16. Dezember

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Als mein Kind diesen Morgen das Haus verlässt, kommt es bereits nach einer halben Stunde wieder – nachdem die Frau mit ihrem Auto hoffentlich auf Nimmerwiedersehen weggefahren ist. Es setzt sich neben mich, sieht zum weißbehangenen Himmel hinauf.

Was diese Frau ihm antut, geht gegen jeden moralischen Anstand! Sie sollte heimatlos auf der Straße umherwandern und von jedem geschlagen und getreten werden!

Aber meinem Kind fehlt die Kraft, länger wütend oder traurig zu sein. Es sitzt einfach da, tut gar nichts, außer sich vom Schnee berieseln zu lassen.

Bitte nicht! Mein kleiner Geist hat so viel für mich getan. Wir hatten so viel Spaß zusammen, hatten gelacht und gespielt und jetzt so etwas? Ich stupse es an. Hör auf, an sie zu denken. Denk an mich und sei wieder glücklich, ja?

Das Kind blickt mich an. Leere. Und eine Träne. Es nimmt mich auf und kuschelt sich an mich.

Wo ist deine Familie? Die Familie, die dich gernhat, bei der du immer willkommen und in der du glücklich bist? Diese Frau ist nicht deine Familie.

Ich bin deine Familie. Ich habe dich gern, zu mir kannst du immer kommen. Bei mir kannst du glücklich sein, sobald diese Frau weg ist.

Irgendwann löst sich das Kind aus meiner Umarmung. Als würde es mich aufmuntern wollen, nimmt es ein Steinchen, hebt es gut sichtbar und wirft es nach ein paar Antäuschungen zum Nachbarsgarten.

Ich bleibe sitzen. Kind, was soll das? Jeder Blinde sieht, dass du nicht glücklich bist. Sag, was die Frau mit dir gemacht hat oder warum du bei ihr lebst. Nur tu nicht so, als ginge es dir gut.

Es beißt sich auf die Unterlippe, als ich ihm ernst und auffordernd entgegenblicke. Mach den Mund auf und rede mit mir!

Schließlich öffnet es klackend seinen Rucksack. So viele Bücher und Mappen und Stifte! Und irgendwo dazwischen holt das Kind ein Foto heraus, zeigt es mir und weint.

Die griesgrämige Frau, mein Geist und ein Mann. Alle lächeln sie und sehen glücklich aus. Die Frau und der Mann halten meinen in die Lüfte gesprungenen Geist beide am Arm. Das Kind strahlt übers ganze Gesicht voll Lebensfreude.

Ich starre das Kind heute an. Diese Frau soll deine Familie sein? Was ist mit dem Mann passiert? Warum tut er nichts dagegen, dass du jetzt so traurig bist und kein Zuhause mehr hast? Warum kommt der Mann nicht wieder und umarmt dich, wie er es auf dem Foto macht?

Oder ist er inzwischen genauso furchteinflößend wie die Frau?

Ich schmiege mich an mein Kind. Egal, was kommt: Ich werde immer da sein und auf dich aufpassen – auch, wenn du deine frühere Familie verloren hast. Wir beide werden immer eine Familie bleiben und ich werde dir ein Zuhause geben.

Das verspreche ich dir!

Ein Geist im SchneeHikayelerin yaşadığı yer. Şimdi keşfedin