11. Wenn du weinst

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Sternloser Abendhimmel und ein bebendes Herz.

Für Itachi erscheint das alles etwas unglaubwürdig, als er zaghaft an Shisuis Haustür klopft. Um ihn herum peitscht der Wind den Regen durch die Gegend.

Kein Regenschirm dieser Welt könnte Wetter wie dieses abschirmen. Nichts könnte die braunen Schneematsch-Klumpen in ihre ursprüngliche weiße Form zaubern. Kein Ton dieser Welt könnte das durch Regensound bedeckte Schweigen verschlucken.

Denn zu lange ist da nichts. Nur unangenehme Stille, die kalt und nass klingt. Itachi weiß nicht, was er tun soll. Wenn er zurückblickt, weiß er bloß, dass Shisuis Stimme geschwollen und gebrochen klingt.

»Werfen Sie die Post einfach zum Briefkasten. Da, wo sich Papier über Papier stapelt, und sollten Sie Einwände haben, schreiben Sie mir einen Brief. Vielleicht kaufe ich mir dann nach meiner mein-Herz-ist-so-
matschi-patschi-zerbombt-Phase einen zweiten Briefkasten.«

Der Junge würgt um den Kloß in seinem Hals herum, der kometengroß anschwillt. Er schaut beklommen zum besagten Briefkasten, und es ist wahr. Briefe stapeln sich übereinander. Ein Zettel ist sogar so durchtränkt vom Wasser, dass die Aufschrift langsam ihre rote sieh-mich-an-Farbe verliert.

›3 Tipps zum Abnehmen‹ verblasst auf dem teilweise braunen Papier.

Grausam, denkt Itachi, wenn er darüber nachdenkt, wie lange Shisui sein Haus wohl nicht mehr verlassen hat.

»U...und was, wenn ich gar kein Postbote bin? Ist dann mein einziger Weg auch nur ein Brief, damit du mir zuhörst?«, klappern Itachis Zähne, weil es draußen verflucht noch mal verdammt kalt ist.

Aber er bekommt weiterhin keine Antwort.
Zurückgelassen im eisigen Februarwind.
Zurückgelassen im Regen ohne Schirm.
Zurückgelassen, ohne Antworten auf nie gestellte Fragen.

So hat er sich das nicht vorgestellt. Und eigentlich hatte er sich so eine Situation nie vorgestellt, weil es viel zu surreal für die Realität ist.

Doch dann klopft der Junge noch mal. Und noch mal. Und noch mal. Immer weiter, bis der Herr des Hauses stöhnend genervt die Tür öffnet.

Itachi verfehlt den nächsten Atemzug, gefriert fest und ballt Hände zu Fäusten.

Plötzlich ist da nur Shisui.
Shisui und seine Augen.

Shisuis rote Augen, dessen Adern platzten, sodass sein Blick gesplittert nackt wirkt.
Zerbrechlich. Verletzlich.
Erst da rafft Itachi, dass seinem sonst sanften Cousin das Herz auf die brutalste Weise entnommen wurde.

Dass es wahr ist. Dass Izumi im Café nicht log, als sie meinte, dass es um Hana geht. Bei allem ... schon die ganze Zeit.

Shisuis blaues Shirt umspielt seinen Körper, hat mittlerweile unzählige Falten und wirkt wie wochenlang getragen.

»Tachi«, stößt er genauso gebrochen aus. »W...was machst du hier?«

Seine Finger krampfen um den Türknauf, was für den Angesprochenen nicht unbemerkt bleibt. Itachis Gesicht verzieht sich gequält.

Eigentlich trägt Shisui Kleidung. Eigentlich ist er gar nicht nackt, aber es trifft dessen Anblick am besten, wenn man die krausen Locken, die angeschwollenen Augen und die blasse Haut betrachtet.

»Nach dir sehen«, offenbart Itachi langsam.

Shisui so zu sehen, beißt in sein Herz.

»Darf ich vielleicht rein? Dann können wir darüber reden und ...«

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