entschuldigt.

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Ich kann nicht glauben, dass sie nicht mehr mit mir geredet hat seit ich sie darauf angesprochen habe. Aber verdammt, was hätte ich denn machen sollen? Im Internet stand, man soll es ansprechen. Und die Trulla von der Hotline hat das auch gesagt. Dennis meint, ihre Reaktion ist normal. Sie weiß nicht, dass sie krank ist. Wie kann sie das denn nicht wissen? Es ist doch so offensichtlich. Aber vielleicht hat er Recht und sie macht das nicht mit Absicht. Fuck, ich weiß es nicht.

Heute Abend hat sie etwas gegessen. Sie hat richtig viel gegessen. Was, wenn ich mich getäuscht habe? Wenn sie krank wäre, würde sie doch immer so wenig essen, oder? Ich weiß es nicht. Ich glaube schon. Das ist ein gutes Zeichen. Ich mache einen grünen Stich auf meine Liste. Es ist nur ein Strich. Nur ein einziger, aber es fühlt sich an, als wären es zehn. Er macht mir Hoffnung. War Grün nicht sowieso die Farbe der Hoffnung? Ich hätte ein verdammter Poet werden können. Oder wie heißen diese Futzis, die Gedichte schreiben? Egal. Ich muss mich bei ihr entschuldigen. Wo ist sie eigentlich?

Sie hat zusammen mit den anderen die Kleinen ins Bett gebracht und ist seitdem verschwunden. Ich höre das Klappern von Geschirr im Speisezelt. Sicher räumt sie auf. Sie hat irgend so einen komischen Ordnungsfimmel glaube ich.

„Hannah?", rufe ich und betrete das Zelt. Fuck, ist es hell hier drin.

„Nee, wir sind's", sagt Valerie.

„Wo ist Hannah?", frage ich.

„Vorhin war sie bei Helen am Feuer", sagt Dennis. Immerhin war sie bei Helen und nicht diesem dämlichen Chris. Dieser sonnengebräunte Cowboy hätte mir gerade noch gefehlt.

„Komm, wir trinken einen. Danach kannst du sie immer noch suchen", sagt Dennis und schenkt grünen Schnaps in kleine Gläser. Wir stoßen an. Es schmeckt scheußlich. Es schmeckt nach Lakritz und Minze.

„Alter!", blaffe ich und knalle das Glas auf die Ablage.

„Weichei", sagt Dennis und füllt unsere Gläser nochmal. Das lasse ich mir nicht sagen. Ich nehme das Glas, halte die Luft an und schlucke die Plörre.

„Beim zweiten Mal tuts doch gar nicht mehr so weh", flötet Dennis und blinzelt als wäre er ein verliebtes Mädchen. Ich zeige ihm den Mittelfinger und halte ihm mein Glas hin. Nach dem dritten Schnaps sind meine Geschmacksnerven betäubt, und ich bin in Stimmung, Hannah zu suchen. In meinem Magen schüttelt die Lakritzplörre dem Bier die Hand und zusammen singen sie Hallelujah.

„Hannah?", rufe ich auf der Wiese. Doch ich bekomme keine Reaktion. Neben mir bewegt sich etwas hektisch. Fuck. Ich blinzle in die Dunkelheit.

„Hannah?", frage ich.

„Äh, hier ist sie nicht", stottert Helen. Was zum...? Ich sehe den kleinen rothaarigen neben ihr. What? Die hat sich das Bleichgesicht aufgerissen? Die brasilianische Schönheit steht auf den rothaarigen Nerd?

„Alles klar", sage ich und schnalze mit der Zunge, „ich verpiss mich dann mal.

„Okay", sagt sie leise. Verdammt, ist sie schüchtern.

„Äh..?", frag sie.

„Hmm?", frage ich. Ach so. Ich wollte ja gehen. Ich drehe mich um und höre Daniel hinter mir hektisch flüstern. Mach dir mal nicht ins Hemd, Alter. Ist ja nichts passiert. Ich schlendere zurück zum Feuer und zünde mir eine Zigarette an. Hier ist sie nicht. Valerie und Dennis räumen auf, Helen und Daniel befummeln sich hinter dem Zelt. Fuck. Ich hoffe, dass Hannah bei Wilma ist. Ich sehe die Fackel neben der Bank am Ende der Wiese. Ich schmeiße meine Zigarette ins Feuer und gehe auf sie zu.

