen wuchsen versteckt an der sonnigen Seite des Schuppens. Protasius war schon immer zu liebenswürdig. Er war noch immer dankbar für seine Rettung und erwärmte mein Herz mit dieser netten Geste.

„Du bist noch schöner geworden", schmeichelt er mir flüsternd, während er mir die Blumen überreicht und mich schließlich in eine innige Umarmung zieht.

Ich stehe noch etwas verwirrt in der Tür. Zögere, ob ich mich wirklich freuen sollte ihn zu sehen, aber mein Herz schreit ein lautes "JA". Ein Blick in seine Augen, die mich so oft mit Liebe und Bewunderung angesehen haben, zeigen mir eine Veränderung. Es verunsichert mich. Da ist etwas, das er mir vielleicht nicht sagen wird, aber sein Gesicht verrät, dass er nicht aus freien Stücken hier ist. Ich kann deutlich erkennen, dass es keine Trauer ist, sondern eher Enttäuschung und eventuell ein Hauch von schlechtem Gewissen. Er senkt seinen Kopf, als könnte er mir nicht in die Augen schauen. Was hat mein Protasius nur angestellt?

Selbstverständlich gewähre ich ihm den Eintritt. Es ist schließlich sein Zuhause, wie ich es ihm versprochen habe. Aber ich weiß, dass ich bei passender Gelegenheit mit ihm darüber sprechen muss.

(Einige Tage später)

„Ich bin gerade erst paar Tage hier und mir sind schon Gerüchte zu Ohren gekommen, dass du den neuen Boss getroffen hast - und das nicht auf geschäftlicher Ebene! Deine Männer sind besorgt. Ich hoffe wirklich für dich, dass dahinter ein Plan steckt und du eigentlich vorhast, ihn zur Strecke zu bringen", stellt er besorgt fest.

Diese Anschuldigungen überrumpeln mich völlig. Meine Männer haben nie den Anschein gemacht, als wüssten sie davon. Ich habe mir größte Mühe gegeben, dieses weitere Geheimnis ganz für mich zu behalten.

„Wage es nicht, dich in mein Privatleben einzumischen! Du hast keine Ahnung!", erwidere ich bedrohlich.

„Du hast dich verändert, Agathea. Du lebst wie eine Marionette in völliger Angst, hast überall Waffen. Du solltest in Erwägung ziehen, damit aufzuhören. Du hast genug getan. Lebe nun für dich selbst", versucht er mir behutsam zu vermitteln, diesmal mit ruhiger Stimme.

Tja, das sagt sich so leicht, mein lieber Protasius. Es freut mich, dass er alles überwunden hat, aber ihm ist wohl nicht bewusst, dass man aus diesem Netzwerk nicht so einfach herauskommt. Ich habe keinen Retter, der mich da herausziehen kann.

„Ich bin in diesem Labyrinth gefangen, Protasius", erkläre ich verzweifelt. Die Vorstellung, einen Ausgang zu finden, ist für mich längst verblasst. Ich werde Männer kaufen und retten, bis es schließlich mein Untergang wird.

„Es gibt immer einen Ausweg, meine Liebe. Das hast du uns oft genug bewiesen. Gedulde dich und halte dich am besten von James Keyno fern."

Er zieht mich an seinen warmen Körper, umschließt mich in einer tröstlichen Umarmung, während seine Hand zärtlich meinen Kopf streicht. Trotz der Wut, die in mir brennt, spüre ich, wie die Wärme seiner Nähe langsam meinen aufgewühlten Geist beruhigt. Es verwirrt mich, dass mir seine Nähe nach all der Zeit immer noch gefällt, und noch mehr verwirrt mich, dass ich sie einfach so zulasse. 

Für einen kurzen Moment gab mir sein letzter Satz Hoffnung, dass sich eines Tages doch eine Tür öffnen und mich aus dieser Dunkelheit führen wird. Die Gedanken kreisen in meinem Kopf. Ich begreife nur nicht, warum ich mich gedulden sollte, wenn das Labyrinth meines Lebens mir doch keinen Ausweg zu bieten scheint. 

In dieser wohligen Stille, in seinem alten, unveränderten Zimmer, drängen sich all die Erinnerungen an die Vergangenheit in den Vordergrund. Ich frage mich, ob er dieses Zimmer immer noch als sein eigenes ansieht, auch nach all den Jahren, die vergangen sind. Es war immer unbewohnt gewesen, ein Schrein der Erinnerungen, die ich nicht überwinden konnte. Ich hatte alles so gelassen, wie er es verlassen hatte, für den Fall seiner Rückkehr. Jetzt, wo er hier ist, fühlt es sich an, als ob all diese Erinnerungen in der Gegenwart zum Leben erwachen.

Ich stehe abrupt auf und verlasse seine warme Nähe. In mir brodelt das Gefühl der Unruhe und ich verspüre das drängende Bedürfnis, vor ihm zu flüchten. In diesem Moment ist meine Welt ein Wirrwarr aus Gefühlen und Gedanken. Alles um mich herum scheint in einem ständigen Konflikt zu stehen. Mit jedem Schritt, den ich mich durch sein Zimmer in Richtung Tür bewege, wird die Dunkelheit um mich dichter. Die Geheimnisse scheinen mich zu erdrücken. Ich presse ein leises "Danke" heraus, bevor ich die Tür hinter mir schließe und sein Zimmer komplett verlasse. 

Ich betrete das Wohnzimmer, wo Alastor auf mich wartet, ein Buch in der Hand. Die gemütliche Atmosphäre des Raumes kontrastiert stark mit den bedrückenden Gedanken in meinem Kopf. Ich versuche, mich auf die Gegenwart zu konzentrieren, auf diejenigen, die ich noch retten kann. Die Zukunft mag düster erscheinen, aber ich werde nicht aufgeben.

Ich setze mich zu ihm auf das Sofa, lächle ihn an und lasse die Welt da draußen vorerst draußen, während wir gemeinsam in die Seiten eines anderen Lebens eintauchen, weit weg von den Schatten meiner eigenen Geschichte. 

Er liest mir laut aus dem Märchen vor, da wir mit ihm üben, die neue Sprache besser zu beherrschen. Er hat den Wunsch geäußert, seinen Abschluss nachzuholen, da er in Zukunft nicht mehr von mir abhängig sein möchte. 

Wir haben in den letzten Tagen erstaunliche Fortschritte gemacht. Seine einst aggressive Art ist wie weggeblasen. Für einen Augenblick vergesse ich die Realität um uns herum und genieße den kostbaren Moment der Ruhe, bis ich an seiner starken Schulter einschlafe. 

~

Ich konzentriere mich weiter darauf, Alastor meine gesamte Aufmerksamkeit zu schenken. Er benötigt mich jetzt, und ich fühle mich verpflichtet, für diesen Mann da zu sein. Was James betrifft, so sollte ihm klar sein, dass ich mich jetzt um den Neuen kümmere und so oder so keine Zeit für ihn haben werde. Eine gute Ausrede, um weiterhin Abstand zu gewinnen.

Das Leben in meiner Welt wird komplexer und ich spüre, wie sich die Fäden enger ziehen. Doch was in den Tiefen des Labyrinths meiner Existenz lauert, weiß niemand. Bis jetzt. 

Das Labyrinth der BefreiungWhere stories live. Discover now