23. Dezember

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Ich wache unter gleißendem Licht und leisen Stimmen auf.

Mein Körper ist völlig taub und schwerelos. Keine Schmerzen.

Nichts.

Wo immer meine Reise mich hingeführt hat, jetzt bin ich angekommen.

Ich schließe meine Augen wieder. Lass mich das Gefühl der Erlösung noch einen Moment länger genießen.

~*~

Das grelle Licht ist verschwunden. Stattdessen umfängt mich ein sanftes Grau.

Stille.

Leichtigkeit.

Schmerzfreiheit.

~*~

Etwas streicht mir über den Rücken. Muss ich meine Augen wirklich schon wieder öffnen?

Eine Person steht über mir, flüstert entschuldigende Worte.

Sei nicht traurig. Es ist meine Schuld, dass ich gegangen bin.

~*~

Schluchzen.

Weint mein Kind? Keine Sorge, Kleines. Ich bin jetzt ein Geist richtiger geworden.

Ich öffne meine Augen. Verschwommene Umrisse eines Gesichts. Zumindest zu groß für ein Kind. Langsam werden die Konturen scharf.

Es ist die Frau, die vor mir hockt und weint.

Verflucht. Ich schließe die Augen wieder. Kann ich nicht wenigstens nach dem Tod meine Ruhe haben?

Wieder schluchzt sie und streicht mir über die Seite. Warum weint sie jetzt, nach allem, was sie getan hat? Warum entschuldigt sie sich nach all dem Geschrei?

Warum hat sie das Kind nicht mitgebracht? Das hätte mich sehen wollen – im Gegensatz zu ihr.

Ich blicke die Frau wieder an. Mein Körper ist schwerer als ein Stein, bewegt sich keinen Zentimeter. Der Tod ist grausam, mich hier festzuhalten.

Auf ihrem Schoß sitze ich. Ich? Nein. Das auf ihrem Schoß sieht nur genauso aus wie ich.

Oder bin ich doch tot?

Meine wachen Augen starren mich reglos an, bis ich wieder einschlafe.

Wärme und Ruhe empfangen mich.

Und trotzdem ist da nichts als endlose Leere.

Ein Geist im SchneeWhere stories live. Discover now