Ich sehe zwei Gestalten auf der Bank. Ich hoffe, dass es Wilma ist. Ich höre Hannah kichern. Was gibt es zu Kichern? Über Wilmas Witze lacht sie doch sonst nie. Ich komme näher und höre ein raues Lachen. Chris. Verdammte Scheiße. Das hier ist eine verdammte romantische Freakshow. Der Mond glitzert im Fluss und sie sitzt dort mit ihm. Ich hätte nichts sagen sollen. Warum habe ich es überhaupt angesprochen. Wenn ich nichts gesagt hätte, wäre sie jetzt nicht sauer und würde nicht mit ihm hier sitzen.

Sie haben mich noch nicht bemerkt. Wieso kichert sie ständig? Sie sitzen nebeneinander und sehen sich an. Sie sieht fröhlich aus. Er hat seinen Arm auf die Rückenlehne gelegt. Seine Hand ist ganz nahe an ihrer Schulter. Sie hat es wahrscheinlich noch nicht mal bemerkt. Ganz dünnes Eis, ganz dünn.

„Hey, Mann", sagt Chris und sieht mich an.

„Lasst euch von mir nicht stören", sage ich langsam. Ich hoffe, Chris weiß, was los ist. Wir Männer wittern Gefahr. Doch ob diese Fähigkeit bei unserem Milchbubi schon ausgeprägt ist, bezweifle ich. Ich setze mich neben Hannah und lege meinen Arm um sie.

„Raphael was soll das?", fragt sie. Ich markiere mein Revier. Doch das behalte ich für mich. Ich lehne mich zurück und grinse. Sie dreht mir den Rücken zu und dreht sich zu Chris.

„Entschuldige", sagt sie. Sie braucht sich doch bei ihm nicht entschuldigen. Ich fahre mit meiner Hand unter ihr Shirt. Ich spüre, wie sie eine Gänsehaut bekommt. Chris kann mich mal. Ich glaube, er kann nicht sehen, was ich da treibe. Selbst wenn, es wäre mir egal. Doch ich möchte mit ihr alleine sein.

Der Milchbubi soll sich verziehen. Mit meiner anderen Hand fahre ich unter ihren Hintern und zeihe sie auf meinen Schoß. Sie zappelt mit den Beinen und quiekt.

„Ich lass euch mal alleine", sagt Chris leise und steht auf.

„Entschuldigung. Wir reden später!", ruft sie ihm nach. Später? Nein. Vergiss ihn. Sie dreht sich und setzt sich auf mich. Ich lege meine Hände auf ihren Hintern und ziehe sie näher. Sie beugt sich zu mir. Verdammt, der Pfirsichduft. Ich lege meine Stirn an ihre Stirn. Mit meinen Händen streiche ich an ihrer Taille entlang. Ich spüre ihre Rippen. Sie ist so dünn. Doch ich will jetzt nicht darüber nachdenken.

Seit Stunden spricht sie nicht mit mir und ich brauche sie. Sie krallt ihre Hände in meine Haare. Jetzt zählt nur das hier. Ich ziehe sie noch näher an mich. Ich spüre ihren Atem auf meinen Lippen. Mit meinen Zähnen ziehe ich sanft an ihrer Unterlippe. Sie atmet schneller. Sanft berühre ich ihre Zunge mit meiner. Sie seufzt und ich kann mich nicht mehr zurückhalten. Ich habe mir Sorgen gemacht. Sie ist einfach abgehauen. Ich war wütend. Und dass soll sie jetzt spüren. All meine Emotionen lege ich in diesen Kuss. Unsere Lippen verschmelzen. Sie erhöht den Druck ihrer Zunge, zieht leicht an meinen Haaren und seufzt. „Raphael?", brüllt Dennis über die Wiese. Verdammt.


hold me tight.Where stories live. Discover now