Kapitel 41 - Flüchtling

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Meine Eltern fahren mich schweigend nach Hause. Sie schweigen und das ist ein noch schlechteres Zeichen, als wenn sie mich anbrüllen würden. Mein schlechtes Gewissen frisst mich beinahe auf und die Panik vor dem kommenden Disput oder der unausweichlichen Strafen, kann ich nicht unterdrücken. Ich bin mir sicher, dass sie mir so einiges verbieten werden. Nicht nur den Kontakt mit Harry, sondern vielleicht auch die Arbeit im Hotel, denn sie wissen, dass ich ihn dort jeden Tag sehe. Ich hoffe, sie tun es nicht. Ich könnte Harry anders nicht kontaktieren, denn ich habe kein Handy und ob er überhaupt eins hat, ist auf fraglich.

Mit gesenktem Kopf betrete ich hinter Papa das Haus und will gerade die Treppen hoch, als Mama sagt: „Hier bleiben."

Sofort bleibe ich stehen und drehe mich zu ihnen um. Ihre Blicke sind neutral, aber gleichzeitig extrem angespannt.

Meine Mutter kommt auf mich zu und drückt mir ein altes Handy in die Hand. „Das wirst du ständig bei dir haben, ständig. Verstanden? Du wirst uns nicht wegdrücken und jeden Anruf annehmen. Wenn wir sagen, dass du nach Hause kommst, wirst du hören und wage es dich ..." – Sie kneift ihre Augen zusammen – „Wage es dich auch nur ein einziges Mal mit diesem Jungen zu verschwinden."

Ich presse die Lippen eingeschüchtert aufeinander. So zornig habe ich sie selten gesehen. Sogar Papa scheint im Hintergrund einverstanden mit diesem Umgang zu sein, denn er sieht mich nicht weniger gereizt an. Sonst hat er sich immer bei mir entschuldigt, wenn er Mama und mich angebrüllt hat, doch diesmal scheint er sich nicht schlecht zu fühlen, für das, was er getan hat. Oder er erinnert sich nicht mehr.

Mama geht von mir weg und hängt ihre Jacke auf. „Übrigens wirst du trotzdem nächste Woche im Hotel arbeiten, allerdings ohne ihn."

Ich runzle die Stirn. „Wie meinst du das?"

„Ich meine damit, Honor-Marie, dass Grandpa ihn feuern wird. Ich habe mit ihm gesprochen. Ihr werdet euch also nicht mehr jeden Tag über den Weg laufen. Und da du nach der Arbeit und nach den Proben jedes Mal sofort nach Hause kommst, werdet ihr keine Chance haben, auch nur eine Sekunde zusammen zu verbringen."

Ich reiße entsetzt die Augen auf. Sie will, dass Grandpa ihn feuert? „Das kannst du doch nicht machen!", rufe ich fassungslos aus. „Du kannst Harry doch nicht einfach so den Job wegnehmen, nur weil du ihn nicht magst!"

„Doch, das kann ich, Honor", spricht sie unbeeindruckt von meinem Entsetzen. „Und es wird geschehen. Wir werden nicht zulassen, dass diese Figur dich verpestet."

Unglaubwürdig starre ich sie an. Sie will Harry kündigen lassen. Das ist ... Ich finde kein Wort dafür. Sie ist doch diejenige, die mich schlecht fühlen lässt, nicht Harry. Ich sehe zu Papa. „Und du siehst das auch so?"

Er nickt nur. „Ganz recht."

Ich schüttle betroffen den Kopf. „Ihr seid ... Ich kann nicht glauben, dass ihr das tut. Er wird kein Geld mehr haben, wenn Grandpa ihn kündigt."

„Das hat er dann wohl verdient", sagt Mama. „Schlechte Menschen werden irgendwann immer mit dem Karma konfrontiert, Liebling."

„Das ist kein Karma, das seid ihr!"

Mama kneift die Augen zusammen. „Brüll mich nicht an, Honor."

Mir steigen Tränen der Wut in die Augen. Ich kann nicht glauben, was sie da tun. Sie wollen Harry noch mehr in den Abgrund werfen, obwohl er ... Er ist kein schlechter Mensch. Das ist er einfach nicht. Wieso wollen sie das nicht verstehen? „Ihr seid grausam!", schreie ich weinend. „Ich hoffe, dass das verdammte Karma euch irgendwann treffen wird, für das, was ihr tut!"

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