»22« Flucht

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Valentina
Amerika, Chicago

Nachdem ich wieder im Bett war, grübelte ich darüber nach, wie ich den Kerl, den Lorenzo vor meiner Tür platziert hatte, loswerden könnte. Der Nachmittag war bereits angebrochen, und ich spürte, wie die Zeit langsam davonlief. Das Gefühl, in diesen vier Wänden gefangen zu sein, war unerträglich.

Ursprünglich hatte ich einen anderen Plan, um mit den beiden Mädchen zu entkommen, aber nach reiflicher Überlegung wurde mir klar, dass dies nun die perfekte Gelegenheit war, zu flüchten. Es war zwar riskant, aber es könnte funktionieren. Nach meinem Ausbruch würde ich dann die Polizei rufen und die beiden anderen Mädchen befreien.
Ein Gefühl der Zufriedenheit durchströmte mich und ich machte ran an den Plan.

Ich entfernte die Blumen aus der Vase und platzierte sie auf meinen Nachttisch.
Dann eilte ich ins Badezimmer und griff nach meinem Rasierer. Ein Gefühl der Aufregung ließ mein Herz rasen, und mein Blutdruck stieg an.

„Komm schon, Val", ermutigte ich mich selbst und richtete meinen Blick erneut auf den Rasierer. Mit Entschlossenheit griff ich nach ihm und setzte die scharfe Klinge an meine Handfläche an. Ich atmete tief ein und aus, bevor ich schließlich den Schnitt durchführte. Ein leiser Schmerzenslaut entrang meiner Kehle, als ich die offene Wunde betrachtete. Langsam breitete sich ein kräftiges Rot aus, während plötzlich Erinnerungen in meinem Kopf auftauchten.

Erinnerungen an Lorenzo, wie er meine Haut aufschnitt und mein Blut kostete, drängten sich in meinen Gedanken. Wie er mich leckte und mich mit seinem Messer verwöhnte. Verträumt biss ich mir auf die Lippe und versank in diesen Erinnerungen. Doch der Schmerz, der aus meiner Hand kam, riss mich brutal zurück in die Realität und erinnerte mich an meinen Plan.

Ich kehrte eilig in mein Zimmer zurück und verteilte mein frisches Blut auf dem Fußboden und der Vase. Mit aller Kraft schleuderte ich die Vase vom Nachttisch nach oben, wodurch ein lautes Geräusch das Zimmer erfüllte und zahlreiche kleine Glasscherben über den Boden verstreut wurden. In die Knie gehend hob ich eine der Glasscherben auf und verbarg sie hastig in meiner Faust.

„Fuck!" schrie ich absichtlich laut, während ich meinen Rücken krümmte, um den Schmerz zu inszenieren. Das Geräusch der heruntergedrückten Türklinke und das Aufreißen der Tür drangen in meine Ohren.
„Was ist mit ihrer Hand passiert, Mrs. Rinaldi!?" Er näherte sich mit hastigen Schritten und kniete sich neben mich. Mein Gesicht war dem Boden zugewandt, und ich presste mir spielend schmerzhaft die andere Hand auf den Bauch.
Er griff nach meiner blutigen Hand und begann skeptisch zu werden.

Der Mann, den Lorenzo zu meinem persönlichen Aufpasser gemacht hatte, zeigte für einen kurzen Augenblick seine wahren Gefühle. Besorgnis und Emotionen waren deutlich auf seinem Gesicht und in seiner Stimme zu erkennen. In diesem unvorsichtigen Moment erkannte ich meine Gelegenheit und musste sie nutzen.

Mit aufgerissenen Augen stieß ich ihm die scharfe Glasscherbe in sein geöffnetes Auge.
„Nimm das, du Bastard!"
In diesem Moment der Tat überkam mich ein Gefühl der Macht und Kontrolle. Ich fügte einem Menschen absichtlich Schaden zu, und es ließ mich kalt. Kein Fünkchen Empathie blieb für ihn übrig.

