1. Dezember

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Ich gehe die Straßen entlang. Mir ist kalt. Ich sehe zu den Menschen auf, aber sie sehen nicht zu mir herab. Ich bin unsichtbar. Ich bin ein Geist.

So schleiche ich weiter mit meinen nackten Füßen über die gepflasterten Wege.

Ich habe Hunger, Durst. Der Wind zerrt an mir, aber ich muss weiter. Irgendwann werde ich einen Ort finden, an dem ich übernachten kann. Irgendwann werde ich etwas finden, das ich essen kann.

Kinder laufen an mir vorbei, freuen sich auf die kälteste Zeit im Jahr. Erwachsene hasten mit Blicken auf ihren Uhren oder Telefonen an ihren Ohren über die Wege. Ich sprinte auf die andere Straßenseite zu den Restaurants. Vielleicht habe ich heute Glück.

Die Mülltonnen des ersten Lokals sind geschlossen, die Deckel zu schwer für mich. Nichts ist neben sie gefallen, nichts für mich zu erreichen. Mein Magen knurrt. Eine knöchrige Maus gestern war meine letzte Mahlzeit.

Ich gehe weiter.

Auch Eichhörnchen und Vögel sind rar geworden als wäre der Winter ein Fluch. Ich möchte auch Winterschlaf halten und die Kälte vergessen. Die anderen auf der Straße haben es gut. Sie tragen Schuhe, dicke Kleidung und haben ein warmes Zuhause, zu dem sie zurückkehren können.

In dieser Jahreszeit haben die Restaurants zu viel zu tun, um mich noch zu bemerken. An ihren Hintertüren zu kratzen und zu rufen bringt mir nichts mehr. Sie hören mich nicht.

Ich versuche es bei einem der Imbissläden. Sie sind eher bereit, ihr Essen mit mir zu teilen. Hier kann ich auch durch die Vordertür eintreten und niemand jagt mich weg, weil sie keine schmutzigen Bilder sehen wollen.

Gerade hat der kleine Laden keine Kunden und der Besitzer steht nicht hinter der Theke. Aufmerksam schleiche ich hinein und spähe in die Küche. Er nutzt die Zeit, um selbst etwas zu essen. Mir läuft das Wasser im Mund zusammen.

Vorsichtig mache ich ein paar Schritte nach vorn. Ich will auch etwas essen. An der Pforte zur Küche gucke ich den Besitzer mit großen Augen an.

Er sieht zu mir. Nach der ersten Überraschung werden seine Gesichtszüge weich. Ermutigt trete ich ein. Der bäuchige Mann steht auf, holt einen Pappteller und legt ein paar Fleischfetzen vom Grill darauf.

Essen! Warmes Essen!

Er hält es mir hin und ich vertilge es ohne zu zögern. Viel besser als dreckiges Straßengetier. Ich brauche bloß einmal leise um eine zweite Portion bitten und bekomme sie sofort.

Noch eine Weile bleibe ich im Warmen, schüttle die Kälte des Winters ab. Es stört den Mann nicht. Danach mache ich mich wieder auf den Weg.

Ein Geist im SchneeWhere stories live. Discover now