3. Dezember

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Wieder eine Mülltonne, in der ich nichts finde. Bei dem Schnee nach kleinen Tieren zu suchen, wird mühselig, doch ich habe Hunger.

Also streune ich weiter durch die Stadt. Der Imbiss von Vorgestern hat geschlossen. Bei dem netten Mann werde ich heute nicht satt.

Die Menschen auf meinem Weg achten gar nicht auf ihre Umgebung – auf Mich. Immer wieder muss ich ihnen und ihren Taschen ausweichen.

Große Schneeflocken bedecken mich. Wären sie so liebreizend, wie sie aussehen, würde ich mich den ganzen Tag in ihnen wälzen. Aber sie tauen und durchnässen mich, dass ich noch mehr friere.

Ich stelle mich in den Eingangsbereichen der Läden unter, um den weißen Schrecken auf mir zu verhindern. Sobald die Menschen mich bemerken, melden sie mich den Mitarbeitern und die kommen zu mir. Ich werde vertrieben und die anderen gucken nur zu, wie ich wieder im Getümmel der Leute verschwinde.

Wie der Geist, der ich bin.

Dann laufe ich eben durch den Schnee und werde nass. Letztes Jahr habe ich es auch überlebt. Irgendwann wird er nachlassen. Irgendwann werde ich etwas zu essen finden. Irgendwann habe ich einen Ort, an dem ich übernachten kann.

Die Mülltonnen von Wohnhäusern sind nicht sehr ergiebig, darum gehe ich nur dorthin, wo Essen verarbeitet oder angeboten wird. Restaurants sind meine liebsten Anlaufstellen. Bei denen finde ich Gekochtes und manchmal, wenn ich Glück habe, geben sie mir auch eine eigene Portion aus ihren Resten.

Heute habe ich kein Glück. Heute müssen mir ihre Abfälle reichen. Eine der Tonnen kann ich öffnen. Was alles in ihr liegt, erkenne ich nicht, aber es ist essbar, das rieche ich. Ich hänge mich in die Tonne, um mein Abendessen herauszufischen. Durch mein Gewicht beginnt sie, zu schwanken, bis sie schließlich scheppernd zu Boden fällt.

Für mich nichts Neues. Ich habe öfter solche Schwierigkeiten, aber ich erschrecke mich trotzdem jedes Mal. Hoffentlich hat mich nur niemand gehört! Schnell ziehe ich mir meine Mahlzeit zur Seite, verstecke mich zwischen den anderen Tonnen und schlinge.

Die Tür fliegt auf und eine Frau stürmt heraus, sieht sofort auf den umgestoßenen Müllberg und seufzt. Sie ruft ihren Kollegen drinnen etwas zu und sammelt die Essensreste wieder auf.

Dabei fällt ihr Blick auf mich. Sie kreischt und ich erschrecke mich ein zweites Mal an diesem Tag.

Ein Zweiter springt zur Tür und die Frau zeigt mit dem Finger auf mich, ihr Gesicht völlig verzerrt. Das war's. Der Mann braucht nicht lange, bis er mit einem Besenstiel nach mir schlägt.

Heute Abend muss ich mir wohl doch ein Tier fangen.

Ein Geist im SchneeOnde histórias criam vida. Descubra agora