ANGEKOMMEN.

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„Wooohoo! Wir sind da!" Valerie klatscht in die Hände und hüpft auf ihrem Sitz. Bestimmt werden die Kinder sie lieben.

Dennis lenkt den Wagen neben ein großes, weißes Zelt und wir steigen aus.

„Wow! So schön habe ich es mir hier gar nicht vorgestellt", murmle ich.

Hier ist es traumhaft. Hinter uns befindet sich der Wald, und direkt vor uns liegt das Flussufer. Die Wasseroberfläche glitzert hell im Sonnenlicht. Der Fluss ist mit Gräsern und Blumen gesäumt. Es duftet nach frisch gemähtem Gras.

„Ja, es is' toll hier. Wart' ab, bis du den Sonnenuntergang gesehen hast. Das is' suuuuuuper romantisch!" Während sie das sagt, sieht sie Dennis direkt in die Augen und er grinst sie an. Ich finde, sie sind ein süßes Paar.

Hinter dem großen, weißen Zelt tummeln sich eine Menge Menschen. Überall wird aufgebaut, ausgeräumt und geplappert. Mit geübten Handgriffen bauen ein paar Männer Bänke und Tische auf, um das Zelt in einen kleinen Speisesaal zu verwandeln. Rechts neben dem Eingang des Zeltes werden Herdplatten aufgestellt. Hinter mir klappert Geschirr, als ein kräftiger Mann einen riesigen Karton mit Tellern und Tassen anschleppt. Ich springe zur Seite und lasse ihn vorbei.

„Valerie, kann ich euch beim Aufbauen helfen?"

„Logo! Dennis wird zuerst unser Zelt aufbaun', dann kann er später den Kindern helfen. Die kommen ja um fünf. Wenn de willst, sag' ich ihm, dass er deins auch aufbaun' soll."

„Danke! Es liegt noch auf eurem Rücksitz." Ich deute in die Richtung, in der ihr Auto steht.

„Ich kümmer mich um die Feuerstelle. Da fehlen noch die Bänke und so. Das weiße Zelt hier is' der Speisesaal. Dahinten in dem Lieferwagen sind unsere Vorräte. Du kannst die schon mal einräumen. Wenn ich mit den Bänken fertig bin, komm' ich und helf' dir."

„Ja, das mache ich", sage ich und gehe zum Lieferwagen.

Er steht direkt neben dem Eingang zum weißen Zelt. Als ich die Türen aufschiebe fällt mir eine Packung mit Papierhandtüchern entgegen. Die Kisten stapeln sich bis unter die Decke. Ich ziehe die oberste Kiste heraus und trage sie in die provisorische Küche.

Die nächste Kiste kann ich kaum anheben. Ich ziehe an der Lasche und verliere fast das Gleichgewicht. Bis zur Küche sind es nur ein paar Meter, aber meine Arme werden mit jedem Schritt länger. Ich erreiche die hölzerne Arbeitsplatte und atme hörbar aus, als ich die schwere Kiste endlich dort abstellen kann.

Die restlichen Kisten sind kleiner, aber nicht leichter. Sie sind gefüllt mit Konservendosen, Nudeln und Reis. Ich bin erstaunt, als ich eine Kiste mit frischem Gemüse und Obst entdecke. Ich frage mich, wie lange die Vorräte reichen werden.

Ganz hinten im Lieferwagen stehen Getränkekisten. Ich schleppe eine nach der anderen in die Küche. Zuerst staple ich die Wasserkisten aufeinander. Daneben sortiere ich die Kisten mit Spezi und Limo. Langsam wird mir schwindelig. Hinter der letzten Kiste finde ich einen schmalen Karton. Ich öffne den Pappdeckel. Ich sehe verschiedene Flaschen. Die Abende sind gerettet. Es ist Wodka in allen Variationen.

Valerie stürmt in die Küche. Sie fährt sich mit dem Handrücken über die Stirn und schließt die Augen.

„Eine der beiden anderen Betreuerinnen kann nich' kommen. Sie hatte nen Autounfall."

„Ist ihr was schlimmes passiert?"

„Neee, zum Glück nich'. Sie hat nur ne leichte Gehirnerschütterung. Aber sie darf nich' hier mitten in der Pampa sein, falls sie noch andere Beschwerden kriegt. Jetzt haben wir halt einen Betreuer zu wenig und wegen der vielen Kinder müssen wir zu fünft sein. Dennis telefoniert gerade 'rum, ob wir noch jemanden kriegen. Wenn nich', müssn' wir alles absagen oder 'n paar der Kinder nach Hause schicken. Das gibt Drama."

"Wir werden schon jemanden bekommen. Die Agentur hat sicher jede Menge Kontakte."

„Ich hoff's."

„Hilfst du mir beim Einräumen?", frage ich und werfe ihr eine Packung Butter entgegen. Geschickt fängt sie sie auf.

„Klar, dann können wir 'n bisschen quatschen!" Sie ist so herzlich und unkompliziert. Ich finde sie nett und ich kann eine Freundin gut gebrauchen.

„Ladies, es gibt gute und schlechte Nachrichten!" Dennis kommt ins weiße Zelt und hält sein Handy in die Höhe. „Welche möchtet ihr zuerst hören?"

„Die gute!" Valerie und ich antworten gleichzeitig.

„Die Agentur schickt noch einen Betreuer vorbei. Er wird hier sein, bevor die ersten Kinder eintreffen. Ich denke, er ist in einer Stunde hier."

„Was ist die schlechte Nachricht?" Valerie geht einen Schritt auf ihn zu. „Naja..." druckst er rum.

„Sag schon!" Valerie geht einen weiteren Schritt auf ihn zu.

„Die Agentur hat mir versichert, dass das kein Problem ist." Er sieht erst Valerie , dann mich an.

„Was is' kein Problem, Dennis?"

„Naja, also... also der Kerl kommt anscheinend nur, weil er irgendwelche Sozialstunden ableisten muss oder so."

„Sozialstundn' oder so?" Valerie fährt sich mit den Händen in die Haare und mir steht der Mund offen. Prima. In einer Stunde kommt ein Krimineller. Ich werde mich Nachts am Zelt festketten müssen.

„Weißt du, warum er Sozialstunden ableisten muss?" Ich möchte es genau wissen. Schließlich werde ich die nächsten Wochen mit ihm verbringen müssen. „Nein, das durfte mir die Agentur nicht sagen."

"Verständlich." Ich nicke.

„Ich bin mir sicher, dass die Agentur uns niemanden schickt, der eine Gefahr ist. Schließlich tragen die ja auch Verantwortung", sagt Dennis.

„Ich kann's nich' glauben." Valerie dreht sich im Kreis.

„Jetzt schickn' die uns nen Kriminellen!" Ihre Worte überraschen mich, aber ich muss ein wenig grinsen, da ich eben das gleiche gedacht hatte. Wir sind uns vielleicht wirklich ähnlich.


hold me tight.Nơi câu chuyện tồn tại. Hãy khám phá bây giờ