9. Dezember

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Als ich an diesem Tag aufwache, liegt neben mir auf einer sauberen Pappe ein großzügiges Frühstück. Es stinkt nicht nach Fett oder Gewürzen wie das meiste, was ich mir herunterwürge, sondern ist schlicht und mild.

Lieber Geist, wer immer du bist oder warum du gerade mir hilfst, vielen Dank! Ich knuspere, bis mein Magen vor Fülle schmerzt.

Pappsatt verstecke ich die Reste unter der Decke und schleppe mich aus der Gasse, einem weiteren Tag entgegen. Wenigstens habe ich heute Abend noch ein paar Happen.

Die Zeit heute vergeht schleichend. Außer einem bunten Armband vermisst momentan niemand etwas. Eine ganze Weile sehe ich dem Treiben auf dem Markt zu, mache es mir unter der großen Tanne bequem.

Irgendwann wird es mir zu laut, zu bunt und vor allem zu kalt. Nicht in Bewegung zu bleiben, lässt einen schnell frieren. Kurz schlüpfe ich in einen Pommesstand und wärme mich auf, dass ich beinahe einschlafe. Ich strecke meine Muskeln das Rückgrat entlang und drehe meine letzte Runde auf dem Markt.

Eigentlich sollte ich mich freuen, wenn es keine verzweifelten Seelen gibt, die Hilfe brauchen. Andererseits weiß ich jetzt auch nicht, was ich den ganzen Tag machen soll. Der Winter ist eine so grässliche Jahreszeit, dass ich gar nicht erst durch die Stadt stöbern will. Vielleicht nutze ich den Tag einfach zur Entspannung und genieße es, mir nicht die nackten Füße auf der Straße festzufrieren.

Um die letzte Ecke biege ich ab, eine letzte Straße überquere ich fluchtartig, tapse in meine Seitengasse. Ein Kind sitzt neben meinem Karton mit meiner Decke darin.

Der weiße Hase mit der roten Glöckchenschleife hockt bei ihm und sieht seinem Besitzer zu, wie er mir neue Happen auf eine weitere Pappe streut. Die Hände des Kindes sind ruhig, doch sein Gesicht ist aufgewühlt. Zornig, traurig – verletzt. Immer wieder saugt es zischend Luft ein und wischt sich mit den Ärmeln über die Augen.

Was ist passiert?

Ich komme meinem Geist näher und springe auf meine Decke. Er bemerkt mich und presst sogleich die Zähne aufeinander. Mein leckeres Frühstück legt das Kind beiseite und drückt den Hasen an die Brust, lässt dem Kopf hängen.

Mein gutherziger Geist weint.

Kauert sich an die kalte Wand, zieht die Beine an und macht sich klein. Und er weint bitterlich.

Ich lasse mein Essen liegen und setzte mich zu dem Kind. Mein Hunger kann warten.

Wo ist deine Familie, die dich trösten sollte? Deine Eltern, dein Zuhause, die immer auf dich warten?

Ich habe keine Worte, die ich sagen kann; keine Ahnung, wie man jemandem Mut zuspricht. Aber ich kann mich fest an dich schmiegen und dir zumindest zeigen, dass du nicht allein bist.

Dass wir beide Geister sind, die füreinander sorgen.

Ein Geist im SchneeWhere stories live. Discover now