»6« Gewalt kann auch mal gut sein

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Valentina
Amerika, Chicago

Wir standen vor einer großen massiven Tür, und mein Herz begann wild an zu klopfen. Inmitten der Unsicherheit darüber, was dieser psycho als Nächstes vorhatte, fühlte ich, wie meine Nervosität wuchs. Sein bedrohlicher Blick traf mich ein letztes Mal, bevor er den Türgriff herunterdrückte.

„Benimm dich", waren die einzigen Worte, die aus seinem Mund kamen, und ein Schauer durchlief meinen Körper. Standen hinter dieser Tür mehrere entführte Frauen? Frauen in der gleichen Situation wie ich ?

Der Türgriff wurde von ihm heruntergedrückt, und meine Anspannung erreichte ihren Höhepunkt.
In dem Esszimmer, das von dunklen Farbtönen durchzogen war, fanden bereits vier Menschen Platz an einem edlen Tisch. Zwei Männer und zwei Frauen.

Der blonde Mann war mir gar nicht mal so unbekannt. Ich erinnerte mich an gestern Abend und musste schwer schlucken.

Schwere Vorhänge und goldene Akzente verliehen dem Raum eine geheimnisvolle Aura. Die gedämpfte Kronleuchterbeleuchtung verbreitete eine warme Atmosphäre, und es sah wirklich wunderschön hier aus.
Zwei Frauen in eleganten, knappen Anzügen standen bereit neben den Tisch, um uns jeden Bedarf zu erfüllen. Ein Hauch von Spannung lag in der Luft, als die Anwesenden mich mit erwartungsvollen Blicken anstarrten.

Der Mann neben mir, dessen Namen ich immer noch nicht kannte, verschränkte meine Hand mit seiner. Hilfe.
Ich stand wie angewurzelt auf der Stelle und wollte mich kein Zentimeter bewegen. Doch er zerrte mich ungeduldig in den Raum und bewegte sich zu zwei nebeneinander stehenden Stühlen am Tisch. Mein Magen knurrte schon vor Hunger.
Ich hatte seit gestern nichts mehr gegessen.

Buongiorno, fratello", begrüßte der Blonde uns, von dem ich den Namen auch nicht kannte.
Buongiorno", fügte der andere Mann mit den braunen Haaren hinzu. Überraschenderweise ähnelten er und der Psychopath neben mir sich auf eine unheimliche Art und Weise.
Sie mussten Brüder sein.

Nach einigen Sekunden wurde mir klar, in welcher Sprache sie sich gerade begrüßt haben. Stirnrunzelnd blickte ich auf die zwei sitzenden Männer. Italienisch?
Aufgrund meiner spanischen und Italienischen Wurzeln beherrschte ich beide Sprachen perfekt und ich erkannte sofort, dass ich mich unter Italienern befand.

Doch vorerst wollte ich nicht preisgeben, dass ich sie verstehen konnte.
Der blonde Mann bemerkte, wie vertieft ich in meinen Gedanken versunken war, und glaubte, er wüsste ganz genau, worüber ich nachdenke.
„Das war Italienisch und bedeutet Guten Morgen, Kleine." Idiot.
Ich würgte ihm kein Blick.

Lorenzo, willst du sie uns nicht vorstellen?", meldete sich der braunhaarige Mann gegenüber von uns zu Wort.
Lorenzo. Mein Entführer heißt also Lorenzo.

Der Psychopath neben mir trug den Namen Lorenzo.
Es fiel mir schwer, seinen Namen jetzt zu kennen, denn das machte die Erkenntnis, entführt worden zu sein, irgendwie noch schwieriger.

„Ja, stell uns dein Spielzeug vor", sagte der blonde Idiot und lächelte frech zu uns rüber. Ich funkelte ihn böse an und sah zu Lorenzo rüber, der meine Reaktion nachahmte.
„Matteo. Klappe." Matteo.

„Valentina gehört zu mir. Sie ist mein Besitz, das heißt hier wird nichts geteilt."
Beim letzten Satz funkelte er vor allem Matteo an. Moment mal. Besitz?!
Er behandelte mich, als wäre ich irgendein Gegenstand, mit dem er machen konnte, was er wollte. Bastard. Ich gehörte niemandem.

Mein Blick haftete an der Tür, durch die wir gerade gekommen waren. Theoretisch könnte ich jetzt Lorenzo in die Eier treten und Richtung Ausgang laufen.
Und was, wenn sie verriegelt wurde?
Fuck.
Irgendwo musste es doch ein Ausgang nach draußen geben.

Der ähnlich sehende, jedoch deutlich ältere Mann unterbrach meine Gedanken und meldete sich zu Wort.
„Freut mich, dich kennenzulernen, Valentina. Ich bin Elijah, darf ich dir vorstellen meine Frau Emilia", sagte er, begleitet von einem leicht schmunzelnden Lächeln.