Sein Schmerzensschrei hallte durch den Raum, während ich die Glasscherbe noch tiefer in sein Auge trieb. Der Druck seines Fleisches auf meiner Hand war greifbar, und sein Blut bespritzte mich. Doch es regte mich nicht mehr an. Blut war für mich längst keine Quelle negativer Gefühle mehr.

Der Mann kniete vor mir, sein Schrei der Qual drang unaufhörlich in meine Ohren.
„Du Schlampe!"
Seine Schmerzen hielten ihn gefangen, unfähig sich zu verteidigen. Mit einem entschlossenen Ruck zog ich die Glasscherbe aus seinem Auge und ließ sie auf den Boden fallen. Meine Hand war von seinem Blut durchtränkt, während das Blut meiner anderen Hand sich mit dem seinen vermischte.

Schnell und entschlossen rannte ich zur Tür, öffnete sie mit einem hastigen Griff und zog sie hinter mir zu, bevor ich sie abschloss. Glücklicherweise steckte der Schlüssel im Schloss.
Bevor ich losstürmte, drehte ich mich um und verriegelte die Tür hastig von außen.

Ich hastete durch die endlosen Treppen und durchquerte die zahlreichen Räume, immer noch einen Funken Hoffnung hegend, die Mädels zu finden. Doch nirgends war eine Spur von Emilia oder Layla zu entdecken. Es schien, als wäre das Haus verlassen.

Als ich aus dem Fenster sah, erblickte ich eine große Anzahl von schwarz gekleideten Männern, bewaffnet bis an die Zähne. Ein Kloß bildete sich in meinem Hals. Wie sollte ich da hindurchkommen? Selbst die Glasscherben würden hier nicht helfen. Ich grübelte und grübelte. Es musste doch noch einen anderen Ausweg aus diesem Irrenhaus geben.

Ich grübelte und grübelte, bis mir etwas einfiel. „Der Keller!" Verdammt, ja!
Im Keller muss es doch bestimmt auch eine Tür nach draußen geben. Ich eilte die Treppen schnell hinunter, betend, dass mich niemand erwischen würde. Als ich schließlich bei den Treppen ankam, die zum Keller führten, blieb ich geschockt stehen.

Überall klebte Blut an den Treppen und den Wänden, ein unangenehmer Geruch lag in der Luft.
Ich tapste langsam und ängstlich die Stufen hinunter. Meine Füße bekamen etwas von dem fremden Blut ab, doch ich ignorierte es so gut ich konnte.
Vielleicht gehörte das Blut jemandem, den ich kannte? Vielleicht Lorenzo?
Die Angst kroch langsam in mir hoch, während ich weiterhin die Treppe hinabging.

Plötzlich überfiel mich eine Welle der Besorgnis. War etwas mit ihm geschehen? Könnte dieses Blut von ihm stammen? Doch ich verdrängte diese Gedanken schnell. Warum sollte mich Lorenzo kümmern? Immerhin ist er mein Entführer. Nur weil wir miteinander Sex hatten, bedeutet das nicht, dass ich ihn weniger verabscheue als zuvor.

Ich stand vor einer massiven Metalltür und überlegte fieberhaft. Sollte ich das Risiko eingehen, wieder nach oben zu gehen und möglicherweise auf den wütenden Einäugigen zu treffen? Oder sollte ich mich stattdessen zusammenreißen und durch diese Tür hindurchgehen, um nach einem Ausweg zu suchen?

Natürlich entschied ich mich für den Keller.
Jede andere Möglichkeit wäre feige gewesen.Mit einem entschlossenen Griff umfasste ich den Türgriff und drückte ihn mutig herunter. Zu meiner Erleichterung stellte ich fest, dass die Tür offen war, und ich zog sie vorsichtig auf.

Lorenzo de Santis | Dark RomanceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt