2. Dezember

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Ein kleines Rentier an einem Eisenring liegt im Schnee, eingefroren zu einem ewigen Sprung. Sieht aus wie eines der Dinge, die ein Mensch hier verloren hat.

Ich beäuge es einen Moment, bevor ich es aufhebe und mich nach dem Besitzer umsehe. Spuren von Stiefeln weisen mir nur ein paar Meter lang den Weg. Danach muss ich selbst suchen.

Der Schnee ist kalt. Was gäbe ich jetzt für die Wärme des Sommers? Ich folge den Spuren zwischen die Häuser der Stadt. Kein Auto ist hier. Überall gehen die Menschen zu Fuß wie ich.

Meine Richtung führt vom großen Platz, an dem jetzt überall Stände stehen und Lichter blinken, weg. Ein Glück, so laut und unübersichtlich, wie es dort ist. Wahrscheinlich kommt der Rentieranhänger von dort.

Je weiter ich mich entferne, umso mehr Autos sehe ich wieder. Viele, die stehen. Wenige, die fahren. Ich gehe zwischen den stehenden Autos entlang, immer auf der Suche nach einem traurigen Gesicht, dem der Anhänger gehören könnte.

Schließlich finde ich ein weinendes Kind mit seinen Eltern. Die Mutter hat sich vor es gekniet und streichelt ihm über die Arme. Der Vater redet mit den beiden und geht seine Spuren zurück.

Das ist meine Chance!

Ich werfe das falsche Rentier in den Schnee neben die Stiefelspuren und verstecke mich hinter einem Auto.

Vor dem Anhänger bleibt der Vater stehen. Er redet kurz mit sich selbst und nimmt ihn auf, ruft seiner Familie das Ergebnis seiner kurzen Suche zu. Nur einmal blickt er sich um, ehe er wieder zu seinem Kind stapft und ihm stolz das Rentier überreicht.

Sofort trocknen die Tränen, werden von einem breiten, hellen Lächeln verdrängt. Das Kind hält seinen Anhänger in beiden Händen und inspiziert es, fragt seinen Vater etwas, das er mit einem Schulterzucken beantwortet.

Die Mutter streift sich die weißen Hosenbeine sauber als sie wieder steht und alle drei starren über den Parkplatz. Irgendwann rufen die Eltern ihr Kind zum Auto und widerwillig dreht es sich um, sieht dabei immer wieder zurück, bis es endlich einsteigt.

Sicher ist ihnen kalt geworden. Sie haben etwas Leckeres gegessen und getrunken, haben sich neue Dinge gekauft, an denen sie Freude haben, und jetzt fahren sie wieder nach Hause, als sei nie etwas passiert.

Ich pirsche zwischen den Autos hervor und sehe ihnen zu, wie sie wegfahren. Auch heute konnte ich etwas tun. Das Lachen von Kindern und die Erleichterung der Erwachsenen sind viel schöner als ihre Tränen.

Den Weg zurück gehe ich mit erhobenem Kopf und neuem Mut für mich selbst. Der Tag ist noch jung und bestimmt gibt es noch andere, denen ich helfen kann.

Ein Geist im SchneeWhere stories live. Discover now