ABENTEUERLICH.

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Gleich nach dem Aufwachen schalte ich mein Handy ein und hoffe auf eine SMS von Raphael. Ich warte, bis mein Handy alle Daten geladen hat. Nichts. Ich warte noch ein bisschen länger. Nichts. Ich sperre und entsperre es wieder. Nichts. Ich warte noch einen kurzen Moment. Nur noch ein bisschen, und dann gebe ich auf.

Nach dem Frühstück treffen wir uns alle zu einer kurzen Besprechung an der Feuerstelle, denn Dennis hat ein kleines Wildwasserrafting für die Kinder geplant.

„Die Floße liegen schon am Ufer. Ich bleibe oben und werde sie ins Wasser tragen. Raphael geht nach unten und hilft den Kindern dabei, das Floß wieder aus dem Fluss zu holen", Dennis deutet auf drei Holzfloße am oberen Ende des Flusses. Die Strecke für die Wildwasserfahrt ist nur etwa 300 Meter schätze ich. Doch der Fluss ist ziemlich wild an dieser Stelle.

„Zwei von euch können mitfahren. Eine sollte dort im Wasser warten und darauf achten, dass die Floße dort drüben ans Ufer kommen.", er deutet auf eine flache Stelle im Wasser.

Mitfahren? Oh nein, bitte nicht. „Ich kann das machen", sage ich schnell und hebe meine Hand. „Okay, cool." Dennis nickt mir zu.

„Okay, dann treffen wir uns in einer halben Stunde umgezogen am Startpunkt." Dennis reibt sich die Hände. „Das wird ein Spaß", sagt er und küsst Valerie auf die Stirn.

Ich gehe zu meinem Zelt. In einer halben Stunde umgezogen am Startpunkt. Umgezogen. Oh nein. Wasser. Das bedeutet Bikini. Das bedeutet, jeder kann sehen, wie dick ich noch bin. Meine Diät hat noch nicht so angeschlagen, wie ich das gerne hätte. In meinen weiten Klamotten konnte ich das bis jetzt immer gut verstecken. Ich habe zwar schon abgenommen, aber im Bikini sieht man alles. Alles. Meinen dicken Bauch, meine dicken Arme und meine Oberschenkel. Ich will nicht, dass Raphael mich so sieht. Raphael. Was ist nur los mit mir. Als hätte ich eine Chance bei ihm, so dick wie ich bin. Ich habe ein paar seiner Freundinnen gesehen. Sie waren alle schlank. Schlanker als ich. Ich fasse meinen Oberschenkel an. Er ist schwabbelig und groß. Dick.

Hektisch suche ich in meiner Tasche nach einer Alternative. Ich kann doch nicht in Jeans und T-Shirt ins Wasser. Aber im T-Shirt. Das ist es. Ich ziehe mir ein langes T-Shirt über. Ich sage einfach, es wäre wegen der Sonne. Bei meiner hellen Haut werden sie mir sicher glauben. Ich nehme das grüne T-Shirt aus meiner Tasche und halte es mir vor den Körper. Es reicht mir nur zum Bauch. Das ist definitiv zu kurz. Ich suche weiter.

Das längste Shirt ist ein weißes T-Shirt. Es reicht mir bis zur Hüfte. Es war zum Schlafen gedacht, aber jetzt hat es eine wichtigere Aufgabe. Ich schlüpfe in meinen dunkelgrauen Bikini. Mein Hüftspeck wird vom Hosenbändchen eingeschnürt. Es sieht furchtbar aus. Schnell ziehe ich mir das T-Shirt über. Ich atme tief ein und aus. Beruhig dich Hannah, bald bist du schlank und schön.

Ich gehe über die Wiese und bin erleichtert, als ich sehe, dass Valerie und Wilma auch ein T-Shirt anhaben. Valerie hat eine tolle Figur. Sie hat wohlgeformte Beine und schlanke Arme. Wenn ich ihre Figur hätte, hätte ich bestimmt kein T-Shirt angezogen. Ich ziehe meinen Bauch ein.

„Hannah, du stellst dich dort ins Wasser. Wenn das Floß kommt, schubst du es Richtung Ufer." Dennis deutet auf die glitzernde Stelle im Wasser. „Dort steht dann Raphael und zieht es aus dem Wasser." „Alles klar", sage ich. Raphael steht hinter mir aber sieht mich nicht an. Irgendwie bin ich froh darüber, denn ich würde mich nicht wohl fühlen, so halbnackt. V

alerie reicht mir ihren Arm, damit ich auf der Böschung nicht ins Rutschen komme. „Das wird suuuper", lacht Valerie. „Willst du wirklich nicht mitfahrn'? Wir können uns abwechseln wenn du willst". „Ist schon ok. Ich bin eigentlich ganz froh, dass ich hier bleiben kann", sage ich und gehe über die glitschigen Steine auf meine Position. „Okay. Bis gleeeeich!" Sie lacht und rennt zum Startpunkt. Die Steine sind glatt, das Wasser kalt. Ich bekomme eine Gänsehaut. Das kalte Wasser reicht bis zur Mitte meiner Oberschenkel. Raphael steht ein paar Meter hinter mir am Ufer. Ich zwinge mich, ihn nicht anzusehen und hoffe, dass er mich nicht ansieht. Zur Sicherheit ziehe ich wieder meinen Bauch ein.

Es dauert nicht lange, bis das erste Floß kommt auf mich zukommt. Lautes Kreischen und Lachen kündigt es an, noch bevor es hinter der Kurve hervorkommt. Das Lachen der Kinder wird lauter. Wilma sitzt ganz hinten und sieht gequält aus. Ihre Schwimmweste ist nach oben gerutscht und reicht ihr jetzt fast bis zur Nase. Sie klammert sich links und rechts am Floß fest, ihre Augen sind weit aufgerissen. Ich lache. Geschieht ihr recht. Ich spüre das Kribbeln im Rücken und halte meinen Bauch fest eingezogen. Das Floß kommt auf mich zu. Ich packe es und schubse es in Raphaels Richtung. Wilma sieht jetzt beruhigter aus. Langsam schwabbt es auf Raphael zu und er zieht es mit starken Armen ans Ufer.

Lautes Kichern und Valeries Schreie kündigen das zweite Floß an. Es ist schneller als das erste. Valerie hat einen Arm in der Luft und lacht laut. Das Floß hüpft über die Wellen. Es rauscht auf mich zu. Ich versuche, einen sicheren Stand zu haben, damit ich es packen kann. Ich lehne mich nach vorne, gegen den Strom. „Wohoooo Hannah, das war echt der Hammer!" Valerie schreit und ich muss lachen.

Mit aller Kraft gebe ich dem Floß einen Schubs, damit es um die Kurve kommt. Dabei erfasst mich eine Welle und reißt mein T-Shirt nach oben. Es ist nass und klebt mir am Körper, wie eine zweite Haut. Jetzt ist mein dicker Bauch zu sehen. Oh nein. Ich packe es am Saum und ziehe es nach unten. Das Shirt klebt sich wieder an meine Haut. Es bildet alles ab. Schonungslos. Hoffentlich sieht es niemand. Ich drehe mich zu Raphael. Hat er meinen dicken Bauch gesehen?


hold me tight.Where stories live. Discover now