17. Dezember

9 4 5
                                    

Ungesehen, ungehört tapse ich zwischen den Ständen des Weihnachtsmarktes. Ich brauche etwas ganz Besonderes, um das Kind aufzuheitern. Etwas, das es an mich erinnert.

Stand für Stand sehe ich mir die Spielzeuge und Kuscheltiere an. Stand für Stand schleiche ich weiter. Niemand hat, was ich brauche.

Am frühen Nachmittag habe ich den gesamten Weihnachtsmarkt abgesucht. Vergebens. Irgendwo muss es doch ein Spielzeug geben, das aussieht wie ich!

Ich schlage den Weg in die überfüllte Fußgängerzone ein, überspringe die Läden, die mir ohnehin nicht helfen können, und schleuse mich in einen Kuscheltierladen ein. Wenn ich hier nichts finde, finde ich nirgendwo etwas.

Plüschtiere in allen Größen, Farben und Gestalten sitzen, stehen oder hängen im riesigen Laden. Von Einhörnern zu Drachen – von Tigern zu Schlangen gibt es hier wirklich alles. Einige in völlig abstrakten Farben, andere mit Glitzer und manche leuchten sogar!

Aber nichts davon interessiert mich. Ich quetsche mich unter den Kuscheltieren hindurch, um nicht aufzufallen.

Dann endlich.

In der Abteilung für schlichte Bauernhoftiere bin ich aus der Fantasiewelt in die Realität eingetaucht. Pferde, Kühe, Hühner, Schafe. Wie ich so die Reihen entlanggehe, flitzen meine Augen von einem Plüschtier zum nächsten.

Und schließlich finde ich die ersten, die meinesgleichen darstellen. Jetzt muss ich nur noch die richtige Farbe finden! Ich wühle mich durch den Kasten und sehe wahrscheinlich selbst aus wie ein Kuscheltier.

Am Ende ziehe ich mein Ebenbild heraus. Es ist täuschend echt und genau so, wie ich mich in den Fensterscheiben immer erkenne. Selbst die Augenfarbe ist fast meine eigene.

Mit dem Kuscheltier im Schlepptau weiche ich den Blicken der Mitarbeiter und Besucher aus, die sich um alles zu kümmern scheinen – nur nicht um das, was unterhalb ihrer Augenhöhe passiert. Sogar die Kinder sind viel zu sehr von den glitzernden, leuchtenden Kuscheltieren gebannt, um noch auf mich zu achten.

Jetzt der große Sprung ins Freie. Ich setze an und sprinte durch die offene Ladentür. Hinter mir schrillt der ohrenbetäubende Alarm los, aber da bin ich schon lange weg und um die nächste Ecke. Die Mitarbeiter werden nun zwar nach dem Ladendieb suchen, aber nicht nach jemandem wie mir. Falls sie den Alarm nicht einfach nur für einen Fehler halten.

Tatsächlich passiert gar nichts. Ein paar Minuten und irritierte Menschen später verklingt der Alarm.

Ich mache mich auf den Weg nach Hause.

In meinem Häuschen ist Platz für zwei, das weiß ich nun. Gemütlich ist es nicht, aber es wird auch nicht von Dauer sein. Als das Kind heimkehrt, genauso deprimiert wie gestern, und mich aufsucht, bevor es überhaupt ins Haus geht, stelle ich ihm meinen Zwilling vor.

Von nun an werde ich immer und überall bei dir sein.

Ein Geist im SchneeOù les histoires vivent. Découvrez maintenant