Kapitel 5 - Bartnelken

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„Papa! Mama!", rufe ich durchs Haus, als ich die Haustür hinter mir schließe und meine Tasche mit den Koffer ordentlich auf den Boden stelle. „Ich bin Zuhause!"

„Wir sind in der Küche, Liebling!", ruft meine Mutter zurück und ich gehe mit den Tabletten und der Milch in die Küche.

Ich stelle die Milch zu Mama neben den Herd, an dem sie steht und gerade eine Suppe kocht und küsse sie auf die Wange. Dann setze ich mich zu Papa an den Tisch, der mich erstarrt anblickt.

„Wie war die Probe?", fragt Mama.

Ich spiele mit der Gabel neben meinem Teller rum und ignoriere Papas Blick. „Gut", lüge ich. „Es könnte nicht besser laufen." Mama soll nicht wissen, dass ich mich ständig verspiele und hinterherhänge. Sie würde mich sonst noch an den Wochenenden zu Misses Baskin schicken, anstatt etwas mit Freunden unternehmen zu dürfen. Und meine Wochenenden sind mir hoch und heilig, da ich unter der Woche keine Zeit habe, mit meinen Freunden shoppen zu gehen oder wenigstens mal den Weihnachtsmarkt zu besuchen.

„Das freut mich." Mama stellt den Kochtopf auf den Tisch und setzt sich neben Papa, dem sie etwas in seinen Suppenteller schöpft.

Seine Augen sind immer noch groß, während er mich perplex anstarrt. „Wer bist du?", fragt er leise.

Ich lächle ihm leicht zu und schütte ihm Tee ein. „Honor - Marie, Papa. Deine Tochter."

Sein Blick zeigt Verwirrung. „Meine Tochter?"

„Ja, Liebling", sagt meine Mutter und streicht ihm liebevoll über die Hand. „Du scheinst noch viele Kopfschmerzen zu haben. Aber jetzt iss' erst mal, ja?"

Kurz sieht er mich noch eindringlich an, dann nickt er wie benebelt und nimmt den Löffel in die Hand, um die Suppe zu essen. Mama und ich beginnen ebenfalls zu essen.

Papa hat schon vor ein paar Jahren begonnen dement zu werden. Es gibt Tage, an denen man es ihm kaum anmerkt und dann gibt es Tage – wie heute – an denen er vergisst, dass ich seine Tochter bin. In der sechsten Klasse hat es angefangen. Mittlerweile habe ich mich schon daran gewöhnt, dass er mich vergisst und ich ihm immer wieder sagen muss, dass er tatsächlich mein Vater ist, doch es tut immer noch ein wenig weh, wenn das passiert. Es ist einfach traurig.

An manchen Tagen wird er auch wütend. Er rastet einfach aus, weil ihm alles zu viel wird, doch das dauert oft nicht lange an, weil die Erinnerungen in seinem Kopf wie Flashbacks wieder zurückkehren. So hat es der Arzt zumindest beschrieben. Doch Mama und ich können damit umgehen, denn das passiert sehr, sehr selten. Es ist Alltag für uns und er ist trotzdem noch immer mein Vater, mit dem ich an manchen Tagen in seinem Zimmer sitze und seine Eisenbahnen aufbaue, während wir seine alten Platten auf seinem Plattenspieler hören.

Das Einzige, dass alles nur schlimmer macht, ist dass es nicht besser wird, eher jeden Monat schrecklicher. Manchmal vergisst er sogar Mama. Sie versucht dann nie ihren Schmerz hinter ihrer Fassade zu zeigen, doch ich merke es immer wieder. Es macht sie einfach traurig. Vor allem, weil er gerade mal sechsundfünfzig ist.

Während dem Essen erzählt Mama von ihrer Arbeit im Krankenhaus und ich höre ihr neugierig zu. Ich räume den Tisch ab und sie sagt, als sie ins Wohnzimmer geht: „Ich habe dir etwas mitgebracht."

„Was denn?"

„Hier." Sie holt eine Vase mit ein paar kleinen rosa Blumen hervor. „Ein Patient hat sie mir geschenkt und du kannst sie mehr gebrauchen als ich."

Glücklich nehme ich ihr die Vase ab und drücke sie liebevoll. „Danke! Die sind echt schön." Sanft fahre ich über die rosa Blüten. „Das sind Bartnelken, solche habe ich noch nicht."

„Dann kannst du ja von Glück reden, dass sie mir geschenkt wurden", lacht Mama und setzt sich neben Papa auf die Couch, der gedankenverloren durch die Sender schaltet.

Ich trage erst die Blumen in mein Zimmer und hole dann meinen Violinenkoffer und meine Schultasche, um gleich noch Hausaugaben machen zu können. Doch erst ziehe ich ein Buch aus dem Regal. Ich setze mich damit auf mein Bett und schneide die Köpfe der Blumen ab, um sie vorsichtig in das Buch zu legen, damit sie dort gepresst werden. Zufrieden stelle ich das Buch wieder in das Regal.

Schon seit ich klein bin, presse ich Blumen und klebe sie dann in Bücher mit leeren Seite, um eine Art Album zu kreieren. Nur eben nicht mit Fotos, sondern mit Blumen. Ich habe mindesten schon zwanzig Stück davon und alle davon habe ich in meinem Regal stehen. Sie machen viel Arbeit, doch ich liebe es. Blumen sind, neben der Musik, meine große Leidenschaft. Meine Granny hat das damals immer mit mir gemacht, als ich klein war und heute kann ich nicht mehr aufhören. Vor zwei Jahren ist sie gestorben, doch ich trage ihr Hobby weiter. Das verbindet mich irgendwie mit ihr.

Um punkt zehn Uhr bin ich fertig mit meinen Hausaufgaben und gehe ins Bett, nachdem ich mir eine warme Dusche gönne. Die Abende sind meine tägliche Entspannung. Die Stunden von morgens bis abends um sieben, sind mehr als anstrengend, weil ich diesen Stress nicht gewohnt bin.

Doch es muss sich auszahlen. Ich muss dieses Stipendium für die Musikschule in Birmingham einfach bekommen, ich denke, dass ich es verdient hätte. Ich lerne wirklich hart, auch wenn es nicht immer klappt.

Sau langweilig und uninteressant, dazu noch viel zu kurz das Kapitel, aber bald wird es spannend, ich verspreche es. Mir fallen nur gleich die Augen zu und ich muss noch Hausaufgaben machen ... Argh.


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