Die grünäugige Frau neben ihm, schenkte mir ein warmes und bemitleidenswertes Lächeln.
Ist sie freiwillig hier?
Ihr Aussehen erinnerte mich an ein schwedisches Model mit gestuften blonden Haaren und einer kleinen Stupsnase.

Ich erwiderte ihr Lächeln sanft, doch der Moment wurde unterbrochen, als Lorenzo plötzlich darauf bestand, mich noch mehr zu foltern.
„Komm her, Cuore mio", sagte er fordernd und klopfte mit seiner Hand auf sein Oberschenkel.
Als er sich und seinen Stuhl etwas nach hinten schob, um mir Platz zu machen, richtete sich meine Aufmerksamkeit plötzlich auf seinen Körper. Sein makelloser, muskulöser Oberkörper wirkte breit und kraftvoll. Der perfekte Anzug schmiegte sich wie eine zweite Haut an ihn, und seine Haut strahlte förmlich.
Aufwachen, Val!

Lorenzo grinste dreckig. Oh mein Gott, er hatte offensichtlich bemerkt, dass ich ihn gemustert habe. Leicht errötend blieb ich wie angewurzelt sitzen.
„Bilde dir bloß nichts darauf ein," zischte ich und funkelte ihn wütend an. Lorenzo hingegen versuchte sein Grinsen gar nicht zu verbergen.
Du bist so peinlich, Val.

Er klopfte erneut auf seinen Oberschenkel, um mir zu signalisieren, dass ich jetzt raufkommen sollte.
Niemals.
„Dann eben auf die harte Tour", sagte er und zerrte mich unsanft auf seinen Schoß. Ein leiser Aufschrei entwich mir, und der Impuls, aufzustehen und zur Tür zu rennen, überkam mich.
Mach es nicht!

Meine innere Stimme warnte mich – verdammt, ich musste erst hundertprozentig sicher sein ob die Tür überhaupt auf ist, wenn ich hier lebendig herauskommen wollte. Doch selbst wenn ich wollte, konnte ich nicht aufstehen, da Lorenzos starker Arm meine zierliche Taille umklammerte.
Toll. Fluchtplan fehlgeschlagen.

Seufzend ließ ich meinen Blick auf den Esstisch fallen, wo die Angestellten nach und nach Essen darauf platzierten. Matteo räusperte sich und zwinkerte mir zu.
„Mich hast du ja gestern Abend bereits kennengelernt." Sein berühmtes verschmitztes Lächeln kam zum Vorschein, während Lorenzos Arm sich verkrampfte. Durch seinen festeren Griff schnürte er mir ein Stück Luft ab.
Offenbar kotzten Matteos Worte Lorenzo genauso so an wie mich.

Mein Blick wanderte zu der schwarzhaarigen jungen Frau neben ihm. Lange gelockte Haare und buschige Augenbrauen verliehen ihr ein markantes Aussehen. Im Gegensatz zu meiner blassen Haut hatte sie einen warmen Oliventon. Ich tippte auf Arabische Wurzeln.

Matteo hatte sie mir nicht vorgestellt, wie Elijah es zuvor getan hat. Sie schaute skeptisch zwischen uns hin und her. War das Eifersucht oder Sorge? War sie auch ein Opfer wie ich oder womöglich Mitschuldige?

Matteo blickte sie genervt an und nickte dann in meine Richtung. Sie lächelte mich an.
„Ich bin Layla. Freut mich."
Ich nickte ihr freundlich zu, konnte ihr ihre Freude jedoch nicht wirklich abkaufen. Meine Verwirrung wuchs.

Ich wurde aus meinen Gedanken raus gerissen, als etwas Hartes gegen mein hintern stieß.
Vor Schock hielt ich die Luft an. Oh mein Gott.
Lorenzo begann, mit seiner anderen freien Hand meinen Arm zu streicheln, was meine Nervosität verstärkte. Meine Mitte begann plötzlich an zu pochen und mein Körper schwitzte.
Das hat er auch immer mit dir gemacht, Val.
Erinnerst du dich noch?

Ich konnte meine Emotionen vor Aufregung nicht kontrollieren. Es löste sich eine stumme Panikattacke in mir aus. Ein Engegefühl breitete sich in meiner Brust und meinem Hals aus, begleitet von Kribbeln in Armen und Beinen.
Ich muss hier weg.

Ich stieß Lorenzo mit meinen Ellenbogen kräftig in die Eier. Als er seinen Griff lockerte und vor Schmerz aufstöhnte, nutzte ich die Chance und sprang von seinem Schoß auf.
„Fuck! Haltet sie auf!"

Lorenzo de Santis | Dark RomanceWhere stories live. Discover now